Das Thema polarisiert: Welche Berechtigung hat Rapid-Rohdiamant Yusuf Demir, schon jetzt Bestandteil des ÖFB-Nationalteams unter Teamchef Franco Foda zu sein?
Für die einen hat er schon jetzt die Klasse, den Unterschied ausmachen zu können und die rot-weiß-rote Auswahl zu beflügeln, für andere kommt der Zeitpunkt jedoch viel zu früh. Gegen Schottland hat der Teamchef jedenfalls auf das Rapid-Juwel verzichtet und Demir für das 2:2-Remis nicht einmal für die Bank nominiert.
Die Fakten: Gerade einmal 17 Jahre jung, noch kein Stammspieler bei seinem Jugendverein, noch viel zu lernen vor allem im Defensivverhalten, aber auch geniale Momente im Dribbling, Passspiel, in der Vorbereitung und beim Torabschluss - das beschreibt die aktuelle Situation des Top-Talents, das von den absoluten Top-Klubs aus halb Europa gejagt wird.
Das Alter sollte dabei nur eine untergeordnete Rolle spielen, denn Demir ist jedenfalls nicht der jüngste ÖFB-Debütant der vergangenen 50 Jahre - denn das bleibt David Alaba.
Demir könnte jedoch Valentino Lazaro, Marcel Sabitzer oder Aleksandar Dragovic hinter sich lassen, die alle erst mit über 18 Jahren erstmals das Team-Trikot trugen, und als zweitjüngster Spieler die Top 5 der jüngeren Vergangenheit aufwirbeln.
Doch wie weit waren die genannten Spieler zum Zeitpunkt ihres Debüts im Vergleich zu Demir? LAOLA1 geht dieser Frage genauer nach.
YUSUF DEMIR:
Alter (bei möglichem ÖFB-Debüt gegen Färöer): 17 Jahre, 9 Monate, 24 Tage
Pflichtspiele in Profibewerben (Rapid): 31 Einsätze, 6 Tore, 3 Assists - 24x Rapid in Bundesliga (3 Tore, 3 Assists), 1x CL-Quali (1 Tor), 4x Europa League (1 Tor) und 2x ÖFB-Cup (1 Tor)
Einsatzzeit in Profibewerben: 968 Minuten
ÖFB-Karriere vor A-Team-Debüt: 3x U21, 14x U17 (9 Tore, 1 Assist), 8x U15 (10 Tore)
Yusuf Demir ist seiner Zeit immer schon voraus gewesen. Mit 15 und 16 Jahren wurde er zweimal zum besten Spieler des prestigeträchtigen Mercedes Benz Juniorcup in Sindelfingen gekürt, war mit 15 U17-Teamspieler und feierte mit 16 sein Bundesliga-Debüt für Rapid. Etwas mehr als ein Jahr später hat der Youngster 31 Pflichtspieleinsätze für die Hütteldorfer auf dem Konto und begeistert mit seiner Spielweise, enger Ballführung und Bewegungsabläufen, die man so selten sieht.
Von der Minutenanzahl her könnte Demir definitiv schon mehr auf dem Konto haben, doch Trainer Didi Kühbauer steigt bewusst auf die Bremse - was viel Kritik auslöste. Denn Demir wird nicht mehr lange bei Rapid spielen, wenn Barcelona, Bayern München und Co. anklopfen. Trotzdem ist Demir für 17 Jahre schon extrem weit, mit seinen Geniestreichen kann er für jedes Team wertvoll sein, auch wenn natürlich noch Luft nach oben ist.
Aber warum sollte der ÖFB auf diesen Überraschungseffekt verzichten? Auch wenn es die Entscheidungsträger offiziell dementieren, geht es sehr wohl darum, Demir für Österreich zu begeistern - so schnell wie möglich, ehe die Türkei den Vortritt bekommt. Zudem hat er in den Nachwuchsauswahlen mit 19 Toren in U17 und U15 durchaus sein Potenzial unter Beweis gestellt. Für Kurzeinsätze im A-Team reicht es allemal, vielleicht auch schon für mehr - nämlich dann, wenn man ihm vermehrt das Vertrauen schenkt.
