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Altach nach Rassismus im Cup: "Das war Wahnsinn"

Zellhofer schildert Cup-Eklat. Gurten verteidigt sich. ÖFB ermittelt.

Altach nach Rassismus im Cup:

"Ich bin schon 30 Jahre im Profigeschäft. Aber so etwas habe ich noch nie erlebt."

Georg Zellhofer macht seinem Ärger nach einem hitzigen Cup-Abend bei LAOLA1 Luft. Altach gewann bei Union Gurten mit 4:3 nach Verlängerung, das Ergebnis war für den Sportdirektor der Rheindörfler aber nebensächlich.

Als Bernard Tekpetey in der 103. Minute einen Freistoß direkt zum 4:2 aus Sicht der Gäste verwandelt, läuft er in Richtung Eckfahne. Dann fährt er sich mit der rechten Hand von rechts über den Hals. Ein kollektiver Aufschrei und Rufe aus dem Publikum folgen.

Altach-Kapitän Philipp Netzer läuft daraufhin zu hinter dem Tor stehenden Zuschauern und diskutiert. Schiedsrichter Rene Eisner bespricht sich mit seinem Assistenten Andreas Witschnigg und zückt daraufhin Rot. Tekpetey zeigt sich verwundert.

Wilde Diskussionen folgen, auch zwischen dem 20-Jährigen und der Gurtener Bank. Dann schleicht er vom Platz. Für Zellhofer ist klar, warum es zu dieser Aktion gekommen ist. Und warum Tekpetey sich über seinen Ausschluss so verwundert zeigt.


Die betreffende Szene im Video:


"Sie haben ihn über den Platz gejagt"

"Ich schätze das Publikum dort normalerweise. Aber dass ein Spieler auf so eine Art und Weise beschimpft wird, ist unglaublich. Angefangen von Bimbo, Neger bis hin zu schwarzes Arschloch", ist der 57-Jährige stinksauer.

Dass sich der Regionalliga-Mitte-Klub als Underdog mit allen Mitteln wehren würde, damit hätte man bei Altach gerechnet. Die Gangart war aber - speziell gegen die Schalke-Leihgabe - auch auf dem Platz überhart.

"Es gab schon nach zehn Minuten ein schweres Foul an ihn, das ist normalerweise Rot. Man sieht im Video, dass sie ihn über den Platz gejagt haben. Er hat nicht einmal irgendetwas zurückgesagt. Dann kommt diese Geste", sagt Zellhofer.

Ähnliche Szene in der deutschen Bundesliga

Eine Geste, die aus Altacher Sicht missinterpretiert wurde. "Er hat mir gesagt, in Ghana jubelt man so. Er hat keinen Gurgelschnitt gezeigt. Mit Sicherheit nicht. Es ist eine Kreuzbewegung, damit will er signalisieren: Schluss, entschieden."

Der Fall erinnert an eine Szene aus der Deutschen Bundesliga vor eineinhalb Jahren. Papy Djilobodji von Werder Bremen führte im März 2016 beim Spiel gegen Mainz (1:1) den Zeigefinger von links nach rechts über den Hals nach einem Zweikampf mit Pablo de Blasis.

"Es gibt Gesten, die in unterschiedlichen Kulturen verschiedene Bedeutungen haben. Wir müssen erklären, dass diese Geste in Afrika gebräuchlich ist", erklärte Manager Thomas Eichin damals in der "Bild". Man wolle damit zum Beispiel signalisieren, dass Verhandlungspartner Halsabschneider oder Betrüger seien.

Das Sportgericht des DFB verurteilte Djilobodji zu einer Geldstrafe von 15.000 Euro und einer Sperre von drei Spielen. Werder stimmte dem nicht zu. In einer Einzelrichter-Verhandlung wurde die Sperre anschließend um ein Spiel reduziert. Ähnliches passierte 2009, als Deniz Naki (FC St. Pauli) gegenüber Fans von Hansa Rostock mit der rechten Hand das Abschneiden des Halses andeutete. Er wurde nachträglich drei Spiele gesperrt.

