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Gustl Auinger: "Nicht der Marc, den wir kennen"

Spielberg calling: Gustl Auinger gibt Einblick in den Kampf in der MotoGP.

Gustl Auinger:

Der Kampf um jeden Millimeter in der MotoGP-Saison 2018 geht kommendes Wochenende in Spielberg in die elfte Runde.

Bisher drückt der regierende Weltmeister Marc Marquez diesem Jahr einmal mehr seinen Stempel auf. Der spanische Ausnahmekönner führt die WM mit 49 Punkten Vorsprung auf Valentino Rossi an.

Vergangenes Wochenende in Brünn setzte aber Ducati mit dem Doppelsieg durch Andrea Dovizioso und Jorge Lorenzo ein Ausrufezeichen. Auch in Österreich gelten die Italiener als Favorit.

Marquez brachte in Tschechien Platz drei ins Ziel. Fährt MM93 seinen nächsten Titel sicher nach Hause? "Das ist nicht der Marc, den wir kennen. Er will jedes Rennen gewinnen", ist sich Gustl Auinger sicher.

Der Ex-Rennfahrer begleitet die Zweirad-Königsklasse als Experte bei Servus TV aus nächster Nähe und gibt im LAOLA1-Interview Einblick in den beinharten Kampf zwischen den Top-Teams.

Die Motorsport-Fans in der Steiermark können sich seiner Meinung auf ein Spektakel freuen: "Egal wie der WM-Stand aussieht, das Rennen wird in der letzten Runde entschieden."

Gustl Auinger mit Servus-TV-Moderatorin Andrea Schlager
Foto: © GEPA

Der WM-Stand in der MotoGP >>>

LAOLA1: Wir haben zehn abwechslungsreiche Rennen in der MotoGP gesehen. Wie siehst du bislang das Kräfteverhältnis zwischen den Top-Teams, wer hat das beste Gesamtpaket?

Gustl Auinger: Das beste Paket hat Honda mit Marc Marquez. Honda hat gegenüber 2017 nur Details an seinem Bike verbessert und hat daher ein sehr komplettes Motorrad, das auf vielen Strecken sehr gut funktioniert.

LAOLA1: Ducati wird ein großer Power-Vorteil nachgesagt, dennoch hat Marquez in der WM die Nase klar vorne. Warum?

Auinger: Der Powervorteil ist relativ. Die Frage ist, wie man die nahezu 300 PS immer ausspielen will. Die Fahrbarkeit des Bikes ist sehr gut, daher kann Ducati sehr viel von der Power auch umsetzen. Aus meiner Sicht hatten sie zu Saisonbeginn aber eine zu große Unruhe im Team. Zuerst hat man sich von Jorge Lorenzo getrennt, dann hat der Kerl aber zwei Siege hingeknallt. Gleichzeitig hat Andrea Dovizioso seiner Form hinterher gehechelt. Dank des Ergebnisses in Brünn sind sie wieder in einer besseren Position. Der Doppelsieg war wie Balsam auf der Seele des Teams. Und jetzt in Spielberg sind sie wieder Favorit.

LAOLA1: Was fehlt bei Yamaha, um wieder ein WM-fähiges Motorrad auf der Strecke zu haben?

Auinger: Sie haben im Moment das Problem, dass das Bike zwar auf jeder Strecke funktioniert, aber auf keiner Strecke siegfähig ist. Das wird sich aus meiner Sicht im heurigen Jahr auch nicht mehr ändern. Dafür sind die Probleme zu komplex. Der Motor ist verplombt, mit dem müssen sie die Saison zu Ende fahren, da können sie nichts mehr ändern.

"Er hat in Brünn zwar gesagt, dass der dritte Platz schon gut war, aber das ist nicht der Marc, den wir kennen. Das war Zweckoptimismus. Er will jedes Rennen gewinnen, dafür setzt er alles ein."

Auinger über Marquez

LAOLA1: Marquez hat in der WM schon einen Vorsprung von 49 Punkten - also fast zwei Siegen. Merkt man jetzt auch bei ihm, dass er jetzt mehr mit Köpfchen unterwegs ist und die Podestplätze für die WM sicherer nach Hause fährt?

Auinger: Weiterentwickelt hat er sich nach dem Vorfall in Argentinien auf jeden Fall. Da ist er blind durch die Gegner gefahren, das macht er Gott sei Dank nicht mehr. Von seinem Charakter als Fahrer kann er sich aber nicht lösen. Er ist immer noch zu Tode betrübt wenn er nicht gewinnt. Er hat in Brünn zwar gesagt, dass der dritte Platz schon gut war, aber das ist nicht der Marc, den wir kennen. Er will jedes Rennen gewinnen, dafür setzt er alles ein. Mit fast zwei Siegen Vorsprung kann er ohneweiters riskieren und einmal einen "Nuller" schreiben. Je mehr er Luft nach hinten hat, desto weniger wird ihn irgendjemand zurückpfeifen. Das ist auch gut so.

