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ÖFB-Talent Jonas Auer: Warum Tschechien?

Jonas Auer nimmt einen ungewöhnlichen Karriere-Weg und erklärt warum:

ÖFB-Talent Jonas Auer: Warum Tschechien? Foto: © Privat

"Warum Tschechien? Diese Frage bekomme ich immer gestellt", grinst Jonas Auer.

"Auch im Junioren-Nationalteam wurde ich immer gefragt, wie es hier so ist. Es ist sicher ein außergewöhnlicher Weg, denn wie man sieht, ist außer mir momentan kein Österreicher in Tschechien."

Für die breite Öffentlichkeit muss man Auer bestimmt vorstellen: Auer ist 19 Jahre alt, 16-facher Junioren-Teamspieler des ÖFB und wechselte im Sommer 2018 rund einen Monat vor seinem 18. Geburtstag zu Slavia Prag.

Der Traditionsklub verlieh den Teenager zwei Monate später in die 2. Liga zu Viktoria Zizkov. Seit der aktuellen Spielzeit kickt Auer beim Tabellen-Fünften der ersten Liga Mlada Boleslav (Vertrag bis 2022).

Trotzdem: Warum eigentlich Tschechien?

Lieber Tschechien als Deutschland

Am Anfang standen mehrere Probetrainings bei Slavia Prag.

"Das hat sich ergeben, als ich noch in der Akademie in St. Pölten gespielt habe. Mein jetziger Manager Harry Schiestl hat zwei Defensivspieler aus St. Pölten zum Probetraining bei Slavia Prag gebracht und wollte auch einen Offensiven mitnehmen", erzählt Auer.

Auer bestritt bisher 16 Junioren-Länderspiele
Foto: © GEPA

Der Mittelfeldspieler ist mitgefahren und bekam schließlich ein Angebot: "Ob man es annimmt, ist dann sicher ein längerer Prozess des Überlegens. Denn in ein anderes Land zu ziehen, ist nicht so leicht. Aber ich war es aus der Akademie zumindest gewohnt, nicht mehr zu Hause bei den Eltern zu wohnen. Von meinen Eltern habe ich sowieso das Okay bekommen."

Rund vier Stunden Fahrzeit sind es vom elterlichen Wohnort Ruprechtshofen in Niederösterreich in die "Goldene Stadt" nach Prag. Da der Junioren-Teamspieler auch Angebote von deutschen Vereinen vorliegen hatte, hätte die Distanz durchaus größer sein können.

"Als die Anfragen aus Deutschland gekommen sind, war mein Wechsel zu Slavia schon ziemlich sicher. Außerdem ist es in Deutschland noch einmal anders, denn dort bist du dann gleich in der U21 und einer von vielen. Dann ist es noch einmal schwieriger, sich durchzusetzen."

Wie, wann und wo schafft man es als Talent zum Profi?

Womit wir bei den für Talente im Alter von Auer alles entscheidenden Fragen wären: Wie schaffe ich am besten den Übergang vom Nachwuchs-Kicker zum Profi-Spieler? Wo schaffe ich ihn am besten? Schaffe ich ihn überhaupt?

Mit 18 spielte Auer 14 Mal in der zweiten tschechischen Liga. Im Herbst folgten sechs Einsätze in der höchsten tschechischen Spielklasse sowie zwei Kurzeinsätze in der Europa-League-Qualifikation. Nach einer Verletzung ging es zwischenzeitlich für sechs Spiele in die zweite Mannschaft.

"Eines ist klar: Mehr geht immer. Es gibt aber derzeit auch nicht so viele, die mit 18 in der ersten Liga debütiert haben. Stammspieler zu werden, ist dann noch einmal schwerer."

"Eines ist klar: Mehr geht immer", findet der Niederösterreicher", relativiert jedoch: "es gibt aber derzeit auch nicht so viele, die mit 18 in der ersten Liga debütiert haben. Stammspieler zu werden, ist dann noch einmal schwerer."

