news

Jupiler Pro League - Die komplizierteste Liga der Welt

Die belgische Jupiler Pro League garantiert Spannung bis zum letzten Spieltag, ist aber umstritten. Der Modus ist verwirrend und abschreckend.

Jupiler Pro League - Die komplizierteste Liga der Welt Foto: © getty

30 Spiele, nur vier Niederlagen und eine Ausbeute von 68 Punkten: In vielen Ligen Europas wären ÖFB-Legionär Nikolas Sattlberger und der KRC Genk in dieser Saison wohl souverän zum fünften Meistertitel in der Vereinsgeschichte marschiert. Nicht so aber in der Jupiler Pro League, der höchsten Spielklasse Belgiens.

Drei Runden vor Schluss ist das Team aus Flandern nämlich nur Tabellendritter, der Titel befindet sich in weiter Ferne. Der Rückstand auf Union St. Gilloise, das mit 47 Zählern an der Spitze thront, beträgt sechs Punkte. Auch Titelverteidiger Club Brügge hat sich inzwischen an Sattlberger & Co. vorbeigeschoben. Der Saisonendspurt verspricht Nervenkitzel pur: Rechnerisch dürfen sich noch alle drei Teams Hoffnungen auf den Titel machen.

Die Tabellen der Jupiler Pro League >>>

Trotz dieser spannenden Ausgangslage ist der Modus der Jupiler Pro League bei Fans, Spielern und Vereinsverantwortlichen aber umstritten. Sie werfen ihm Ungerechtigkeit, Wettbewerbsverzerrung und Unübersichtlichkeit vor. LAOLA1 stellt die wohl komplizierteste erste Liga der Welt genauer vor.

Die Reaktion auf eine zu schwache Liga

2009 befanden sich die belgischen Topklubs im europäischen Niemandsland. Die großen Erfolge von RSC Anderlecht, FC Brügge oder Royal Antwerpen lagen weit zurück, und die belgische Liga rangierte in der UEFA-Fünfjahreswertung nur auf Platz 14 – hinter Ländern wie Rumänien, Griechenland oder Schottland.

Die Ursache für dieses schwache Abschneiden war schnell ausgemacht: Das Niveau der Liga war zu schwach und die Topklubs litten darunter, ständig gegen deutlich schwächere Teams zu spielen. Dazu fehlte an vielen Stellen das Geld, weswegen sich die belgische Jupiler Pro League zu einem radikalen Systemwechsel entschloss. 

Statt die Meisterfrage weiterhin nach einem klassischen Ligamodus mit Hin- und Rückrunde zu klären, führte Belgien zur Saison 2009/10 ein mehrstufiges Playoff-System ein. Das Ziel: Mehr Spannung, bessere TV-Quoten und höhere Einnahmen. Was als Innovationsschub gedacht war, entwickelte sich rasch zu einer Dauerbaustelle. Im Laufe der Jahre wurde das Format mehrfach angepasst, heute wirkt es wie eine überladene Spielanleitung - verwirrend und abschreckend.

Die Hauptrunde: So weit, so gut...

Thorsten Fink gewann mit KRC Genk den Grunddurchgang, der Meistertitel ist jedoch in weite Ferne gerückt
Foto: © KRC Genk

Die Jupiler Pro League besteht seit der Saison 2023/24 aus 16 Mannschaften (zuvor 18 Teams). In der regulären Saison, der Hauptrunde, tritt jedes Team zweimal gegen die anderen Teams an – einmal zu Hause, einmal auswärts.

Dass das belgische Oberhaus etwas speziell ist, stellt sich spätestens mit dem Rückrundenstart heraus. Im Gegensatz zu anderen Ligen, wie beispielsweise der ADMIRAL Bundesliga, sind die Spielpläne für die Hin- und Rückrunde nämlich nicht identisch (mit gedrehtem Heimrecht). Vielmehr wird für die Rückrunde ein völlig neuer Spielplan erstellt.

Insgesamt kommt jede Mannschaft in der Hauptrunde auf 30 Spieltage. Die Abschlusstabelle dient anschließend als Grundlage für die Qualifikation zu drei verschiedenen Platzierungsrunden.

Teams werden in drei Gruppen aufgeteilt

Nach den 30 Spieltagen teilt sich die Liga nämlich auf: Die sechs besten Teams spielen in der Championship-Gruppe fortan um den Meistertitel, Platz sieben bis zwölf treten im Conference-League-Playoff um das letzte Ticket für Europa an und die vier schwächsten Teams des Grunddurchgangs spielen im Playdown gegen den Abstieg. Haben zwei Teams die gleiche Punkteanzahl, zählt zuerst die Anzahl der Siege und erst dann das Torverhältnis.

Die Punkte aus der Hauptrunde werden anschließend in beide Playoffs zur Hälfte übernommen und, wenn nötig, dabei auf-, anstatt wie in Österreich abgerundet. Hat also ein Team in der regulären Saison 51 Punkte gesammelt, startet es in den Playoffs mit 26. Nicht so im Playdown: In die Abstiegsrelegation wird die volle Punktzahl aus der Hauptrunde übernommen.

