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Kommentar: Die ÖFB-Spiele der Wahrheit

Fußball-Österreich ist gespalten. Was sagt vor der EM der Optimist, was der Pessimist:

Kommentar: Die ÖFB-Spiele der Wahrheit Foto: © GEPA

Fußball-Österreich erscheint gespalten.

Nach grenzenlosem und letztlich brutal enttäuschtem Optimismus vor der EURO 2016 versucht es Rot-Weiß-Rot diesmal mit einer differenzierten Herangehensweise.

Von "Das wird fix nix" bis "Mit dem Spielermaterial muss man einfach weiterkommen" ist ein breites Spektrum an Meinungen dabei.

Während das Bauchgefühl nicht mal so schlecht ist, zeigt der Kopf doch einige Baustellen und Probleme auf.

Worauf man sich vermutlich einigen kann: Die Stimmung im Fußball-Land ist erstens nicht allzu hoffnungsfroh, zweitens wird es für das Nationalteam so oder so ein Turnier der Wahrheit.

Vor dem ersten Spiel der Wahrheit gegen Nordmazedonien dominiert indes noch die Uneinigkeit zwischen dem Optimisten und dem Pessimisten:

DER OPTIMIST SAGT…

Mit einem Kader dieser Qualität müssen wir einfach weiterkommen und somit auf Nationalmannschafts-Ebene den lange angepeilten nächsten Schritt gehen. Punkt. Hier ist eine neue ÖFB-Generation am Werk, die vielleicht ein bisschen abgebrühter, aber somit auch auf den Endzweck ausgerichteter agiert. Genau dies könnte bei einem Großereignis gefragt sein. Die Breite des Aufgebots ist jedenfalls so groß wie schon seit Jahrzehnten nicht. Rechtzeitig zur EURO stehen auch alle Spieler mit klarer Stammelf-Ambition endlich einmal gleichzeitig zur Verfügung – ein Luxus, den der ÖFB-Betreuerstab schon länger nicht mehr genießen konnte, und schon gar nicht im März. Dies ergibt auch die Option, das eine oder andere "Sorgenkind" nach Verletzungspause nicht zwingend vom Auftakt-Spiel an verheizen zu müssen.

Die international (oder vor allem in Deutschland) gefragten Spieler lassen sich auch vom Teamchef nicht bremsen – wie überhaupt dieser Franco Foda kein so schlechter Teamchef ist, wie viele tun. Immerhin spricht ihm kaum jemand gesteigerte Ahnung vom Fußball ab und 21 Siege in 35 Länderspielen sind alles nur keine schlechte Bilanz. Von der geschafften EM-Quali und dem Aufstieg in der Nations League ganz zu schweigen. Der Fußball, den der Deutsche spielen lässt, ist vielleicht kein Augenschmaus, aber bei einem Turnier kann Ergebnis-Fußball das Gebot der Stunde sein. Vor allem für ein Fußball-Land wie Österreich, das zwar vehement nach Höherem strebt, aber realistisch gesehen erst einmal den ersten Turnier-Sieg seit 31 Jahren liefern muss, um in weiterer Folge das erste K.o.-Spiel seit 1954 anzupeilen.

Der – nennen wir es pragmatische – Zugang von Franco Foda könnte also in einer machbaren Gruppe genau der richtige sein. Mit Daniel Bachmann hat Österreich endlich einen Einser-Goalie gefunden. Vor ihm bilden Aleksandar Dragovic und Martin Hinteregger ein Bollwerk – das eine oder andere zu Null wäre schon mal eine gute Basis. Wie überhaupt die Achse stimmt. Im zentralen Mittelfeld kann Foda kaum daneben greifen, Marcel Sabitzer ist prädestiniert für eine starke EURO, und auch David Alaba wird zeigen, warum er ein Kaliber für die größten Klubs der Welt ist. Mit Christoph Baumgartner erobert der Jüngste im Kader die Fan-Herzen. Wenn schließlich "Arnie" ganz vorne doch nicht kann, trumpft eben Sasa Kalajdzic auf. Wobei: "Arnie" kann natürlich! Um den Größten zu zitieren: "Da wird was draus." Und das schon bei dieser EURO.