Schauen wir uns als Stichprobe Österreichs Kader von Auers letztem U20-Länderspiel im Juni 2019 an - eine 3:4-Niederlage gegen die Schweiz, bei der Auer die beiden Treffer von Marko Raguz zur 2:0-Pausenführung der Elf von Teamchef Hermann Stadler vorbereitet hat:

Giuliani (Sturm); Sulzbacher (Rapid), Obermüller (Rapid/Hartberg), Aiwu (Admira), Trummer (Sturm); Demaku (Austria), Wunsch (Rapid); Meister (FC Juniors, ab sofort St. Pölten), Schmid (Wolfsberger AC), Auer (Mlada Boleslav); Raguz (LASK).

Als Joker ins Spiel kamen Tobias Lawal (FC Juniors), Lukas Malicsek (SV Horn), Felix Bacher, Elvin Ibrisimovic (beide FC Wacker Innsbruck), Matthäus Taferner (FC Wacker/Dynampo Dresden), Melih Ibrahimoglu (Rapid) und Dominik Fitz (Austria).

So früh wie möglich Erwachsenen-Fußball

Die meisten dieser Talente sind momentan mit dem Thema konfrontiert, dass sie um jede Einsatzminute in einer höchsten Spielklasse kämpfen müssen, wenn sie überhaupt welche bekommen - oder derzeit auf Zweitliga-Niveau engagiert sind.

Auer mit zwei Assists für Raguz (l.)
Foto: © GEPA

Romano Schmid, Emanuel Aiwu und Dominik Fitz sind fraglos die Ausnahmen und spielen derzeit regelmäßig in der Bundesliga. Raguz hat beim LASK einen starken Herbst hinter sich, ist allerdings als 98er-Jahrgang auch zwei Jahre älter.

"Man sieht, in diesem Alter ist es schwierig, dass du in der ersten Liga im Stamm spielst, weil es sehr viel Konkurrenz gibt", meint Auer, der vor allem die Leistungen von Romano Schmid im Herbst hervorstreicht: "Ihn habe ich natürlich in der Europa League verfolgt."

Während der Zeit bei Zizkov habe er im Nationalteam den Unterschied zum Erwachsenen-Fußball gemerkt: "In der 2. Liga geht alles viel schneller, du hast weniger Zeit, es ist körperbetonter, als wenn du im Nationalteam gegen Gleichaltrige spielst. Dort merkst du den Unterschied, dass es noch nicht so hart wie im Herren-Fußball zugeht. Darum war es wichtig, so früh wie möglich gegen Erwachsene zu spielen und nicht in einer U20 hängenzubleiben."

Tschechien Vor- oder Nachteil?

Stellt sich die Frage: Ist es ein Vorteil, den ungewöhnlichen Weg über Tschechien einzuschlagen, oder könnte es ein Nachteil sein, weil man in der Heimat ein wenig von der Bildfläche verschwindet?

"Es ist bestimmt ein Vorteil, da man raussticht, weil man der einzige Österreicher in Tschechien ist. Es gibt aber sicher auch Leute, die es negativ sehen und gemeint haben, das ist ein Blödsinn."

"Es ist bestimmt ein Vorteil, da man raussticht, weil man der einzige Österreicher in Tschechien ist", glaubt Auer, der jedoch weiß, dass seine Entscheidung mancherorts auch kritisch beäugt wird:

"Sicher gibt es Leute, die es negativ sehen und gemeint haben, das ist ein Blödsinn. Damals war Slavia auch noch nicht in der Gruppenphase der Champions League und vielleicht noch nicht so bekannt."

Dass Slavia 2018/19 mit dem Einzug ins Europa-League-Viertelfinale (Aus gegen Chelsea) für Furore sorgte und in dieser Saison in der Champions League die Hammer-Gruppe mit FC Barcelona, Borussia Dortmund und Inter Mailand ergänzte, ist wiederum kein Vorteil, wenn man erst den Durchbruch schaffen muss.