Die Aufrundung wirkt im ersten Moment zwar wie ein unfairer Vorteil, hat vielen Teams in der Vergangenheit aber schon einige Tabellenplätze gekostet.  Teams mit aufgerundeten Punkten erhalten nämlich einen Malus – bei Gleichstand werden sie schlechter gereiht.

Das Playdown: Bitterer Abstiegskampf

Cercle Brügge zog in dieser Saison in das Achtelfinale der UEFA Conference League ein. Zeitgleich spielte man in der Abstiegsgruppe um den Klassenerhalt im belgischen Oberhaus.
Foto: © getty

In der Abstiegsgruppe kämpfen die vier Teams auf den Plätzen 13 bis 16 um den Klassenerhalt. Sie spielen noch zwei Mal gegeneinander und behalten dabei die Punkte aus der Hauptrunde. Bei Gleichstand entscheidet die Platzierung in der regulären Saison, Tordifferenz und Siege sind irrelevant. Der Tabellenerste hält die Klasse als einziges Team sicher.

Die beiden Teams, die die zwei letzten Plätze in dieser Abstiegsgruppe belegen, steigen am Ende fix in die zweitklassige Challenger Pro League ab. Platz zwei muss in einer zusätzlichen Relegationsrunde noch gegen den Sieger der Aufstiegsplayoffs aus der Challenger Pro League antreten. Dort steigen nämlich nur der Meister und der Vizechampion auf.

Die Plätze drei bis sechs spielen untereinander den Klub aus, der gegen den Erstliga-Abstiegskandidaten in zwei Spielen antreten darf. Der Erstligist genießt im Rückspiel dabei stets das Heimrecht – als kleinen Bonus für den höheren Ligastatus.

Das Conference-League-Playoff: Der europäische Traum

Die Teams auf den Plätzen sieben bis zwölf kämpfen in einer speziellen Playoff-Runde um einen Platz in der UEFA Conference League

Wie eng Sieg und Niederlage hier beieinander sind, zeigt folgendes Beispiel: Denn während sich der FCV Dender, nach der Hauptrunde in dieser Saison punktegleich mit Cercle Brugge, aufgrund der höheren Anzahl an Siegen noch Hoffnungen auf Europa machen durfte, musste der Hauptstadtklub und UECL-Teilnehmer ins Playdown.

Im Conference-League-Playoff ist nur der erste Platz entscheidend. Der Sieger dieser Gruppe spielt nämlich gegen den Vierten der Meistergruppe in einem Finalspiel um die Teilnahme an der Qualifikation zur Conference League. Sollte jedoch der belgische Pokalsieger schon einen Platz in den europäischen Wettbewerben sicher haben, verschieben sich die Qualifikationsplätze. 

Um den Finalteilnehmer zu ermitteln, treten alle Klubs im Conference-League-Playoff noch zwei Mal gegeneinander an (Hin- und Rückspiel). Das ergibt zehn Spieltage pro Team. Wenn ein Team eine ungerade Punktzahl hat, wird aufgerundet, am Ende wird das Team mit Malus aber nachgereiht. Bei Punktegleichheit entscheidet der Tabellenplatz in der regulären Saison.

Meistergruppe: Der Titelkampf

Stopp! Für Nikolas Sattlberger und den KRC Genk wird es heuer wohl nichts mit dem Meistertitel
Foto: © KRC Genk

In der Meistergruppe spielen die sechs besten Teams der Hauptrunde im Jeder-gegen-jeden-Modus um den Titel. Dabei stehen zehn Spieltage pro Team auf dem Plan, also Hin- und Rückspiele gegen alle fünf Konkurrenten. Dabei werden die Punkte aus der Hauptrunde halbiert, und ungerade Zahlen aufgerundet.

Die Endplatzierung wird durch die gesammelten Punkte aus den Playoffs bestimmt. Bei Gleichstand zählen zuerst die Gesamtpunkte aus den Playoffs ohne die aufgerundeten Startpunkte, und dann die Platzierung in der regulären Saison. Das Torverhältnis spielt also keine Rolle.

In der aktuellen Saison zieht der Meister direkt in die Ligaphase der Champions League ein, der Vizechampion steigt in der Qualifikation ein. Danach ist das Gefälle aber groß: Da der Europa-League-Qualifikationsplatz an den Pokalsieger geht, bleibt dem Tabellendritten nur die Conference-League-Qualifikation. Dort startet man in der zweiten Runde.

Während Platz fünf und sechs leer ausgehen, tritt der Tabellenvierte der Championship-Gruppe gegen den Ersten des Conference-League-Playoffs in einem Finale um ein weiteres Conference-League-Quali-Ticket an. Spielt der Pokalsieger aber ohnehin in der Champions League, belegt in der Tabelle am Ende also einen der vorderen beiden Plätze, verschieben sich die Plätze in der Tabelle: Der Drittplatzierte erhält dadurch den Europa-League-Platz, der Vierte einen für die Conference-League-Qualifikation und der Fünfte darf ins Playoff-Finale.

