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Steht Österreichs Sport vor Finanz-Kollaps?

Regierung könnte gebeutelten Sportorganisationen nächsten Schlag verpassen.

Steht Österreichs Sport vor Finanz-Kollaps? Foto: © GEPA

Ein Gesetzesentwurf der österreichischen Bundesregierung, der Ende April in Begutachtung gehen soll, sorgt für Sorgenfalten in den Gesichtern der heimischen Sportfunktionäre.

Mit Herbst 2021 soll die sogenannte "Neuordnung Glücksspiel" beschlossen werden, die vorsieht, dass Online-Glücksspielunternehmen, die nicht in Österreich lizensiert sind, per DNS-Blocking aus dem Verkehr gezogen werden. Sprich: User aus Österreich könnten die betroffenen - in der EU lizensierten - Anbieter nicht mehr besuchen.

Dies gepaart mit einem möglichen Werbeverbot, das jenem für die Tabakindustrie nahekommen könnte, würde für die durch die Corona-Pandemie schwer gebeutelten österreichischen Sportverbände, Ligen und Vereine weitere fianzielle Probleme bedeuten, da sie zu einem Großteil von Glücksspielunternehmen unterstützt werden.

"Der Sport würde hier am Massivsten leiden", sagt Claus Retschitzegger, Präsident der Österreichischen Vereinigung für Wetten und Glücksspiel (OVWG), gegenüber LAOLA1. "Zuerst müssten wir Sportsponsoring-Aktivitäten einstellen."

Was sieht die "Neuordnung Glücksspiel" vor?

Das neue Gesetz soll die Glücksspielbranche in Österreich grundlegend verändern. So soll die Vergabe der Glücksspiel-Konzessionen aus dem Finanzministerium abgezogen werden und an einen weisungsfreien Richtersenat übertragen werden.

Allerdings werden in den kommenden Jahren keine weiteren Konzessionen erteilt. Die Österreichischen Lotterien halten ihre Berechtigungen für Casino-Angebote noch bis 2027. Dies gepaart mit der fehlenden Vergabe von neuen Konzessionen hat ein - de facto - Monopol zur Folge.

In der EU lizenzierte Online-Glücksspiel-Anbieter, die zumeist Online-Casinos und Sportwetten anbieten, würden durch fehlende österreichische Glücksspiel-Konzession per DNS-Blocking gesperrt werden. Ganz wasserdicht sind diese Sperren aber nicht, sie können selbst von weniger bewanderten Internetusern umgangen werden.

"In Wahrheit wird durch die Novelle ein Monopol geschützt, das nicht einmal mehr in österreichischem Mehrheitseigentum ist, sondern ein tschechisches Monopol ist. Und die Anbieter, die im wesentlichen in Österreich gegründet wurden, wie Interwetten, Bwin, bet-at-home und CASHPOINT, die würden massivst davon betroffen. Das ist für mich eine unverständliche Vorgehensweise", sagt der Präsident der OVWG.

Die meisten in Österreich tätigen Anbieter sind allerdings in anderen EU-Ländern konzessioniert und sollen laut eigener Auffassung ihre Dienstleistungen auch in Österreich anbieten dürfen.

Welche Auswirkungen hätte das neue Gesetz auf den österreichischen Sport?

Durch das Gesetz könnte den bisher legalen und in der EU lizensierten Anbietern die Geschäftsgrundlage in Österreich wegbrechen, was Sponsoring im österreichischen Sport obsolet machen würde.

Die von der Coronakrise gebeutelten Vereine, Ligen und Verbände müssten so weitere große Lücken im Budget füllen.

Die Onlinecasinos würden laut Retschitzegger rund 60 Prozent der Erträge für einige Unternehmen ausmachen, die Glücksspiel und Sportwetten anbieten. Das Sportsponsoring würde im Zuge von Unternehmens-Umstrukturierungen wohl am Meisten zurückgefahren wären, mutmaßt der Oberösterreicher.

Wird ein Werbe- oder Sponsoringverbot explizit angedacht?

Laut dem Ministerratsentwurf soll es zumindest Einschränkungen geben, was Werbung für Glücksspiel betrifft.

Wie diese konkret aussehen sollen, ist noch offen. Es wird allerdings geprüft, ob weitere Schritte in Analogie zum Tabakgesetz ergehen sollen.

Unabhängig von einem möglichen Werbeverbot, würde das Sponsoring im Sport ohnedies leiden, sollte der aktuelle Gesetzesentwurf umgesetzt werden, erklärt Retschitzegger.

Wie groß ist der Markt für Werbung im Sportwettenbereich in Österreich?

Laut der OVWG würde dem hiesigen Sport bei Einschränkung der Glücksspiel-Werbung eine Summe von rund 100 Millionen Euro verloren gehen.

Dieses Geld geht unter anderem an Verbände, Ligen und Profi- sowie Amateurvereine, die unterschiedlichen Grades von diesen Summen abhängig sind.

In welcher Relation steht dies zu Förderungen der öffentlichen Hand?

Die Bundes-Sport-GmbH stellt jährlich 33,5 Millionen Euro an Förderungen für Leistungs- und Spitzensport zur Verfügung. Darüberhinaus wird eine athletenspezifische Förderung in Höhe von 7,4 Millionen Euro ausgeschüttet.