DAVID ALABA:
ÖFB-Debüt: 14. Oktober 2009
Alter bei ÖFB-Debüt: 17 Jahre, 3 Monate, 20 Tage
Pflichtspiele in Profibewerben (Bayern, Bayern II, Austria Amateure): 12 Einsätze, 1 Tor, 3 Assists - 0x FC Bayern, 7x Bayern II in 3. dt. Liga (1 Tor, 3 Assists), 5x Austria Amateure in 2. Liga
Einsatzzeit in Profibewerben: 1071 Minuten (621 Minuten Bayern II, 450 Minuten Austria Amateure)
ÖFB-Karriere vor A-Team-Debüt: 3x U21, 24x U17 (4 Tore)
Ähnlich wie bei Demir war auch bei Alaba früh klar, dass der Wiener für Höheres bestimmt ist. Nicht umsonst schaffte er schon mit 16 Jahren nach der Austria-Jugend und ersten Einsätzen für die Austria Amateure den Sprung nach Deutschland, wo er beim FC Bayern München an eine Mega-Karriere herangeführt wurde.
Nun kann diskutiert werden, wer vor seinem Debüt mehr vorzuweisen hatte: Demir mit 31 Einsätzen in einer höchsten Spielklasse und auch im Europacup oder Alaba mit etwas mehr Einsatzzeit jedoch in Österreichs 2. Liga und der 3. deutschen Liga. Welche Karriere man trotz frühem Start hinlegen kann, hat Alaba eindrucksvoll bewiesen - und das ÖFB-Team zehrt noch heute davon. 77 Länderspiele hat Alaba nun seit 2009 in den Beinen, ein stolzer Wert und sicherlich ein anzustrebender Wert für einen Youngster wie Demir.
VALENTINO LAZARO:
ÖFB-Debüt: 30. Mai 2014
Alter bei ÖFB-Debüt: 18 Jahre, 2 Monate, 6 Tage
Pflichtspiele in Profibewerben (RB Salzburg, Liefering): 21 Einsätze, 2 Tore, 1 Assist - 16x RB Salzburg in Bundesliga (2 Tore, 1 Assist), 1x ÖFB-Cup, 1x Europa League (1 Minute), 3x Liefering in 2. Liga
Einsatzzeit in Profibewerben: 872 Minuten (653 Minuten für RB Salzburg, 219 Minuten für Liefering)
ÖFB-Karriere vor A-Team-Debüt: 2x U18, 17x U17, 4x U16
Auch Lazaro war einer jener Youngster, die sofort als zukünftige Stars gesehen wurden. Mit 25 Jahren ist er nun nicht aus dem ÖFB-Team wegzudenken, ein bisschen weniger Verletzungspech wäre ihm zu wünschen gewesen. Doch vor seinem Debüt hatte er gerade einmal 872 Spielminuten auf höchstem Niveau in den Beinen - eindeutig weniger als Demir, noch dazu mit drei Einsätzen für Liefering in der zweithöchsten Liga und weniger Europacup-Erfahrung.
Ähnlich wie der Jung-Rapidler spielte auch Lazaro meist nur als Joker - lediglich einmal für Salzburg in der Bundesliga und einmal für Liefering in der 2. Liga stand er 90 Minuten auf dem Platz, noch dazu steht Demir fünf Monate früher vor seiner ersten ÖFB-Chance. Lazaro hat seither mit Stationen bei Hertha BSC, Inter Mailand, Newcastle und nun Borussia Mönchengladbach jedoch bewiesen, was alles möglich und welch begnadeter Kicker er ist.