Durch diesen Modus ist Spannung in der finalen Phase der Saison garantiert, der Meister kann auch erst am 40. Spieltag gekrönt werden – wie es beispielsweise in der Saison 2022/23 der Fall war, als Toby Alderweireld Royal Antwerpen in der 94. Spielminute des letzten Spieltags zum Titel schoss.

Ungerechtigkeit und Wettbewerbsverzerrung

Insbesondere diese Saison zeigt aber auch, wie unfair dieses System für viele Teams ist. In der aktuellen Spielzeit beendete Genk die Hauptrunde nämlich mit einer Ausbeute von 68 Punkten als Erster - Verfolger FC Brügge hatte nur 59 Zähler und damit bereits einen großen Rückstand. Union Saint-Gilloise hielt als Dritter bei lediglich 55 Punkten, Anderlecht hatte als Vierter schon 17 Punkte Rückstand auf den Erstplatzierten.

Nach sieben Spieltagen in der Championship-Gruppe gestaltet sich die Tabelle aber folgendermaßen: Union Saint-Gilloise führt mit 47 Punkten knapp vor dem FC Brügge (46 Punkte) und dem KRC Genk (41 Punkte). Bei drei ausbleibenden Spielen hat der ehemals souveräne Tabellenerste die Meisterschaft also nicht mehr in der eigenen Hand, muss sogar noch um die Königsklasse fürchten. Die Dominanz aus der Hauptrunde wird durch das Playoff-System also nahezu neutralisiert.

Belgiens Meister seit der Reform:

Saison Sieger der Hauptrunde Meister
2009/10 RSC Anderlecht RSC Anderlecht
2010/11 RSC Anderlecht KRC Genk
2011/12 RSC Anderlecht RSC Anderlecht
2012/13 RSC Anderlecht RSC Anderlecht
2013/14 Standard Lüttich RSC Anderlecht
2014/15 FC Brügge KAA Gent
2015/16 FC Brügge FC Brügge
2016/17 RSC Anderlecht RSC Anderlecht
2017/18 FC Brügge FC Brügge
2018/19 KRC Genk KRC Genk
2019/20 FC Brügge FC Brügge (Saison nach der Hauptrunde aufgrund der COVID-19-Pandemie abgebrochen)
2020/21 FC Brügge FC Brügge
2021/22 Royale Union Saint-Gilloise FC Brügge
2022/23 KRC Genk Royal Antwerpen
2023/24 Royale Union Saint-Gilloise FC Brügge

Auch die Vergangenheit spiegelt dies wider: Union Saint-Gilloise wurde in den vergangenen drei Jahren zwei Mal Sieger der Hauptrunde, holte aber nie den Titel. Stattdessen krönten sich der FC Brügge (2021/22, 2023/24) sowie Royal Antwerpen (2022/23) zum Meister. Im vergangenen Jahr hatte Saint-Gilloise in der Hauptrunde sogar 19 Zähler Vorsprung auf Brügge, das nur als Tabellenvierter ins Playoff ging.

Zuletzt konnte der FC Brügge in der Saison 2020/21 als Sieger der Hauptrunde auch tatsächlich den Meistertitel gewinnen – damals aber noch in einem anderen System, in dem in der Meisterschaftsrunde nur vier Teams an den Start gingen. Am Ende musste Brügge auch zittern, hatte gleich viele Punkte wie der zweitplatzierte KRC Genk.

Die Reform der Reform

Wem all diese Rechenspiele, Ausnahmen und Eigenheiten zu viel sind, darf erleichtert aufatmen: Ab der Saison 2026/27 ist dieses Ligensystem nämlich Geschichte. Dann kehrt die Jupiler Pro League wieder zu einem regulären Ligenformat zurück, bestehend aus 18 Vereinen, die in Hin- und Rückspielen gegeneinander antreten, um den Meister zu küren.

Die letzten beiden Teams steigen ab, der 16. tritt in einem Relegationsspiel gegen den Drittplatzierten der Challenger Pro League um den Verbleib in der höchsten Spielklasse an. Diese Reform hat im vergangenen Februar eine knappe Mehrheit der belgischen Profivereine beschlossen und damit monatelange Diskussionen – zumindest vorerst – beendet. Die Saison 2025/26 fungiert noch als Übergangsjahr mit nur einem Absteiger.

"Wir verabschieden uns von einer Formel, die uns in den letzten 15 Jahren sicherlich gute Dienste geleistet hat", sagte Lorin Parys, Vorstandsvorsitzender der Pro League, zu der Reform. "Angesichts der Vielzahl an Wettbewerben dieser Tage war es jedoch schwierig geworden, dafür zu sorgen, dass dies von einer überwältigenden Mehrheit der Mitgliederversammlung unterstützt wird", ergänzte er.


Diese ÖFB-Kicker wären ab Sommer 2025 ablösefrei

Kommentare