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Willi Ruttensteiner: "Dann geht das ans Herz"

Für Israels Teamchef ist es schwer, Spieler zu bekämpfen, die er ausgebildet hat.

Ein Duell mit dem Heimatland ist vermutlich für jeden Teamchef emotional herausfordernd.

Wenn man über einen langen Zeitraum seiner beruflichen Karriere alles dafür gegeben hat, das Nationalteam des Gegners zu bestmöglicher Qualität reifen zu lassen, dann wohl umso mehr.

"Ich hätte gerne die österreichische Hymne gesungen", erzählt Willi Ruttensteiner nach dem 5:2-Triumph mit Israel gegen Österreich, dies habe er aus Objektivitätsgründen jedoch unterlassen.

Daraus, wie schwierig dieses Kräftemessen emotional ist, machte er kein Geheimnis:

"Man muss verstehen: Wenn du 15 Jahre an der Seite dieser Spieler bist und siehst, wie sie heranwachsen, und jetzt kommt jeder dieser Spieler zu dir und sagt dir, dass er sich freut, dich zu sehen, dann geht das ans Herz", so der Oberösterreicher, der weiter meint:

"Auf der anderen Seite bist du nun Coach des israelischen Nationalteams und musst gegen diese Spieler kämpfen und alles dafür tun, um am Endes des Tages zu gewinnen. Das haben wir sehr professionell getan."

Gleichzeitig bedankt sich Ruttensteiner bei Spielern, Trainern und Betreuern des ÖFB-Teams: "Sie waren mir gegenüber sehr fair."

Ein großer Tag 

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)

Dass sich der 58-Jährige immens für seinen neuen Arbeitgeber gefreut hat, liegt auf der Hand: "Es war ein unglaublicher Auftritt unserer Mannschaft. Ich hätte nie gedacht, dass wir fünf Mal gegen Österreich treffen. Wir können stolz sein, es war ein großer Tag für den israelischen Fußball."

Wenn Ruttensteiner angesichts der Umstände seines unfreiwilligen Abgangs vom ÖFB im Herbst 2017 auch Genugtuung verspürt hat, würde es ihm wohl niemand verübeln.

Der Typ, der dies zeigt und nach außen trägt, ist er bekanntlich nicht wirklich. Viel lieber referiert er über Fußball - und wenn er über die Fortschritte seines Teams und den Prozess, der dahintersteht und den es konsequent zu verfolgen gilt, spricht, könnte man beinahe einen Flashback in frühere ÖFB-Jahre haben.

Damals bemühte sich Ruttensteiner als Sportdirektor des ÖFB um eine nachhaltige Entwicklung. Nun tut er dies in Israel und bremst daher auch gleich die mit solchen Siegen steigende Erwartungshaltung.

Nicht immer fünf Spieler tauschen

"Einige sagen immer, er spielt immer mit demselben Team. Wie soll ich etwas entwickeln, wenn ich immer mit fünf anderen Spielern spiele? Ich hoffe, ihr könnt alle erkennen, dass der Automatismus in diesem Team immer mehr auf dem Feld zu sehen ist."

Willi Ruttensteiner

Nur weil man einen EURO-Achtelfinalisten besiegt habe, sei man nicht selbst bereits reif für eine Turnier-Qualifikation. Es wäre der größte Fehler, nicht weiter von Spiel zu Spiel zu denken und dieses Team in einem Prozess zu entwickeln:

"Einige sagen immer, er spielt immer mit demselben Team. Wie soll ich etwas entwickeln, wenn ich immer mit fünf anderen Spielern spiele? Ich hoffe, ihr könnt alle erkennen, dass der Automatismus in diesem Team immer mehr auf dem Feld zu sehen ist."

Dass sein ÖFB-Gegenüber Franco Foda für dieses Duell zufällig genau fünf neue Spieler in die Startelf rotierte, sei nur am Rande erwähnt.

Ein Prozess mit großer Zukunft

Dass Israels Nationalteam Fortschritte macht, ist offenkundig. Zwar würden sich seine Spieler in der Kabine manchmal beschweren, dass er in Meetings so lange und so viel reden würde, aber unterm Strich sei es ein diszipliniertes Team mit Leadern, die voll hinter dem Projekt stehen.

"Wenn man es mit vor drei Jahren vergleicht - und hier ist die Arbeit von Andi Herzog nicht zu vergessen -, ist es ein guter Prozess. Aber: Wir werden auch wieder Spiele verlieren, weil wir eben nicht auf dem Level der Top-16 einer EURO sind. Man hat auch in diesem Spiel gesehen, dass Österreich individuell bessere Spieler hat. Aber wir haben auch gute Spieler und ein gutes Kollektiv. Wenn sie den Schritt in den internationalen Fußball machen, hat dieser Prozess eine große Zukunft", verdeutlicht Ruttensteiner.

Dass neben Goalgetter Eran Zahavi und Jungstar Manor Solomon mit Munas Dabbur und Shon Weissmann auch zwei ehemalige Österreich-Legionäre trafen, unterstreicht die Entwicklung, dass zuletzt mehr israelische Spieler den Sprung ins Ausland wagten.

"Aber lasst uns nicht von Qualifikation ja oder nein sprechen, sondern von Spiel zu Spiel denken. Jetzt geht es nach Dänemark. Wir werden sehen, wie wir dort in einem vollen Stadion bestehen können. Eine tolle Herausforderung!", so Ruttensteiner.

Warum Österreich gewinnen hätten können

Jeweils vier Tore in Moldawien und auf den Färöer, nun deren fünf gegen Österreich - Israel präsentierte sich zuletzt in Pflichtspielen in Trefferlaune.

"Wenn Österreich da glücklicher ist, glaube ich, dass sie das Spiel gewinnen. Aber unterm Strich denke ich, ist es okay, die drei Punkte zu nehmen, wenn du fünf Tore schießt."

Willi Ruttensteiner

Ruttensteiner verweist darauf, dass man mit der Ausrichtung des 3-5-2-Systems viel Risiko in der Offensive nehmen würde. Als nächsten Schritt müssten seine Schützlinge nun die Restverteidigung besser in den Griff bekommen und aktiver nach vorne verteidigen.

Hier sei man gegen das ÖFB-Team phasenweise nicht gut gewesen und habe damit auch die eigenen Verteidiger immer wieder in schwierige Situationen gebracht. An Chancen mangelte es Rot-Weiß-Rot bekanntlich nicht.

Entsprechend gibt Ruttensteiner auch zu: "Wenn Österreich da glücklicher ist, glaube ich, dass sie das Spiel gewinnen. Aber unterm Strich denke ich, ist es okay, die drei Punkte zu nehmen, wenn du fünf Tore schießt."

Da wird ihm auch in seinem Heimatland niemand widersprechen.

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