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Argentinien nach emotionalem Titel: "Haben so viel gelitten"

Die "Albiceleste" im Freudentaumel! Das kongeniale Duo Scaloni und Messi wurde zum Schlüsselelement auf dem Weg zum WM-Triumph.

Argentinien nach emotionalem Titel: Foto: © getty

Argentinien hat zum dritten Mal nach 1978 und 1986 den WM-Titel geholt und ist wie schon vor 36 Jahren von einem der Allergrößten auf den Fußball-Thron geführt worden.

So wie einst Diego Armando Maradona trug diesmal Lionel Messi die "Albiceleste" zum Triumph. Auch im Finale (Spielbericht >>>) wurde er mit seinem Doppelpack sowie seinem verwandelten Versuch im Elfmeterschießen seiner Rolle als Leader gerecht.

Messi war bei der Weltmeisterschaft in Katar Vollstrecker und genialer Einfädler gleichermaßen und krönte seine Karriere mit dem letzten großen Titel, der ihm noch gefehlt hat. Nun steht der 35-Jährige endgültig auf einer Stufe mit der im November 2020 verstorbenen Legende Maradona.

Charaktertest bestanden

Argentinien war nach dem Sieg bei der Copa America mit einer Serie von 36 Spielen ohne Niederlage als Mitfavorit nach Katar gekommen - und erlebte zum Start einen Alptraum.

Nach der 1:2-Niederlage im ersten Match gegen den krassen Außenseiter Saudi-Arabien stand die Mannschaft von Teamchef Lionel Scaloni von Beginn weg unter Druck, hielt diesem aber stand und holte sich nach Erfolgen über Vize-Weltmeister Kroatien im Halbfinale und Titelverteidiger Frankreich im Endspiel den Pokal.

"Ich weiß nicht, wieviele Charaktertests wir bei dieser WM bestehen mussten", umschrieb Scaloni die beschwerliche Reise durch das Turnier.

Für die besonderen Momente sorgte Messi mit Genieblitzen oder Nervenstärke vom Elfmeterpunkt, wie er auch im Finale bewies. Die zu Zehntausenden angereisten argentinischen Fans sahen einen lockeren und emotionalen Messi wie noch nie. Sein fünftes und letztes WM-Turnier war auch sein bestes. Er gab ein ganz anderes Bild ab als vor vier Jahren, als bei den Argentiniern und ihm so gut wie nichts zusammenlief.

Scaloni: Der unscheinbare Held

Mitentscheidend für den neuen Messi ist wohl sein Chef. Als sein emotionaler Vorgänger Jorge Sampaoli nach der verkorksten WM 2018 beurlaubt wurde, übernahm Scaloni als preiswerte Interimslösung. Der ruhige 44-Jährige, alles andere als ein Selbstdarsteller, machte es so gut, dass er zum unumstrittenen Chef aufstieg und nun als jüngster Teamchef des Turniers in Katar triumphierte.

"Ich genieße es heute, aber es war nicht immer so. Ich bin ein Trainer, der die Dinge immer richtig machen will und jetzt stehen wir hier", so ein gerührter Scaloni im Interview nach dem Finale. 

Vor allem schaffte er es, dass die alles überragende spielerische Qualität von Messi auch im Nationalteam zum Tragen kam. Den Weg dafür bereitete er vor vier Jahren. Messi, der 2016 schon einmal seinen Abschied vom Nationalteam verkündet hatte, ließ seine Zukunft im blau-weißen Trikot nach der neuerlichen WM-Enttäuschung 2018 monatelang offen.

Der neunte Teamchef von Messi fand aber die Ideallösung. Scaloni, bei der WM 2006 Mitspieler des damals jungen Messi, ließ ihm Zeit, formte derweil ein Fundament, festigte die Truppe, die in Katar als verschworene Einheit auftrat, und motivierte den Superstar damit zur Fortsetzung seiner Teamkarriere.

Der Triumph bei der Copa America 2021, dem ersten großen Triumph Argentiniens nach 28 Jahren, zementierte die Position von Scaloni und nährte die Hoffnung des wirtschaftlich gebeutelten und so fußballbegeisterten Landes.

Die ultimative Belohnung folgte in Katar. "Es ist unglaublich. Wir haben alles gegeben. Aber in diesem Moment genießen wir es einfach. Wir haben das verdient", resümierte der Coach der "Albiceleste" nach dem packenden Endspiel.

Martinez: "Haben so viel gelitten"

Scaloni ließ taktisch variabel spielen und bereitete seine Elf akribisch auf die Gegner vor. Der Ex-Profi, einst Legionär in Italien, Spanien und England, hatte mit Ausnahme von Ersatztorhüter Franco Armani nur Europa-Legionäre einberufen und baute auf ein Gerüst um den starken Torhüter Emiliano Martinez, die Abwehrrecken Nicolas Otamendi und Cristian Romero und ein zweikampf- und laufstarkes Mittelfeld, das dem defensiv kaum tätigen Superstar den Rücken frei hielt.

An der Seite von Freigeist Messi entpuppte sich der 22-jährige Stürmer Julian Alvarez als argentinische Entdeckung des Turniers.

Keeper Martinez, der auch den Goldenen Handschuh für den besten Torhüter gewann, rang nach dem Spiel genauso wie sein Trainer mit der Fassung. "Wir haben so viel gelitten", blickte er auf ein herausforderndes Turnier zurück. "Es war sehr anstrengend. Ich danke Gott, dass wir das geschafft haben. Das ist das, wovon ich immer geträumt habe: Eine WM zu gewinnen! Ich habe keine Worte für das hier", so ein sichtlich berührter Martinez.

"Ich bin sehr glücklich, dass ich meine WM-Reise mit einem Finalspiel beenden kann", hatte Messi vor dem Endspiel erklärt. Am Sonntag erfüllte sich der große Traum des sechsfachen Weltfußballers und ganz Argentiniens, das als viertes Land nach Brasilien (5), Italien und Deutschland (je 4) zum dritten Mal den WM-Pokal geholt hat.

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