MARCEL SABITZER:
ÖFB-Debüt: 5. Juni 2012
Alter bei ÖFB-Debüt: 18 Jahre, 2 Monate, 19 Tage
Pflichtspiele in Profibewerben (Admira): 31 Einsätze, 7 Tore, 3 Assists - 23x Admira in Bundesliga (5 Tore, 3 Assists), 8x in 2. Liga (vor Aufstieg/2 Tore), 3x ÖFB-Cup
Einsatzzeit in Profibewerben: 1536 Minuten für Admira
ÖFB-Karriere vor A-Team-Debüt: 1x U19 (1 Tor), 2x U18, 9x U17 (3 Tore), 7x U16 (1 Tor)
Marcel Sabitzer hat seinen Weg gemacht, ist Kapitän bei RB Leipzig und bei europäischen Top-Klubs im Notizblock vermerkt. Beim Sohn von Ex-ÖFB-Stürmer Herfried Sabitzer kann man einen schönen Vergleich zu Demir ziehen, kam er nämlich vor seinem ÖFB-Debüt ebenfalls auf 31 Profi-Einsätze. Zwar acht davon "nur" in der zweithöchsten Spielklasse, bei seinen 23 in der Bundesliga für die Admira war er hingegen schnell gesetzt und in seiner ersten Saison am Ende Dauerläufer.
Auch seine 7 Tore und 3 Assists ähneln den Stats von Demir auf ähnlich offensiver Position, der Rapidler hat seine 6 Tore und 3 Assists jedoch auf Liga, CL-Quali, Europa League und Cup verteilt. Von der Spielzeit her gesehen hat Sabitzer ungefähr ein Drittel mehr Minuten bekommen, war aber altersmäßig auch fünf Monate später ein Thema für den ÖFB.
Hoch anzurechnen ist Sabitzer, dass er von der Admira den Sprung ins ÖFB-Team schaffte, erst ein halbes Jahr später startete er seinen Höhenflug bei Rapid, Salzburg und nun RBL.
ALEKSANDAR DRAGOVIC:
ÖFB-Debüt: 6. Juni 2009
Alter bei ÖFB-Debüt: 18 Jahre, 3 Monate, 0 Tage
Pflichtspiele in Profibewerben (Austria, Austria Amateure): 30 Einsätze, 2 Tore, 1 Assist - 17x Austria in Bundesliga, 4x ÖFB-Cup, 1x UEFA-Cup-Quali, 8x Austria Amateure in 2. Liga (2 Tore, 1 Assist)
Einsatzzeit in Profibewerben: 2.220 Minuten (1505 für Austria, 715 Minuten für Austria Amateure)
ÖFB-Karriere vor A-Team-Debüt: 6x U19 (2 Tore), 11x U17 (2 Tore), 1x U16
Von den Top 5 der jüngsten ÖFB-Legionäre der letzten 50 Jahre ist Dragovic mittlerweile am längsten im ÖFB-Team dabei, mit mittlerweile 87 Länderspielen in knapp zwölf Jahren zieht er beim Länderspiel-Triple im März mit großer Wahrscheinlichkeit auch am nicht einberufenen Marko Arnautovic (87 Länderspiele) vorbei und ist damit der aktive Spieler mit den meisten ÖFB-Auftritten.
Auch Dragovic startete über die 2. österreichische Liga durch, anders als Demir, der gleich in der Bundesliga Fuß fassen sollte. Von der Einsatzzeit bis zu seinem ÖFB-Debüt weist er mehr als doppelt so viel auf wie der Rapid-Rohdiamant, vor allem weil er, egal ob in der 2. Liga für die Austria Amateure oder nach seiner Beförderung zu den FAK-Profis fast immer die vollen 90 Minuten abgespult hat.
Das spiegelt sich schnell in der Statistik wieder. Alleine in der Bundesliga hat Dragovic 400 Minuten mehr absolviert bis zu seiner ersten ÖFB-Feuertaufe. Der Defensivspieler verblieb danach noch eineinhalb Jahre bei der Austria, ehe ihn der Weg über Basel und Kiew nach Leverkusen, samt kurzer Leihe nach Leicester, führte.
