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Ihnen geht es wie Austria und Rapid

Große Träume, harte Realität: Vom Stadionbau und seinen Folgen.

Ihnen geht es wie Austria und Rapid Foto: © getty

Ein neues Stadion oder ein substanzieller Stadion-Umbau soll sowohl sportlichen als auch wirtschaftlichen Erfolg mit sich bringen. So, oder so ähnlich lautet jedenfalls die These derer, die sich für diese Art von Infrastruktrur-Projekten stark machen.

Da ist es auch egal, wer, wo, welchen Sport betreibt. Die Argumente gelten für den heimischen Fußball als auch den US-Sport, vor allem in der NFL.

Die Wiener Klubs Rapid und Austria haben in der jüngsten Vergangenheit diese These eindrucksvoll widerlegt. Und sie sind damit nicht alleine.

Gescheiterter Salzburg-Seitenhieb

"Schade, dass Salzburg in der Champions League ausgeschieden ist. Aber wenn wir Meister werden, werden wir das richten", tönte Ex-Rapid-Präsident Michael Krammer Ende August 2016, wenige Wochen nach dem Umzug in das neugebaute Allianz Stadion.

(Text wird nach dem Video fortgesetzt)

Die Geschichte ist bekannt: Rapid stieg als Vize-Meister in die Saison ein, vor dieser erfolgte die Trennung von Zoran Barisic, dem man den Titel nicht zugetraut hatte. Schließlich wollten die Hütteldorfer in der neuen Heimstätte Erfolg haben.

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Es kam letztendlich aber ganz anders: Rapid mühte sich in der Saison 2016/17 am letzten Spieltag noch auf Platz fünf.

Zwischenzeitlich waren die Grün-Weißen in der tabelle sogar nur auf Platz acht zu finden. Im Jahr darauf folgte Rang drei, in der Saison 2018/19, der ersten nach dem aktuellen Liga-Format, verpasste Rapid die Meisterrunde. Die Qualifikationsrunde konnte der Rekord-Meister immerhin als Erster beenden.

Das Allianz Stadion wurde immer mehr zur Belastung. Die gestiegene Erwartungshaltung ob des gestiegenen Ambientes war letztendlich zu viel für Rapid. Die Wiener konnten seit Bezug der neuen Arena noch nie mehr als die Hälfte ihrer Heimspiele gewinnen.

Aus dem "Horr" auf Talfahrt

Ähnlich ergeht es dem zweiten Verein aus der Bundeshauptstadt - der Wiener Austria. Die Violetten bauten um viel Geld die Generali Arena um. Der Geldregen soll duch die gesteigerte Kapazität, den sportlichen Erfolg sowie anderen Events abseits der Spiele der Veilchen einsetzen.

Doch schlechtes Timing machen dem letzten Punkt dieser Aufzählung bis jetzt einen Strich durch die Rechnung.

Das erste in der Generali Arena geplante Cup-Finale musste wieder aus Favoriten abgezogen werden. Wer hätte erahnen können, dass ausgerechnet Erzfeind Rapid ins Endspiel einzieht?

Die Coronavirus-Pandemie lässt auch die geplante Austragung des Champions-League-Finales der Damen im "Viola Park" platzen.

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Finanziell sieht die Lage bei den "Veilchen" wenig rosig aus. Geschäftsführer Markus Kraetschmer musste die sportlichen Fehl-Leistungen schon das ein oder andere Mal mit unzureichenden finanziellen Mitteln rechtfertigen. Der Stadion-Umbau hat die Reserven der Austria verschlungen.

Die erste Spielzeit im neuen Stadion (2018/19) konnte mit Platz vier nach der Meisterrunde halbwegs zufrieden stellen. Die aktuelle, von der Coronavirus-Pandemie unterbrochene Saison, gleicht einem Desaster. Die Violetten grundelten beinahe von Anfang an in der unteren Tabellenhälfte herum. Von dort konnte sich die Austria nicht befreien und musste den Gang in die Qualifikationsrunde antreten, so wie Rapid im Vorjahr. Das selbe in violett, oder so...

Doch nicht nur in Österreich finden sich Beispiele, wie man es nicht machen sollte. Auch international hatte sich der eine oder andere Verein übernommen und vollzog sogar eine härtere Bruchlandung als die Wiener Vereine.

