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Kommentar: Rapid gegen Sturm als Jahrzehnte-Ereignis?

Warum dieses gehypte Cup-Finale nicht nur eine dringend notwendige Abwechslung und ein Lohn für die bisherige Arbeit, sondern auch ein Auftrag ist.

Kommentar: Rapid gegen Sturm als Jahrzehnte-Ereignis? Foto: © GEPA

Manchmal gibt es verschiedene Betrachtungsweisen.

Als ein Kollege vergangene Woche gefragt hat, ob er das ÖFB-Cup-Finale Rapid gegen Sturm als "Spiel des Jahres" bezeichnen könnte, habe ich gezögert, weil dieser Superlativ erstens ohnehin inflationär verwendet wird und man zweitens ja durchaus hoffen darf, dass im restlichen Fußball-Jahr einige fesche Spiele anstehen, sei es beim Nationalteam, im Europacup oder – wer weiß – noch im Rahmen dieser Meisterschaft.

Gleichzeitig gibt es jedoch eine Ebene, auf der man den Cup-Showdown als "Spiel des Jahrzehnts" betrachten kann und sich nicht der maßlosen Übertreibung schuldig macht.

Mit aktuellem Wissensstand ist es nun mal ein Jahrzehnte-Ereignis, wenn ein Cup-Endspiel ohne den FC Red Bull Salzburg stattfindet – dies war letztmals 2013 beim Duell Pasching gegen Austria Wien der Fall.

Dass dann mit Sturm und Rapid auch noch zwei der am meisten emotionalisierenden Traditionsvereine aufeinandertreffen, ist so gesehen ein Extra-Glücksfall, der den Mega-Hype rund um dieses Match auch vollends rechtfertigt.

Auch für die beiden Kontrahenten kann man von einem Jahrzehnte-Ereignis sprechen.

Bei Rapid muss man es nicht groß erklären – mit der Meisterschaft 2008 ist der letzte Titel so lange her, dass sich selbst die ganz jungen Erwachsenen von heute nicht erinnern, wie sich das eigentlich anfühlt. Wer sich noch an den letzten grün-weißen Cupsieg 1995 erinnern kann, hat womöglich auch schon mal über das Leben nach dem Pensionsantritt nachgedacht.

Bei Sturm Graz ist der Cupsieg 2018, mit dem man auch als bislang einziges Team ein titelreiches Salzburger Jahrzehnt stören konnte, zwar noch nicht so lange her. Aber über zu viele Titel in der langen Vereinshistorie muss sich der dreifache Meister und fünffache Cupsieger auch nicht beklagen.

Der aktuelle Hype erinnert uns daran, dass Fußball-Österreich doch noch zu Emotionen jenseits der höflichen Zurkenntnisnahme der Salzburger Dominanz fähig ist.

Seriensieger erzeugen nun mal eine gewisse Wurschtigkeit. Diese Bemerkung sei erlaubt, ohne die Salzburger Leistung auch nur im geringsten zu schmälern, ganz im Gegenteil: Höchster Respekt dafür, wie gnadenlos Christoph Freund und Co. den finanziellen Vorteil ausspielen und in welche Sphären sich dieser Verein inzwischen vorgearbeitet hat.

Damit dient er nicht nur als Zugpferd der Liga und in gewisser Weise auch als sportliches Vorbild, womit wir beim Auftrag wären, weiter daran zu arbeiten, den Rückstand auf die "Bullen" zu reduzieren.

Das Einhorn unter den Cup-Endspielen?

Ob Rapid gegen Sturm nämlich tatsächlich ein Jahrzehnte-Ereignis war, wird halt erst das nächste Jahrzehnt zeigen.

Bleibt der FC Red Bull Salzburg Serien-Double-Gewinner, wird es tatsächlich das Einhorn unter den Cup-Endspielen gewesen sein.

Der aktuelle Eindruck ist jedoch, dass die jahrelange Jammerei, wie gemein der Salzburger Vorteil nicht sei, ein wenig in den Hintergrund gerückt ist und dafür die Challenge überwiegt, den Rückstand trotz gleichzeitiger Fortschritte in der Mozartstadt zu verringern.

