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Wendlinger "von Honda am meisten überrascht"

Österreichs ehemaliger Formel-1-Pilot wirft einen Blick auf die neue Saison:

Wendlinger Foto: © getty

Er ist quasi Markenkollege von Hamilton und Bottas: Ex-Formel-1-Pilot Karl Wendlinger ist ja seit Jahren AMG-Markenbotschafter und Fahr-Instruktor (mit coronabedingt weniger Einsätzen derzeit).

Der 52-Jährige verfolgt die Formel 1 noch immer genau und erhofft sich vor der am 28. März in Bahrain beginnenden Saison wie jeder Fan mehr Spannung als in den vergangenen Jahren.

Seine Eindrücke vor dem Saisonstart vermittelt er im Interview mit LAOLA1:

LAOLA1: Wird in der neuen Saison alles beim Alten bleiben oder erleben wir Überraschungen?

Karl Wendlinger: Die wenigen Regeländerungen bei Unterboden und hinterer Bremsbelüftung sowie die neuen Reifen werden geringe Verschiebungen bringen, doch andrerseits sahen wir die seit 2014 andauernde Überlegenheit von Mercedes. Bei der Vorstellung im vergangenen Jahr kann man nicht annehmen, dass es große Veränderungen geben wird. Die Frage ist, wie nahe ist Red Bull dran, wie funktionieren die unterschiedlichen Konzepte beim Radstand und wie gut ist der neue Honda-Motor? Vielleicht gelingt Red Bull das Aufschließen zu Mercedes.

LAOLA1: Waren die Bahrain-Tests bereits ein Anzeichen dafür oder waren die drei Tage noch nicht aussagekräftig? Wie ist Deine Bilanz?

Wendlinger: Dass Red Bull stark sein wird nach dem Finish in Abu Dhabi vor drei Monaten und wenigen Reglementänderungen war zu erwarten. Dass der neue Honda-Motor so problemlos funktioniert und klar mehr Leistung hat, eher nicht. Für die Verbesserung Hondas spricht auch die Leistung von AlphaTauri, die eigentlich Red Bull Racing bestätigte.

LAOLA1: Und Mercedes?

Wendlinger: Da scheint der neue Wagen instabil zu sein. Irgendwie wurde ein Strömungsabriss nicht bewältigt. Aber ich warne davor, Mercedes schon im Hintertreffen zu sehen. Wir haben so etwas bei Tests schon erlebt, und dann fuhren sie in Melbourne allen um die Ohren.

LAOLA1: Was denkst Du über den Rest?

Wendlinger: Die wenigen Kilometer und die Probleme bei Aston Martin waren auffällig und so nicht zu erwarten. McLaren zeigte sich stark wie erwartet, und AlphaTauri war für mich sehr beachtlich, auch wie sich Rookie Yuki Tsunoda präsentierte. Ferrari hat zugelegt, aber ich zweifle, ob das für den Angriff auf die ersten Drei reichen wird. Bei einem direkten Longrun-Vergleich war Räikkönen im Alfa-Sauber besser als Sainz. Alfa dürfte sich gesteigert haben und könnte in Richtung Mittelfeld aufschließen. Das Heckdesign, das Alpine verwendet, ist konträr zu allen anderen. Wird interessant im echten Test dann…

LAOLA1: Also Spannung, zumindest zum Auftakt?

Wendlinger: Ja, absolut.

LAOLA1: Wir kennen Hamilton, Bottas und Verstappen in ihren Teams lang, aber wie wird sich Sergio Pérez bei Red Bull schlagen?

Wendlinger: Checo muss clever sein. Er darf nicht versuchen, sich sofort mit Max zu matchen. Der Vorteil für ihn ist: Im Vorjahr gab es Probleme bei Red Bull mit dem Datenabgleich zwischen Windkanal und Strecke, Verstappen "überfuhr" das Auto zeitweise und kam dennoch damit zurecht, während Albon das nicht schaffte und dadurch beeinträchtigt war. Wenn es dieses Problem heuer nicht gibt, kann Pérez mit einem "gutmütigeren" Auto anfangen und hat damit eine bessere Ausgangsposition. Damit ist die Situation des Teams insgesamt besser. Aber ich glaube dennoch, dass Verstappen klar die Pace machen wird.

Ich werde mir nicht alle anschauen. Es hängt von der Spannung ab. Aber wenn es nur darum geht, ob Hamilton im Quali einen Fehler macht oder nicht, ist das zu wenig Aufregung.

Für Wendlinger sind 23 Rennen zu viel

LAOLA1: Hat Pérez schon im Qualifying Nachteile?