Alemannia Aachen – von der Bundesliga in die Regionalliga

Der Tivoli - Namensgeber für so manches Stadion in Europa - brachte Alemannia Aachen um Kopf und Kragen. Die "Schwarz-Gelben" aus der deutschen Kaiserstadt – die österreichische ist natürlich Wien – stellten sich eine schmucke Arena mit fast 33.000 Plätzen an die Krefelder Straße. Kostenpunkt: 50 Millionen Euro.

Unter dieser finanziellen Last sollen die Aachener letztendlich erdrückt werden. Rund um den Baubeginn 2008 etablierte sich die Alemannia als Fahrstuhl-Mannschaft. 2006 feierte Aachen nach 36 Jahren den Aufstieg in die deutsche Bundesliga. Im Jahr darauf ging es direkt zurück in die Zweitklassigkeit.

Aus dieser sollte die Alemannia nicht wieder hinauskommen. Nicht kalkulierte Kosten beim Bau des neuen Schmuckkästchens führten zu einem Insolvenzverfahren und beinahe zum Lizenzentzug. Die Stadt Aachen sprang für Bürgschaften ein, verzögerte aber nur das Unausweichliche – den Absturz aus Liga zwei.

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Ähnlich wie Rapid gab die Alemannia für den Bau ein Wertpapier aus, die "Tivoli-Anleihe". Durch die Emission konnten mehr als 4,2 Millionen Euro gesammelt werden. Die Anleger hätten das Geld fünf Jahre später zurückbekommen sollen, sechs Prozent Zinsen pro Jahr kamen oben drauf.

Die Anleihe überlebte das Insolvenzverfahren der Alemannia nicht. Die Gläubiger wurden mit 4 Prozent des Nennwertes aus der Insolvenz-Masse bedient.

2012 war es dann soweit. Die finanziell angeschlagene Alemannia musste den Gang in die dritte Liga antreten. Dort wurde man sogar als Letzter in die Regionallliga durchgereicht. 2015 kaufte die Stadt dem Verein das Stadion um einen Euro ab. Die Verkaufssumme war zwar nur symbolischer Natur, die zwei Millionen Euro, die der Erhalt des "Millionengrabes" kostet, sind alles andere als das.

Trotzdem kann das Tivoli ein Novum für sich verbuchen: Im April 2014 war er das erste Stadion in Deutschland, das mit einer FIFA-zertifizierten Torlinientechnologie ausgestattet war.

Die Fans sind der Alemannia aber trotzdem nicht davon gelaufen, so gesehen beim DFB-Pokal-Spiel gegen Bayer Leverkusen im Jahr 2019. Gezählte 30.861 Zuseher sorgten beinahe für ein ausverkauftes Haus. Gedankt bekamen sie es aber nicht – Aachen schied mit einem 1:4 gegen den Bundesligisten aus.

1860 München - Köpfler mit Ansage

Wo ist sie nur geblieben, die Zeit? Heuer jährt sich die einzige Teilnahme des TSV 1860 München an der Qualifikation zur Champions League zum 20. Mal. Die "Löwen" mussten sich damals Leeds United mit ingesamt 1:3 geschlagen geben.

Auch die Truppe aus Yorkshire ist heute nicht mehr in der obersten Spielklasse vertreten, war aber vor der Coronakrise am besten Weg dorthin. Wer spielt allerdings heute noch in der obersten Liga des Landes und qualifizierte sich 2000 für die Königsklasse? Sturm Graz. Feyernoord konnte dank eines 3:2 nach Hin-und-Rückspiel ausgeschaltet werden.

Die Geschichte von 1860 in der Allianz Arena ist eine durchwachsene. Die Anhänger wurden mit dem Stadion, das man sich mit dem Erzrivalen Bayern München teilt, nicht wirklich warm. Viele wünschten sich eine Rückkehr an die Grünwalder Straße. Ein Wunsch, der den Anhängern im Jahr 2017 nach dem Zwangsabstieg in die viertklassige Regionalliga Bayern erfüllt wurde.

Der große Erzrivale kommentiere die Entwicklung trocken. "Mit Beendigung des Mietvertrages ist die Allianz Arena nicht mehr Spielstätte des TSV 1860 München, eine spätere Rückkehr ist ausgeschlossen", so die Presseaussendung der "Roten" im Juli 2017. Diese nutzten die Gunst der Stunde und bauten die Arena nach ihren Vorstellungen um.