Bei Slavia habe er schon in der Vorbereitung gemerkt, dass immer mehr neue Spieler dazugekommen sind: "Da wurde die Konkurrenz dann extrem groß, und wie man sieht, haben sie es auch in die Champions League geschafft. Da wäre es dann noch schwieriger gewesen. Deswegen auch der fixe Wechsel zu Mlada Boleslav."

Mehr Spielzeit im Frühjahr

In diesem Alter ist die Aussicht auf Spielpraxis schließlich alles. Doch auch hier stellt sich die Frage: Warum weiter Tschechien und nicht etwa eine Rückkehr in die Heimat?

"In Tschechien hat gerade alles gepasst. Prag ist megaschön, ich habe mich hier eingelebt. Außerdem ist der tschechische Fußball ein bisschen anders, eher körperbetont, man muss viel laufen und kämpfen. Es wäre nicht gescheit gewesen, wenn ich gleich wieder weggehe."

Also kickt Auer nun rund 60 Kilometer nordöstlich von Prag, lebt aber weiter in der Hauptstadt. "Bei Slavia hatte ich noch Tschechisch-Unterricht, jetzt nicht mehr. Aber ich versuche zu Hause Tschechisch zu lernen - und wenn ich mit den Mannschafts-Kollegen beisammen bin, lerne ich genügend Tschechisch dazu, wenn man viel mit ihnen redet. Die Hälfte der Mannschaft spricht auch Englisch, die andere Hälfte kaum", erzählt der 19-Jährige.

Durch Niederlagen in den letzten beiden Herbst-Runden gegen Sparta Prag und FK Jablonec habe man den dritten Tabellen-Platz aus der Hand gegeben und "nur" auf Rang fünf überwintert - dies soll im Frühjahr korrigiert werden, und das am besten mit reger Beteiligung des ÖFB-Legionärs:

"Wir haben eine sehr erfahrene Mannschaft mit zwei, drei Jungen, einer davon bin ich. Im Winter haben uns zwei gute Spieler verlassen. Ich hoffe, dass ich im Frühjahr mehr Spielzeit in der ersten Mannschaft bekomme."

Erinnerungen an Haaland

Wie sein Karriereplan ausschaut? "So richtig planen kann man nicht. Mein Ziel ist jetzt einmal, dass ich in Tschechien Stammspieler werde und dann Angebote von besseren Mannschaften bekomme. Weiter nach vorne schauen möchte ich eigentlich noch nicht."

Auer im U20-Duell mit Erling Haaland (Nummer 19)
Foto: © Privat

Und bestimmt schön wäre es für Auer, wenn er bald wieder für den ÖFB auflaufen könnte. Ein Stammplatz in Tschechien würde die Chancen auf eine Einberufung ins U21-Nationalteam zumindest erhöhen.

"Wenn du in einem anderen Land spielst, weißt du nicht genau, ob sie auf dich schauen. Es ist zumindest schwieriger, dass du beobachtet wirst. Aber wenn ich im Verein mehr Einsätze kriege, hoffe ich, dass man es im ÖFB sieht", meint Auer, der sich auch gerne an ein Kräftemessen mit Erling Haaland im März 2019 erinnert.

Damals unterlag die ÖFB-U20 Norwegen mit 0:1. Wer das Goldtor erzielte, muss man wohl nicht lange raten.

"Haaland hat seinen Körper gut eingesetzt und flach ins Eck geschossen. Man hat damals schon gemerkt, dass er vom Körperlichen her extrem stark ist und einen guten Schuss hat. Aber so genau haben wir ehrlich gesagt noch gar nicht auf ihn geschaut. Wir wussten zwar, dass er schon in Salzburg ist. Aber so wie jetzt hat man ihn damals noch nicht gekannt."

In diesem Alter kann es bekanntlich recht schnell gehen.

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