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IOC verbannt Russland nicht

IOC entscheidet sich gegen einen Komplett-Bann. Der Ball liegt nun bei Fachverbänden.

IOC verbannt Russland nicht

Das IOC verhängt keinen Komplett-Ausschluss wegen staatlichen Dopings über das russische Team für die am 5. August beginnenden Olympischen Spiele in Rio.

In einer Telefon-Konferenz des IOC-Exekutivkomitees unter der Führung von IOC-Präsident Thomas Bach werden spezielle Auflagen verabschiedet, welche russische Sportler für eine Teilnahme erfüllen müssen.

Keine Startberechtigung als Athletin erhält indes Whistleblowerin Yuliya Stepanova.

Diese Entscheidungen teilt IOC-Präsident Thomas Bach am Sonntag in Lausanne in einer Medien-Telefonkonferenz mit.

Die Entscheidung, ob Athleten in den jeweiligen Sportarten in Rio antreten dürften, liege bei den internationalen Fachverbänden.

In einem Ermittlungsbericht der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) war ein staatlich angeordnetes systematisches Doping in Russland nicht nur in der Leichtathletik festgestellt worden.

Die Leichtathleten werden in Rio aber fehlen, der Internationale Sportgerichtshof CAS hatte die Suspendierung des russischen Leichtathletik-Verbandes durch den Weltverband (IAAF) als regelkonform bestätigt.

Bach spricht von einer schwierigen Entscheidung. Der Report von Richard McLaren habe ein System aufgedeckt, aber man habe über Individuen und einzelne Athleten und wie das jeden Einzelnen betreffe, entscheiden müssen.

Alle Sportarten entscheiden für sich

Die internationalen Sommersportverbände sollen nun alle Einzelfälle prüfen und dann in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) darüber befinden, welche russische Athleten in welchen Sportarten antreten dürfen.

Sportler, denen schon einmal Doping nachgewiesen werden konnte, sind von vornherein raus. "In diesem Sinne schützen wir saubere Athleten, weil wir strenge Kriterien für russische Sportler festgelegt haben", sagt Bach.



Russlands Sportminister Vitaly Mutko zeigt sich sicher, dass die meisten Athleten beim Ringe-Spektakel in Brasilien dabei sein werden. "Die Kriterien sind sehr hart, aber ich bin überzeugt, dass die meisten Athleten sie erfüllen", befindet er.

Verteidigende Stimmen

Ein noch nie da gewesener kompletter Ausschluss eines Landes allein aufgrund von Doping-Vorwürfen bleibt somit aus.

Das Ergebnis respektiere "die Regeln des Rechts und das Recht aller sauberen Athleten weltweit", kommentiert der IOC-Chef, der zuvor bei einer Telefonkonferenz mit seinen Kollegen aus der IOC-Exekutive mehrere Stunden verhandelt hatte.

Bach verwahrt sich davor, das IOC sei gegenüber Russland eingeknickt: "Hier ging es darum, Gerechtigkeit gegenüber sauberen Athleten überall auf der Welt zu üben."

"Die Entscheidung ist, nur zwölf Tage vor Beginn der Spiele in Rio, schwierig genug, auch, weil die Rechtslage nicht eindeutig ist. Wir glauben, dass der getroffene Kompromiss, nicht alle russischen Athleten kollektiv zu sperren, sondern diverse Auflagen für etwaige Starts zu definieren, Sinn macht. Es wäre ungerecht jenen Athleten gegenüber, die entsprechende internationale Tests vorweisen können und keine Auffälligkeiten in der Vergangenheit hatten", sagt ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel auf Anfrage der APA.

Erleichterung in Russland

Russland zeigt sich zufrieden. "Das ist eine rechtmäßige Lösung", sagt der Chef des Sportausschusses im russischen Parlament, Dmitry Swishtshyov. "Aber solche Entscheidungen sollten nicht nur in Bezug auf russische Athleten, sondern auf Sportler in der ganzen Welt getroffen werden."

Stabhochsprung-Star Jelena Isinbayeva spricht von einem richtigen Schritt. "Die komplette russische Mannschaft nicht zuzulassen, wäre ein riesiger Fehler und ein internationaler Sportskandal gewesen", sagt die zweifache Olympiasiegerin.


Österreichs Olympia-Team offiziell verabschiedet:


Auch die Vereinigung der Nationalen Olympischen Komitees (ANOC) bewertet die Entscheidung als gut. Bei einem Bann Russlands wären "zu viele saubere Athleten betroffen gewesen wären", kommentiert ANOC-Chef Sheikh Ahmad Al-Fahad Al-Sabah.

Cepic: "Entscheidung fast skandalös"

Michael Cepic, Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur Österreichs, fehlt gegenüber der APA jedes Verständnis für diese Entscheidung: "Wir sind maßlos enttäuscht vom IOC. Weil natürlich hätte es unschuldige Sportler getroffen. Aber in erster Linie geht es um die restlichen 9.500 oder 10.000, die sich alles in allem einem normalen Anti-Doping-Regime unterwerfen und in Rio teilnehmen. Die schützt man mit dieser Nachricht ganz sicherlich nicht."

"Mehr als enttäuschend, fast skandalös", nennt er die Entscheidung, dass "Whistleblowerin" Yuliya Stepanova trotz ihrer Mithilfe bei der Aufklärung des umfassenden russischen Dopings nicht in Rio wird starten dürfen. Den Antrag der Leichtathletin, im August als "neutrale" Athletin unter der olympischen Flagge antreten zu dürfen, lehnt das IOC ab.

Sie erfülle angesichts ihrer Doping-Vergangenheit trotz ihrer Verdienste um Aufklärung nicht die "ethischen Anforderungen", heißt es. "Das ist heftig", kommentiert Cepic.

Demonstrativ hatte Kremlchef Wladimir Putin zuletzt die Gründung einer neuen Anti-Doping-Kommission in Russland angekündigt - womöglich auch, um einem Komplett-Bann seines Landes für Rio zu entgehen. Russland werde in enger Zusammenarbeit mit dem IOC und der WADA sein komplettes Antidopingsystem umbauen, versichert Mutko nun.

"Wir werden für einen sauberen Sport kämpfen. Nur uns zu kritisieren, scheint mir nicht ganz korrekt", sagt der Sportminister.


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