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Doch wie kam es zum Auszug aus einem der schönsten und modernsten Stadien der Welt? Die Geschichte begann im Jahr 2001. Die Münchner Rivalen gründeten eine Stadiongesellschaft, an der beide Vereine mit jeweils 50 Prozent beteiligt waren.

Boss der "Sechzger" war zu diesem Zeitpunkt Karl-Heinz Wildmoser. Das Vermächtnis des 2010 verstorbenen Präsidenten der Löwen ist umstritten. 2003 musste er wegen verdeckten Gehaltszahlungen an seine Spieler eine Geldstrafe von 27.000 Euro wegen Steuerhinterziehung bezahlen.

Wenig verwunderlich fällt in diesem Fall der Apfel nicht weit vom Stamm. Der gleichnamige Sohn Wildmosers war im Jahr 2004 Geschäftsführer der Stadiongesellschaft. Vater und Sohn wurden im März festgenommen. Ihnen wurde Untreue und Bestechlichkeit im Zusammenhang mit dem Stadionbau vorgeworfen.

Das Verfahren gegen Papa Wildmoser wurde eingestellt, der Junior musste für mehrere Jahre ins Gefängnis.

Nur zwei Jahre später mussten die "Löwen" ihre Anteile an der Stadiongesellschaft an den Feind im eigenen Haus verkaufen, um sich vor der drohenden Insolvenz zu retten.

Die sportliche Talfahrt hatte zu diesem Zeitpunkt schon längst begonnen. 2004 schlitterten die "Sechzger" im Zeichen der Wildmoser-Affäre in den Abstiegskampf, aus welchem man sich nicht mehr befreien konnte. Platz 17 bedeutete den Gang in die Zweitklassigkeit.

Es sollte für die "Blauen“ nicht mehr besser werden. Nach Platz vier in der folgenden Saison verfiel 1860 zusehends ins Mittelmaß. Ab 2014 war auch in Liga zwei Abstiegskampf angesagt. Hauptgrund für die finanziellen Schwierigkeiten waren die hohen Mieten in der Allianz Arena. Diese waren für einen Zweitligisten kaum zu stemmen und drückten ordentlich auf die Brieftasche der Löwen.

2011 kam zu allem Unglück auch noch der Hasan Ismaik hinzu. Der jordanische Geschäftsmann kaufte 60 Prozent der Anteile, die allerdings nur 49 Prozent der Stimmrechte im Verein enthalten - 50+1 macht'ss möglich.

"Wir wollen die Sechziger stark machen, wir wollen keine finanziellen Löcher mehr, wir wollen innerhalb von drei Jahren in die erste Liga", frohlockte Ismaik seinerzeit. Doch statt einer Spielklasse hinauf ging es letzendlich sogar zwei hinunter.

2017 musste 1860 nach einem 1:3 in der Relegation gegen Jahn Regensburg den Weg in die dritte Liga antreten. Ismaik rührte in den Monaten davor heftig im Verein um: Trainer, Sportdirektoren, Präsidenten – sie alle gaben sich munter die Klinke in die Hand. Der Unmut gegenüber dem Jordanier stieg, erst Recht als er sich weigerte den für die Drittliga-Lizenz notwendigen Geldbetrag zu deponieren. 1860 musste in der viertklassigen Regionalliga weiter machen.

Heute spielen die Löwen mittlerweile in der dritten Leistungsstufe. Die Regionalliga Bayern wurde nach nur einer Saison als Meister abgeschlossen. Statt Illertissen und Pippinsried heißen die Gegner nun Ingolstadt, Eintracht Braunschweig oder Bayern II.

Der Größenwahn aller Beteiligten auf Managementebene, ob zu Zeiten des Stadionneubaus oder danach, führten zum Absturz der Löwen in die Irrelevanz des deutschen Fußballs.

Arsenal – Die "Invincibles" vom Highbury sind längst vergessen

Nach 1.216 Pflichtspielen nimmt Arsene Wenger das letzte Mal im Norden Londons auf der Trainerbank platz. 2004 machten sich der Franzose und sein Team unsterblich, indem sie eine ganze Premier-League-Saison ungeschlagen blieben und naturgemäß den Titel holten – der bis heute letzte.