Wendlinger: Wenn es nach Papierform weitergeht, sagen wir, vorn zwei Mercedes, dann zwei Red Bull, dann kann der im Rennen starke Pérez durchaus mitmischen. Wenn er aber in der Startaufstellung weiter hinten ist und einige andere Gegner erst überholen muss, wird es schwierig. Dann hat er keine Chance. Pérez darf sich nicht zu viel Druck machen. Verstappen ist ein sensationeller Fahrer, aber manchmal noch immer zu ungestüm, wie man z.B. in Istanbul letztes Jahr sah. Pérez könnte mit seiner die Reifen schonenden Fahrweise einen Vorteil haben. Aber wir wissen ja nicht, wie standfest die neuen Pirellis sind.

LAOLA1: Wie siehst Du das neue Duell Aston Martin-Mercedes gegen McLaren-Mercedes oder Vettel gegen seinen Ex-Teamkollegen Ricciardo?

Wendlinger: McLaren zeigt sich wie gesagt stark, mit Andreas Seidl an der Schaltstelle gelang eine kontinuierliche Steigerung, und jetzt kommt noch der Mercedes-Motor. Andrerseits muss man dafür das Auto, das bisher sehr gut funktionierte, adaptieren. Dennoch schätze ich McLaren hoch ein. Und Ricciardos Fähigkeiten als echter Racer sind unbestritten. Für Vettel ist es wohl die letzte Chance in der Formel 1. Er litt bei Ferrari unter einem schlechten Auto und einem Umfeld, in dem er nicht mehr verwöhnt wurde. Er wurde als Nummer eins geholt, um Weltmeister zu werden, doch dann stellt sich heraus, das funktioniert nicht, und noch dazu kommt ein Junger, der ganz stark ist, dann ist die Chance dahin. Ich würde sagen: Den Zenit hat Seb überschritten. Aber Aston Martin hat große Ambitionen, man wollte Seb unbedingt und wird wohl alles dafür tun, dass er wieder der "Alte" wird. Aber reichen die Ressourcen des Teams, wirtschaftlich, personell und technisch, dass man nach ganz vorn kommt? Eigentlich hätte ich vom "pinken Mercedes" im Vorjahr noch mehr erwartet als schlussendlich trotz des Sieges von Pérez in Bahrain herauskam.

LAOLA1: Eine Überraschung 2020 waren sicher AlphaTauri und Gasly. Wie wird sich das zweite Bullen-Team nun schlagen?

 

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

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Wendlinger: Bei Gasly merkte man sofort: Der Druck, den er im großen Red-Bull-Team hatte, ist weg, er ist befreit und bringt Top-Leistungen, weil er wieder locker wurde und ihm mit der Zusicherung des Teamleaders das Selbstvertrauen gestärkt wurde.

LAOLA1: Wie siehst Du Ferrari?

Wendlinger: Jeder weiß: Es darf keine zweite Saison wie 2020 geben. Aber: Wird Ferrari um so viel besser? Weil zwei Token eingesetzt wurden und ein neuer Motor gebaut wurde? Auch wenn Ferrari besser wird, wird man wohl an die zwei Top-Teams nicht herankommen.

LAOLA1: Was bringt Alonsos Comeback?

Wendlinger: Er ist vom Fahrerischen her noch immer einer der Besten. Und er ist ein Typ. Die Formel 1 braucht dringend Typen! Man kann sagen: Er nimmt einem Jungen den Platz weg. Aber ein Junger, der richtig gut ist, wird seinen Weg machen.

LAOLA1: Apropos Junge. Was würdest Du Mick Schumacher in seiner ersten Saison raten?

Wendlinger: Er darf keine großen Erwartungen haben, vor allem nicht ans Auto. Er soll es so machen wie schon bisher in den anderen Kategorien: Im ersten Jahr etablieren, im zweiten die deutliche Steigerung. Als Sohn von Michael wird er diese Chance bekommen. Aber man darf ihn nur nicht mit seinem Vater vergleichen. Seine erste Priorität muss sein, dass er den Teamkollegen schlägt.

LAOLA1: Sind 23 Rennen in dieser Saison zu viel?

Wendlinger: Für mich ja. Ich werde mir nicht alle anschauen. Es hängt von der Spannung ab. Aber wenn es nur darum geht, ob Hamilton im Quali einen Fehler macht oder nicht, ist das zu wenig Aufregung. Früher bin ich auch im Sommer Sonntagnachmittag daheim geblieben und schaute Formel 1. Jetzt gehe ich lieber auf den Berg oder gehe Radfahren.

LAOLA1: Hast Du noch Kontakt zu früheren Kollegen?

Wendlinger: Kaum. Am ehesten mit Heinz-Harald Frentzen, der war früher oft zu den Weihnachtsfeiertagen beim Stanglwirt in Going in meiner Nähe, das war recht lustig. Wir feierten auch einmal Silvester zusammen. 

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