Dies ist derzeit am klarsten bei Sturm und dem Duo Andreas Schicker/Christian Ilzer zu erkennen. Aber Salzburg wirkt in dieser Saison eine Spur weniger dominant, weil nicht nur die Grazer einen Sprung gemacht haben. Der LASK spielt im Windschatten Sturms eine gute Saison und knüpft wieder an die Rolle von vor einigen Jahren an.

Rapid hat es wieder mal in ein Finale geschafft und formiert sich unter frischer Führung gerade neu. Auch das sportliche Projekt bei der Wiener Austria wirkt unter Michael Wimmer nicht unspannend, auch wenn man bezüglich der Ergebnisse noch nicht realisiert hat, dass Fußballspiele 90 Minuten und mehr dauern. Auch Mitglieder des Liga-Mittelbaus wie Austria Klagenfurt oder WSG Tirol zeigen mit guter Arbeit auf.

So gesehen ist es kein Zufall, dass die Bundesliga erstmals seit längerer Zeit mit einem halbwegs spannenden Titelrennen belohnt wird.

Mehr Geld in die Liga holen

Man kann getrost behaupten, dass sich seit 2014, als der Salzburger Triumphmarsch so richtig begonnen hat, in der Bundesliga einiges getan hat.

Die Spielerausbildung wurde weiter forciert, heimische Trainer sind für das internationale Geschäft besser gerüstet, eine neue Generation an Sportchefs denkt moderner, auch infrastrukturell ist einiges weitergegangen von Wien über Linz bis nach Altach.

Diese Arbeit ist allerdings längst nicht am Ende. Gerade wenn man die Bundesliga noch intensiver als internationales Sprungbrett positioniert, lässt sich noch mehr Qualität und mit Weiterverkäufen noch mehr Geld in die Liga holen.

Vielleicht ist es noch nicht überall angekommen, dass es kein Hochverrat ist, wenn ein Spieler bei guter Weiterentwicklung flott wieder weiterzieht, aber nicht nur das Salzburger Geschäftsmodell sagt etwas anderes, sondern auch ein Blick auf die jüngste finanzielle Entwicklung des SK Sturm.

Gerade die Top-Beispiele wie Erling Haaland oder Rasmus Höjlund ermutigen andere Talente, es vielleicht auch einmal in dieser früheren Operettenliga in den Alpen zu probieren.

Gerade die Riege hinter Salzburg ist eingeladen, das steigende Niveau an Ablösen für Bundesliga-Spieler zu nützen und die Liga somit Schritt für Schritt finanzkräftiger zu machen – es soll Vereine, zum Beispiel in Wien-Favoriten, geben, die erhöhte Einnahmen durchaus gebrauchen könnten.

Ein Jahrzehnte-Ereignis verhindern

Keine Frage: Die Transfer-Politik ist nur ein Beispiel. Es ist einer der Bereiche, in denen bereits etwas weitergegangen ist, wo aber gleichzeitig weiter Luft nach oben besteht.

Dies spiegelt den Zustand der Bundesliga nicht so schlecht. Man darf Fortschritte erwähnen, es wäre jedoch der falscheste Moment, sich zurückzulehnen. Eine Abwärtsspirale gilt es mit aller Macht zu verhindern.

Aber vielleicht haben Österreichs Vereine einfach ihren Platz in der internationalen Hackordnung gefunden – fernab der finanziellen Möglichkeiten großer Nationen, aber als einer der versierteren Zulieferer und Weiterbildner.

Nehmen wir Rapid gegen Sturm also als das, was es neben dem Showdown zweier Publikumsmagneten noch ist.

Eine dringend notwendige Abwechslung, ein Lohn für die bisherige Arbeit und der Auftrag zur Weiterentwicklung, um dies öfter zu erleben – allesamt inspiriert und notwendig durch das Wirken von Salzburg.

Aber im Idealfall werden wir 2030 nicht von einem Jahrzehnte-Ereignis sprechen.

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