Doch bei Wengers letztem Heimspiel war das Jahr 2004 schon 14 Jahre her. Das altehrwürdige Highbury Stadium ist dem Emirates Stadium gewichen. Die legendäre Truppe um Henry, Bergkamp und Vieira spielt schon längst nicht mehr. Arsenal im Jahr 2018 war nur mehr gutes Mittelmaß, aber kein Top-Team.

Zwar durfte sich Wenger bei seinem Abschied von den Londoner Fans über ein 5:0 gegen Burnley freuen, in der Abschlusstabelle schaute aber nur Platz sechs heraus. 37 Punkte trennten die "Gunners" von Meister Manchester City, Erzfeind Tottenham war um 14 Punkte enteilt.

In Wengers letzter Saison musste der "St. Totteringham's Day" zum zweiten Mal in Folge abgesagt werden. Davor war dies 1995 zuletzt der Fall.

2006 zogen die Gunners aus dem Highbury ins Emirates Stadium, die großen Erfolge vorbei. Vor dem Umzug standen die Gunners im Champions-League-Finale gegen Barcelona. Torhüter Jens Lehman erwies seinem Team damals einen Bärendienst und wurde noch in der Anfangsphase des Spiels ausgeschlossen. Arsenal ging zwar in der ersten Halbzeit in Führung, Eto'o und Belletti drehten das Finale aber zu gunsten der Katalanen.

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Titel gab es in der "Emirates Ära" dennoch - 2005, 2014, 2015 und 2017 reichte es immerhin zum Sieg im FA Cup.

Doch was lief bei den "Gunners" schief? Wie bei den vorher beleuchteten Klubs geht es wieder ums liebe Geld. Die Kosten für das Emirates Stadion waren so hoch, dass Trainer Wenger in den folgenden Jahren etablierte Spieler vergolden musste, um so Einnahmen zu lukrieren. Der Franzose stand für diese Vorgehensweise vor allem bei den Fans in der Kritik. Gleichzeitig stiegen die Ticket-Preise.

Kurz vor seinem Abschied 2016 wehrte sich Wenger gegen die langjährige Kritik der Anhänger. "Die Banken wollen Konstanz sehen, so dass wir die Chance hatten, die Kredite zurückzuzahlen. Ich habe mich damals zu Arsenal bekannt und bin unter sehr schweren Umständen geblieben", erklärte der Franzose. Wenger sagte 2017 gegenüber "BT Sport", dass mit dem Umzug und den erschwerten finanziellen Rahmenbedingungen, "die schlimmste Zeit" seines Lebens begonnen hatte.

Ebenfalls erschwerend hinzu kam Stan Kroenke. Dieser Name lässt das Blut von Football-Fans in St. Louis kochen und ist seit 2011 Haupteigner von Arsenal. Doch sowohl in den USA als auch in London ist die Kritik am milliardenschweren Unternehmer die selbe: er sei zu geizig.

Der Besitzer der Colorado Avalanche und der Denver Nuggets war nach jahrelangen Versuchen ein neues Stadion in St. Louis zu bekommen, verantwortlich für den Umzug der Rams nach Los Angeles. "Silent Stan" warf in seiner Zeit bei Arsenal auch nicht mit Geld um sich, im Gegensatz zu anderen Klubbesitzern in England. In eine andere Stadt, nach Vorbild der MK Dons, sind die "Gunners" aber immerhin noch nicht verfrachtet worden.

Arsene Wenger sitzt heute als Direktor für Fußballförderung bei der FIFA, an die Invincibles erinnert vor dem Emirates Stadium nur mehr die Statue von Torjäger Thierry Henry.

Letztlich bleibt zu sagen, dass nicht alle Vereine, die ein neues Stadion bauen oder ihr bestehendes renovieren, zum Scheitern verurteilt sind. Juventus ersetzte beispielsweise das Stadio delle Alpi mit dem Allianz Stadium, der Meisterserie hat dies keinen Abbruch getan. Letztendlich entscheiden nicht die Spielorte über Sieg oder Niederlage, sondern die Rahmenbedigungen, welche die Entscheidungsträger den Akteuren bieten.

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