Senat 1 entscheidet über Strafe, auch ÖFB ermittelt

Als mit Rot ausgeschlossener Spieler wird eine mögliche Strafe für Tekpetey vom Senat 1 der Bundesliga behandelt. "Für mich ist das noch nicht entschieden. Das lasse ich nicht so stehen. Ganz sicher nicht. Für mich ist die Geste nicht klar. Wir werden Protest einlegen", kündigt Zellhofer an. Am Donnerstagnachmittag hat der Strafsenat eine Entscheidung getroffen: Tekpetey wird gesperrt (alle Infos!).

Zellhofer meint, dass sich auch das Schiedsrichterteam in seiner Entscheidung nicht sicher war: "Der Linienrichter hat gesagt, er habe es so wahrgenommen. Ich habe ihn gefragt, ob er es gesehen hat. Er hat gesagt, er hat es so wahrgenommen. Aber er kriegt Rot."

Auch der ÖFB wird sich mit der Partie beschäftigen. "Wir sind über die Vorkommnisse informiert und werden sie untersuchen. Grundsätzlich verurteilt der ÖFB natürlich jegliche Form von Rassismus aufs Schärfste", heißt es vom Fußballverband.

Gurten-Obmann: "Das ist kompletter Blödsinn"

Für Zellhofer ist das Verhalten von Schiedsrichter Eisner im Hinblick auf die Beschimpfungen aus dem Zuschauerraum völlig unverständlich. "Ich bin zum Schiedsrichter gegangen und habe ihn gefragt, warum er nicht den Platzsprecher informiert. Damit dieser durchsagen kann, dass, wenn es so weitergeht, das Spiel unter- oder abgebrochen wird. Er hat gesagt, es sei nicht seine Aufgabe. Ich als Sportdirektor hätte das machen sollen. Das ist neu für mich."

Nach der roten Karte gab es schließlich eine Durchsage. "Im Endeffekt ist es dadurch noch schärfer geworden", ärgert sich Zellhofer. Gurten-Coach Rainer Neuhofer habe sich nach dem Spiel für die Atmosphäre entschuldigt.

Nicht alle Gurtener Verantwortlichen fanden die Stimmung übertrieben geladen. "Es ist schade, dass von Rassismus und Affengesängen geschrieben wird. Das ist kompletter Blödsinn. Es war nach drei Minuten wieder vorbei", erklärt Gottfried Weinberger, stellvertretender Obmann, auf Nachfrage von LAOLA1.

Für ihn trägt alleine der Spieler die Schuld an der Aufregung: "Wenn er nicht so provokant zu den Zuschauern läuft und die Kopfabschneide-Geste macht, dann hätte es nichts gegeben. Ich kenne dieses Zeichen nicht, aber so hat es begonnen. Nach der Geste sind wahrscheinlich Worte gefallen, die nicht passen. Dann hat ihn der Schiedsrichter ausgeschlossen. Sonst war es komplett ruhig und friedlich." (UPDATE, 17:30 Uhr: Auf Facebook gibt Union Gurten eine Unterbrechung durch rassistische Äußerungen zu)

Zellhofer: Ordner schimpften vor Altach-Kabine weiter

Nach 120 Minuten war die Aufregung aber noch nicht vorbei, sagt Zellhofer: "Ordner sind nach dem Spiel direkt vor unsere Kabine gekommen und haben auf das Übelste weitergeschimpft. Ich will Ihnen gar nicht sagen, was sich da abgespielt hat. Vor Zeugen. Das war ein Wahnsinn."

Der ausgeschlossene Ghanaer war nach der Partie "total niedergeschlagen", erklärt der Altach-Sportchef. "Ich kenne Bernard wirklich. Der tritt keinen Käfer z'samm. Er ist ein ganz ruhiger, introvertierter Spieler. Er hat sich gefragt, was die Leute haben."

Dem kann sich Zellhofer nur anschließen. "Eines verstehe ich nicht: Gurten hat noch dazu in der Verlängerung einen jungen Nachwuchsspieler aus Burkina Faso eingewechselt. Ein wirklich guter, sehr interessanter Spieler. Das macht das ganze absurd. Das kann es nicht sein."

Angesichts des großen Engagements seitens der Ligen und Verbände gegen Rassismus versteht er die Welt nicht mehr: "Wir sehen im Fernsehen die Werbungen gegen Rassismus, wir stellen uns hundertmal mit Plakaten auf. Wir geben Millionen aus. Dann kriegt er Rot. Da brauche ich nicht mehr mitmachen. Das ist alles sinnlos."

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