Unter dem Strich lässt sich festhalten, dass ein Wegfall der Sponsoringgelder aus der Glücksspiel-Branche vom Staat eher nicht adäquat abgefangen werden kann.

Wo treten Wettanbieter beim Sponsoring konkret in den Vordergrund?

Anbieter von Glücksspiel und Sportwetten sind in so ziemlich jeder Sportart und in den meisten Vereinen tätig. So soll Admiral ab der kommenden Saison Bewerbssponsor der österreichischen Bundesliga sowie der 2. Liga werden.

Von den zwölf Bundesligaklubs werden elf von Glücksspielunternehmen unterstützt, manche sogar von mehreren. Rapid weist beispielsweise Admiral und tipp3 als Premiumpartner aus, HPYBET agiert als Teampartner.

Admiral und bet-at-home fungieren bei der Wiener Austria als Premiumsponsoren, letzteres Unternehmen fungiert bei Bundesliga-Krösus Red Bull Salzburg als "Official Partner". Beim SCR Altach engagiert sich CASHPOINT als Haupt- und Stadionsponsor. Diese Unterstützung wird für den Verein aus Vorarlberg wohl einen beträchtlichen Anteil am Budget ausmachen.

Während neben Rapid und Austria sechs weitere Vereine von Admiral unterstützt werden, besteht nur beim LASK kein Sponsoring durch ein Glücksspielunternehmen.

In der 2. Liga sieht die Situation nicht anders aus. Von den 12 Vereinen, die nicht de facto Zweitvertretungen ihrer Stammvereine sind, erhalten neun Sponsoringgelder von Glücksspielunternehmen.

Abseits von Vereinsmannschaften und Ligen im Fußball wird auch der ÖFB selbst von einem Glücksspielunternehmen unterstützt. Tipp3 tritt beim Fußball-Bund als Premium-Partner auf, die TV-Werbungen mit den Teamchefs Koller und Foda sind den meisten Sportkonsumenten wohl noch erinnerlich.

Auch für Vereine außerhalb des Fußballs stellt Sponsoring eine wichtige Einnahmequelle dar. Bet-at-Home ist beispielsweise Titelsponsor der ICE Hockey League und Basketball Superliga. Unzählige Vereine in beiden Ligen werden darüberhinaus gesondert unterstützt.

Selbst der Österreichische Skiverband ist eine Kooperation eingegangen. Seit 2017 fungiert Interwetten als Event- und exklusiver Sportwetten-Partner des ÖSV.

Treffen die Auswirkungen auch den Amateur- und Jugendsport?

Einige Anbieter sind im Breitensport tätig, unter anderem im Rollstuhlbasketball. Interwetten ist beispielsweise Titelsponsor der Sitting Bulls.

Auch diese Vereine wären möglicherweise von einem Wegfall der Sponsoreinnahmen betroffen.

Was bedeutet diese Novellierung für die Spieler?

Effektiv wird das aktuell bestehende Glücksspielmonopol weiter einzementiert. Online wären unter anderem win2day, ein Angebot der Casinos und Lotterien, sowie Tipp3 und Admiral, die kein angebundenes Online-Casino betreiben, legal.

Darüberhinaus soll der Spielerschutz durch einen anbieterübergreifenden Sperrverbund erhöht werden. Dem entgegen hält Retschitzegger, dass lizensierte Glücksspielunternehmen einen qualitativ höherwertigeren Spielerschutz anbieten könnten.

Was wünscht sich die Branche?

Für so ziemlich alle Glücksspielunternehmen, die in Österreich unter EU-Lizenz tätig sind, wäre das neue Gesetz ein schwerer Schlag. Die eigentliche Krux am aktuellen System liegt aber nicht in der Regulierung, sondern an der mangelnden Vergabe weiterer Konzessionen.

"Ein Lizenzsystem für Online-Glücksspiel wäre eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten, dafür setzen wir uns auch ganz massiv ein. Beim Blocking würden zwar wir unsere Kunden verlieren, aber es gibt Anbieter, die von außerhalb des EU-Raums agieren und diese Blocking-Maßnahmen umgehen", so Retschitzegger.

"Ich glaube, dass die Regierung besser beraten wäre, ein Lizenzsystem für Online-Glücksspiele nach hohen qualitativen Standards zu etablieren und uns eine Rechtssicherheit zu geben, weiter am Markt tätig zu sein. Dann könnte man die Standards einfordern und kontrollieren. Auch die Spieler hätten dann die Gewähr, bei einem national lizensierten Anbieter zu spielen", erläutert der Oberösterreicher.

Sind Steuererhöhungen vorgesehen?

Sie werden zumindest deutlich impliziert. Laut Ministerratsentwurf sollen die Spielbank- und Glücksspielabgaben sowie die Wettgebühr auf "europäisches Niveau" angehoben werden.

Laut OVWG würden die in der EU lizenzierten Wett- und Glücksspielanbieter 170 Millionen Euro an Steuern in Österreich entrichten.

Wann soll das neue Gesetz kommen?

Bis Ende April sollen die gesetzlichen Regelungen laut Ministerratsentwurf in Begutachtung gebracht werden. Im Herbst 2021 soll dieses parlamentarisch beschlossen werden können.

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