LAOLA1: Hängt die Spannung der WM also nur von der Risikobereitschaft von Marquez ab?

Auinger: Ich bin erstmal überglücklich, dass es von Michelin einen Vorderreifen gibt, der sehr gut funktioniert. Dadurch sehen wir Zuschauer im Rennen einen Kampf bis zur Zielflagge. Egal wie der WM-Stand aussieht, das Rennen wird immer in der letzten Runde entschieden. Das ist fantastisch. In der WM kann es nur dann spannend werden, wenn Dovizioso dauerhaft auf die Siegerstraße einbiegt und Marquez ein paar Mal merkt, dass es für ihn schwierig wird. Selbst dann könnte er aber hinter Dovizioso ins Ziel kommen und würde Weltmeister werden. Es hängt also sicher davon ab, wie weit Marquez geht. Honda würde es ihm niemals verzeihen, so einen Vorsprung so einfach wegzuschmeißen.

LAOLA1: Bei Ducati fliegen zwischen beiden Piloten regelmäßig die Giftpfeile. Ist das Klima im Team noch immer ein großes Problem?

Auinger: Jetzt nicht mehr, weil klar ausgesprochen wurde, dass Lorenzo zu Honda wechselt. Da war es im Vorjahr im Titelkampf noch viel schwieriger, als nicht klar war, ob Dovizioso Schützenhilfe bekommt. Lorenzo war damals kein Teamplayer. Jetzt wird er ihm nicht ins Motorrad fahren, er wird ihn aber auch sicher nicht "vorbeiwinken". So ist es für beide Seiten klar.

"Kommt er nächstes Jahr mit der Honda zurecht, sehe ich Lorenzo mit Marquez auf Augenhöhe."

Auinger über das Honda-Duo 2019

LAOLA1: Kann sich Lorenzo im nächsten Jahr bei einem Team wie Honda, das ganz auf einen Fahrer ausgerichtet ist, durchsetzen? Immer wieder ist davon zu hören, dass das Bike schwieriger zu fahren sei als die Ducati.

Auinger: Jedes Motorrad hat seine Besonderheiten, aber Lorenzo hat eine große Stärke und das ist seine Präzision. Wenn es ihm gelingt, seine Fahrweise auf einem Motorrad umzusetzen, dann ist er sehr schnell. Das hat man auch bei Ducati gesehen. Sobald das Bike für ihn kräfteschonend funktioniert hat und er sein sensibles Fahrgefühl umsetzen konnte, hat er über die Renndistanz enorm starke Rundenzeiten hingeknallt. Die Honda ist sicher nicht leicht zu handhaben, man wird auch nicht erwarten können, dass das Team das Bike für ihn völlig umkonzipiert. Kommt er aber damit zurecht, sehe ich beide Fahrer auf Augenhöhe, weil beide unterschiedliche Stärken haben. Wenn du Marquez kopierst, wirst du im besten Fall Zweiter. Wenn du es auf einem anderen Weg schaffst, hast du eine Chance. Das weiß Marquez auch ganz genau. Von daher sehe ich einen enormen Zündstoff in dieser Paarung.

"Rossi hat diese analytische Fähigkeit, weil er so liebt, was er macht. Das kann Maverick nicht. Er will das perfekte Motorrad und wenn er es nicht hat, ist er saugrantig."

Über die Probleme bei Yamaha

LAOLA1: Heiß her geht es derzeit auch bei Yamaha, wo Valentino Rossi auch mit 39 Jahren seinem Teamkollegen Maverick Vinales voraus ist. Woran machst du das fest?

Auinger: Rossi ist vom Typ her im Vergleich zu Vinales ein völlig anderer Mensch. Es ist im Paddock gut zu beobachten, wie schnell Vinalles nachdenklich, enttäuscht und mürrisch wird, wenn es nicht läuft, wie er sich das vorstellt. Rossi ist jemand, der viel in seiner Karriere erlebt hat und weiß, dass nicht alles immer rosarot und himmelblau ist. Wenn er bei der Yamaha erkennt, dass sie eine Nuance besser wird, klammert er sich daran und versucht, das Maximum herauszuholen. Das liegt vor allem an seinen analytischen Fähigkeiten. Wenn du ihn fragst: Valentino, wann hast du dieses Problem gehabt, von dem du gesprochen hast, wird er dir sagen: Das war in der 14. Runde in Kurve zwölf in Brünn. Natürlich ist auch er mit der Performance von Yamaha nicht zufrieden, aber er kann sehr genau und zielgerichtet mit seiner Crew arbeiten. Er hat diese Fähigkeit, weil er so liebt, was er macht. Das kann Maverick nicht. Er will das perfekte Motorrad und wenn er es nicht hat, ist er saugrantig.

