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Die schlechtesten Sommerspiele aller Zeiten?

Trotz Chaos, Kugeln und Kloake: Warum Rio 2016 dennoch besser als Peking oder Sotschi ist.

Die schlechtesten Sommerspiele aller Zeiten?

Die Kritik an den Olympischen Spielen reißt nicht ab. Viele sprechen - wenn auch überspitzt - gar von den schlechtesten Spielen aller Zeiten.

Die Liste der Probleme ist lang. Sehr lang.

Demonstrationen der Bevölkerung. Umherschwirrende Kugeln, die in einem Shuttlebus eingeschlagen und sich in ein Pressezelt verirrt haben. Nicht mehr fertiggewordene Infrastruktur. Die hohe Alltags-Kriminalität. Ein zum Auftakt halbverwaistes Leichtathletik-Stadion. Chaotische Verkehrs-Verbindungen. Mangelhafte und komplizierte Nahversorgung rund um die Wettkampfstätten...

Nur gut, dass der Zika-Virus oder die fast irreguläre Kloake im Segel-Revier (Stichwort: umhertreibende Kühlschränke) lediglich im Vorfeld Thema waren.

Dennoch braucht man nichts schönreden: Glanzvoll geht anders. London sei da ganz eine andere Kragenweite gewesen, so die vorherrschende Meinung unter Journalisten.

Ein Blick auf die Finanzen

Was dabei gerne übersehen wird: Die Spiele in Rio kosten mit 4,58 Milliarden US-Dollar nur ein Drittel von jenen in London (14,96) und nur einen Bruchteil von jenen in Sotschi (21,89). Alleine die Eröffnungsfeier 2016 habe nur ein Zehntel der Kosten ihrer Vorgänger-Spiele verschlungen.

Und das ist auch gut so.

Spätestens seit dem Fall der Rohstoff-Preise steckt Brasilien in einer tiefen Rezension. Die Korruptions-Skandale in der Belle Etage der hiesigen Politik sind nur eine Folge davon. Denn Schmiergelder auf diesem Level sind im größten südamerikanischen Land freilich keine Erfindung dieses Jahrtausends. Die 1988 verabschiedete Verfassung, in welcher der Staat als wichtigster Auftraggeber manifestiert und wirtschaftlicher Wettbewerbs-Druck in den Hintergrund gedrängt wurde, bietet einen idealen Nährboden für Korruption. Ein System, über welches Jahrzehnte lang hinweggeschaut wurde, da der wirtschaftliche Fortschritt ja rasant war.

Der durch die Wirtschaftskrise eingeleite Gärprozess könnte Staats-Chefin Dilma Rousseff ihr Amt kosten. So absurd es klingen mag, doch der bisherige Höhepunkt der Staats-Krise sorgt bei den Menschen für neue Hoffnung. Schließlich galt es vor einigen Jahren noch als unvorstellbar, dass dieses gewachsene System einmal aufzubrechen ist.

Am Tiefpunkt wartet Hoffnung

Bei den Brasilianern genießen die Olympischen Spiele kein gutes Image. Wie Bruno, ein 23-jähriger Besucher der Schwimm-Wettkämpfe, erklärt, hapert es aber weniger an der Begeisterungs-Fähigkeit für das Spektakel an sich. "Nein, viele Menschen denken, dass sich gewisse Leute bei den Vorbereitungen für Olympia wieder einmal massiv bereichert haben", meint der Wirtschafts-Student.

Gleichzeitig kehrte Ebbe in der Kassa der Stadt Rio ein. Wenige Monate vor den Spielen war die Lage so drastisch, dass öffentlichen Einrichtungen wie etwa Hospitälern die Schließung drohte.

Vor diesem Hintergrund sind die eingangs erwähnten Probleme zum einen verständlich und zum anderen zweitrangig.

Nun herzugehen und zu sagen, dann hätte das IOC die Sommerspiele nicht nach Brasilien vergeben dürfen, wäre jedoch zu einfach.

Rio bekam die Spiele vor sieben Jahren zugesprochen. Zu einem Zeitpunkt fernab der Wirtschaftskrise, als Brasilien durch sein enormes Wachstum am besten Weg zur neuen Supermacht galt.

Wohin die Reise geht

Anstatt Gejammer und Kritik sollte vielmehr das Konzept von schlankeren Spielen geschärft werden. Weg vom ausufernden Gigantismus. Hin zu intelligenteren - wenn auch kleineren - Lösungen. Gerade in Zeiten, in denen immer mehr Menschen der olympischen Bewegung mit Vorbehalten begegnen.

Hält der Trend der vergangenen Jahre an, drohen bald nur noch Olympische Spiele in Ländern mit fragwürdiger Menschenrechtslage, welche das Event als Propaganda-Bühne nutzen.

Um ehrlich zu sein: Mir ist ein organisatorisches Chaos mit teils provisorischen Wettkampfstätten und leeren Plätzen lieber als die perfekt inszenierte Selbstpreisung eines egozentrischen Machthabers in Aserbaidschan oder Katar. Ohne jetzt Brasilien mit seinen Umsiedlungen die moralische Absolution erteilen zu wollen.

Dass die Sommerspiele in Rio alles andere als perfekt sind, steht außer Frage. Doch jeder, der die großen Favelas der Metropole gesehen hat, der hat verstanden, dass auch Rio selbst alles andere als perfekt ist. Der Charakter der Stadt spiegelt sich wider.

Gleiches gilt für die Lebenslust. Und darum mag ich diese Spiele.

 

Aus Rio berichtet Reinhold Pühringer

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