DER PESSIMIST SAGT…

Mit dem Foda wird das nix. Schon gar nicht bei dieser EURO. Nie im Leben! Die Spieler könnten eh, aber der Teamchef … Das Spiel des Deutschen ist nicht anzusehen, viel zu vorsichtig, zu leicht ausrechenbar – er nützt die Stärken der Spieler, die zu einem beträchtlichen Teil durch die Red-Bull-Schule gingen, nicht aus und zwingt sie in ein Korsett, in dem sie sich nicht wohl fühlen.

Apropos wohl fühlen: Beim so verkorksten Auftakt in die WM-Qualifikation im März passte es nicht nur ergebnis-, sondern auch stimmungstechnisch nicht, und der Teamchef soll daran durchaus seinen Anteil gehabt haben. Dies ging so sehr daneben, dass mit Marc Janko ein gut informierter Insider öffentlich vor einer "Explosion" warnte. Und ja eh, auch wenn die Stimmung bisher zu passen scheint, aus Foda wird kein Players Coach mehr. Daher kann das schnell in die andere Richtung gehen – vor allem wenn das Auftakt-Spiel gegen Nordmazedonien daneben geht. Und wie soll es auch gut gehen, nachdem sich das ÖFB-Team in den Tests in England und gegen die Slowakei kein Selbstvertrauen geholt hat?

Irgendwie erinnert das schon wieder an 2016 – nur dass die damalige Floskel ("Wir legen rechtzeitig den Schalter um") durch "wir werden gegen Nordmazedonien punktgenau da sein" ersetzt wurde. Damals wie heute Wunschdenken! Auch vor fünf Jahren sind einige Spieler mit Verletzungssorgen angereist, diesmal steht etwa hinter Marko Arnautovic und Julian Baumgartlinger ein riesiges Fragezeichen. Auch Konrad Laimer konnte in dieser Saison nur wenig spielen. Spielpraxis sammeln bei einer EURO? Dann wohl eher nicht der richtige Zeitpunkt. Die Goalie-Frage wurde zu spät gelöst, jene nach der idealen Alaba-Position gar nicht. Richtig eingespielt ist diese Truppe nicht. Und zu Null? Lachhaft! Österreich gerät ja sogar gegen die Färöer in Rückstand. In den 13 Länderspielen seit der Corona-Zwangspause blieb Österreich nur vier Mal ohne Gegentreffer – darunter gegen Luxemburg und letzte Woche gegen Slowaken, die trotz ihrer Limits gut und gerne hätten treffen können. Alles in allem: Wie 2016, viel zu viele Baustellen und Warnsignale! Und achja: Mit dem Foda wird das nix!


Sowohl der Optimist als auch der Pessimist mögen vielleicht ein wenig überspitzt formuliert haben, aber im Kern trifft dies wohl viele der in den vergangenen Wochen ausgetauschten Argumente.

Und so ganz von der Hand zu weisen sind, wenn man ehrlich ist, wohl beide Denkrichtungen nicht. Umso spannender wird, in welche Richtung bei der Europameisterschaft das Pendel ausschlägt.

Sollte es bei dieser EURO abermals schief gehen, wird es für Foda mit hoher Wahrscheinlichkeit ungemütlich. Dann hieße es jedoch auch intensivst über andere Persönlichkeiten im Fußball-Bund nachzudenken. Daran, dass jemand die im Hinblick auf den Profi-Fußball unglückliche Struktur ernsthaft ändern möchte (und damit den Einfluss des einen oder anderen Entscheidungsträgers mindern), glauben indes selbst Optimisten nicht mehr so wirklich.

Sollte es bei der EURO jedoch gut gehen, hieße das zwar nicht unbedingt, dass Kritiker aufhören müssten, Fodas Herangehensweise zu hinterfragen. Vor allem müsste man erst abwarten, wie Österreich weiterkommt.

Aber DASS Österreich weiterkommt, sollte jetzt einmal ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Alleine schon der Lerneffekt aus der K.o-Phase würde diese ÖFB-Generation mächtig weiterbringen. Und das wünschen wir uns hoffentlich alle.

Zumal man sich auf einen gewissen Glauben an das Potenzial dieser Generation in Fußball-Österreich ja mehrheitlich verständigen zu können scheint.

Und irgendwie wäre es ja schön, wenn viele nach einem Weiterkommen glaubhaft versichern könnten: "Wir ham's ja immer schon gewusst …!"


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