LAOLA1: Ist diese Einstellung von Vinales auch der Grund dafür, warum er sich jetzt öffentlich mit seinem Crew-Chief Ramon Forcada zerstritten hat?

Auinger: Das ist für einen Außenstehenden schwer zu beurteilen, hätten sie sich aber gut miteinander verstanden, wäre das nicht so schleichend an die Öffentlichkeit geraten. Fakt ist, dass Forcada schon früher für Lorenzo immer ein Top-Motorrad hingestellt hat und angesichts der ersten Tests von Vinales bei Yamaha, die überragend waren, kann das keine schlechte Basis gewesen sein. Dann ist eben die Ungeduld dazugekommen und gleichzeitig sorgt der "alte Mann" im Team immer wieder für Highlights. Manchmal kann so eine Umstellung im Team viel bewirken, auch wenn es vom Personal danach nicht besser sein muss.

LAOLA1: KTM erlebt ein schwieriges Jahr. Mit den bisherigen Resultaten kann das Team nicht zufrieden sein, oder?

Auinger: Man hat sich eindeutig mehr erwartet, keine Frage. Ich habe schon früh gesagt, dass dieses zweite Jahr das schwerste für KTM wird. Sie haben ein erstes Jahr hingelegt, das sowas von brillant war, dass sie von Lob nur so überhäuft worden sind - auch zurecht. KTM-Boss Stefan Pierer hat dann zu seinen Leuten gesagt: Naja, dann fahren wir im nächsten Jahr um die Top-Fünf und vielleicht können wir das Podium auch erwischen. Nur wenn alle anderen Werksteams auch wieder einen Entwicklungsschritt setzen, musst du zwei machen, um näher zu kommen. Dass jedes Ding, das du ans Bike schraubst, immer sofort besser, schneller und stärker ist, ist aber utopisch. Dieses zweite Jahr ist also sicher das schwerste, danach geht es wieder vorwärts.

"Sie bringen die Leistung aus der Kurve nicht auf die Straße. Es ist auch die schwerste Nuss, die es zu knacken gilt."

Über das schwere Jahr von KTM

LAOLA1: Wo siehst du bei KTM noch das größte Verbesserungspotenzial?

Auinger: Von dem, was ich in Erfahrung bringen konnte, gibt es noch immer das gleiche Hauptproblem. Sie bringen die Leistung aus der Kurve nicht auf die Straße. Das ist ähnlich wie bei Yamaha, aber noch schlimmer. Es ist auch die schwerste Nuss, die es zu knacken gilt. Ob ein Bike 270, 280 oder 285 PS hat, ist egal, es geht darum, wie du das Maximum davon auf die Fahrbahn bringst. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit liegt es da am Chassis. Dort die Lösung zu finden ist nicht einfach. Das ist eine Sisyphos-Arbeit.

LAOLA1: Dazu kommt eine akute Fahrernot. Testpilot Mika Kallio hat sich am Knie verletzt, in Brünn stürzte Pol Espargaro und fällt für Spielberg aus. Muss man da reagieren?

Auinger: Das wird natürlich sofort gefordert, aber wer kann Mika Kallio ersetzen? Er ist die perfekte Lösung, ist ein sensibler Fahrer und kennt die KTM, seit das Bike zum allerersten Mal angestartet wurde. Er weiß ganz genau, welche Entwicklung in welche Richtung geht. Ihn kann man nicht hundertprozentig ersetzen. Ich kann es mir zumindest nicht vorstellen, wer das sein soll. Und auch ein Ersatzfahrer für Pol in Spielberg macht keinen Sinn. Das wäre ein Schnellschuss und auch viel zu gefährlich. Das könnte zu leicht nach hinten losgehen.

LAOLA1: Die Strecke in Spielberg gilt unter manchen Fahrern als zu gefährlich. Werden diese Stimmen wieder laut werden?

Auinger: Jeder soll seine Meinung haben, das ist auch gut so. Nur wurde die Strecke damals vom Sicherheitsbeauftragen Franco Uncini offiziell abgenommen. Und dann kam Cal Crutchlow und behauptet, sie wäre lebensgefährlich. Sie ist aber sicher nicht gefährlicher als jeder andere Strecke. Es sind diesmal wieder Änderungen in den Auslauf- und Sturzzonen gemacht worden - sogar in Bereichen, in denen man eigentlich gar nicht davon ausgeht, dass jemand stürzen könnte. Alles, was über die Sicherheits-Kommission kritisiert wurde, konnte sofort geändert werden. Damit ist die Strecke vom Sicherheitsstandard her ganz vorne einzureihen und für mich eine der sichersten überhaupt.


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