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Kommentar: Die "Stunde" der Ruttensteiner-Gegner

Jene, die einst Ruttensteiner entfernten, entscheiden nun erneut über die ÖFB-Zukunft.

Kommentar: Die Foto: © GEPA

Irgendwie schließt sich der Kreis.

Die ÖFB-Landespräsidenten suchen dieser Tage einen Nachfolger für Leo Windtner, dem sie die mehrheitliche Rückendeckung entzogen haben.

Diese Rückendeckung organisierte sich Windtner 2017, indem er seinen langjährigen Weggefährten Willi Ruttensteiner nach über eineinhalb Jahrzehnten als ÖFB-Sportdirektor opferte.

Der Ansicht, dass dieser Willi Ruttensteiner einen sehr fairen Anteil am Nationalteam-Aufschwung der jüngeren Vergangenheit hat, wird niemand widersprechen.

Und dieser Willi Ruttensteiner führte nun als Teamchef von Israel das ÖFB-Team mit einem 5:2-Kantersieg vor und berichtete danach, wie sehr sich viele rot-weiß-rote Kicker gefreut hätten, ihren langjährigen Wegbegleiter wiederzusehen.

Am Montag – zwei Tage nach der Abfuhr von Haifa - tagt der Wahlausschuss und versucht sich auf einen Erben von Windtner zu einigen. Vielleicht gelingt es ihnen ja sogar, wenngleich die Versuche, im Vorfeld sich oder den eigenen Kandidaten in Stellung zu bringen, schon wieder ein wenig an die eher geringe Einigkeit innerhalb dieses Gremiums im stürmischen ÖFB-Herbst 2017 erinnern.

Kein Wunder, alle Landesfürsten von damals sind noch im Amt. Nun schlägt wieder ihre Stunde. Man wäre zu gerne dabei, um zu erleben, ob sich einige dieser Herrschaften gegenseitig auf die Schulter klopfen und versichern, dass sie bei der Personalie Ruttensteiner trotzdem alles richtig gemacht haben.

Nein, der Oberösterreicher hat in seiner Amtszeit auch nicht alles richtig gemacht. Auch dieser Ansicht wird niemand widersprechen.

Seine Gabe, Visionen zu entwerfen und in die Öffentlichkeit zu tragen, sowie diese gemeinsamen Ziele mit Nachdruck und bisweilen auch lästig zu verfolgen, scheint dem ÖFB derzeit jedoch zu fehlen.

Wie und ob es seinem Nachfolger Peter Schöttel gelungen ist, ebenso nachhaltige Prozesse zu installieren beziehungsweise selbige weiterzuentwickeln, wird sich erst im Laufe der Jahre weisen.

Aktuell ist der ÖFB-Sportdirektor ohnehin gefordert, nicht zum ersten Mal in diesem Jahr kurzfristiger zu denken und seine Finger in die Nationalteam-Wunden zu legen.

Denn dass das ÖFB-Team zum zweiten Mal einen WM-Qualifikations-Lehrgang mit drei Spielen in sechs Tagen ziemlich verklopft hat, kann auch ein Sieg gegen Schottland nur noch bedingt verhindern.

Nach dem März-Desaster ging man bekanntlich – durchaus auch stimmungstechnisch – tief in sich und drehte im Hinblick auf die EURO an den richtigen Schrauben.

Nun gehört dringend eingegriffen, damit das, was bei der EM aufgebaut wurde, nicht quasi in Rekordzeit implodiert.

Einige Gedanken:

Was braucht das ÖFB-Team, um in solch intensiven Lehrgängen zu bestehen? Einen herausfordernden Schedule haben andere ebenfalls – für Israel bedeutet es ebenso Strapazen, hoch auf die Färöer zu fliegen, wieder nach Hause, um Österreich zu vernaschen, und nun wieder gen Norden nach Dänemark.

Weiters: Dass es einen Qualitäts-Unterschied zwischen der „vollen Kapelle“ und einem ersatzgeschwächten Kader gibt, ist irgendwo logisch. Aber sollte man angesichts der objektiv gestiegenen Kaderbreite nicht doch in der Lage sein, dies besser abzufedern?

Ja, bei der EM hatte Österreich das Glück, einen mehr oder weniger verletzungsfreien Kader inklusive Stimmungspolizei nominieren zu können. Die absolute Bestbesetzung ist eher die Ausnahme als die Regel. Wie gelingt es, auch bei Rotation besser aufzutreten?

Dabei gilt es auch die unangenehme Frage zu stellen, ob es nicht Kadermitglieder gibt, die über die Rolle des Mitläufers so schnell nicht mehr hinaus kommen werden, und ob es daher nicht schlauer wäre, den einen oder anderen Hoffnungsträger mit mehr Perspektive intensiver an die A-Team-Aufgaben heranzuführen?

Auf die EURO konnte man sich in zahlreichen gezielten Trainings vorbereiten. Für die Partien in der Republik Moldau und in Israel musste jeweils ein Abschlusstraining auf fremdem Terrain reichen. Macht es dann wirklich Sinn, das System zu switchen – noch dazu mit einer Elf, die so noch gar nie zusammengespielt haben kann?

Zumindest die Diskussion sollte erlaubt sein, auch wenn Teamchef Foda natürlich die subjektive Ansicht vertreten kann, dass es nicht daran lag, dann aber selbst zur Pause zurück auf eine Viererkette änderte.

In der Theorie ist Flexibilität nichts Schlechtes, in der Praxis oft auch nicht, aber gerade auf Nationalteam-Ebene kann man es bisweilen übertreiben. Zumindest die Variante in Israel wirkte zu uneingeübt.

Und war es nicht auch eine Lehre der EURO, dass sich die Mannschaft in einem gewissen System am wohlsten fühlt? Man muss nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag immer dieselbe Variante auspacken, aber ein eine Spur konstanteres Korsett schadet offenkundig nicht.

Die realistische Betrachtung ist und bleibt, dass Österreich auf Nationalteam-Ebene zwar weiterhin sehr hoffnungsfrohe Anlagen hat, man jedoch stets mit Nachdruck dahinter sein muss, selbige abzurufen und weiterzuentwickeln.

Sollte sich entweder im ÖFB oder bei Beobachtern und Fans der Eindruck eingeschlichen haben, dass es ein Selbstläufer ist, ab sofort immer auf dem Niveau des EM-Achtelfinales gegen Italien zu spielen, kann man nur sagen: Nö, isses nicht.

Das haben alle Beteiligten nun denkbar früh und brutal gelernt.

Wer sich dafür eine Teamchef-Debatte mit schneller Entscheidung erhofft, könnte enttäuscht werden. Geführt wird sie natürlich, aber wer soll sie entscheiden? Windtner wird dies eher nicht mehr tun. Wie wird sein Nachfolger zum Teamchef und zum Sportdirektor stehen?

Und hier schließt sich erneut der Kreis. Alle paar Jahre nimmt ein gewisses Gremium durchaus großen Einfluss auf die Zukunft des österreichischen Fußballs.

Wünschen wir uns allen viel Glück, dass es gut ausgeht.


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