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Juve-Beben: Was ist passiert und wie geht es jetzt weiter?

Bei Juventus Turin gehen nach dem Vorstands-Rücktritt die Wogen hoch. LAOLA1 erklärt die Hintergründe und was als nächstes passiert.

Juve-Beben: Was ist passiert und wie geht es jetzt weiter? Foto: © getty

Die Nachricht vom Rücktritt des Juve-Präsidiums um Andrea Agnelli und Pavel Nedved schlug in Italien am Montag ein wie eine Bombe.

Der Spross der Unternehmer-Familie throhnte elf Jahre an der Spitze des Topvereins aus der Serie A.

LAOLA1 beantwortet die sieben wichtigsten Fragen zum großen Juve-Beben:

Was ist passiert?

Die Vorstandsmitglieder von Juventus Turin sind in einer Dringlichkeitssitzung am Montagabend zurückgetreten, darunter Präsident Andrea Agnelli und sein Vize Pavel Nedved.

Alle 15 Personen des Gremiums stellten ihre Ämter zur Verfügung. Zunächst hieß es, dass der frühere Formel-1-Teamchef Ferraris, Maurizio Arrivabene, die Geschäfte weiterführen soll. Doch auch daraus wurde nichts. Ein neuer CEO wurde durch Juve-Eigentümer Exor bereits vorgestellt (siehe unten). Neun der zurückgetretenen Personen verbleiben aber noch bis zur Hauptversammlung im Jänner im Amt, darunter auch Arrivabene.

Nach den turbulenten Vorgängen sind die Aktien des 36-fachen italienischen Meisters abgestürzt und wurden, wie "Football Italia" vermeldet, daraufhin sogar "wegen übermäßiger Volatilität" vom Markt genommen.  

Wie kam es dazu?

Bereits vor über einer Woche wurde bekannt, dass die "CONSOB" (italienische Börsen-Aufsichtsbehörde) eine Klarstellung des Klubs hinsichtlich der Finanzen verlangt. Daraufhin wurde die für 23. November geplante Aktionärsversammlung auf den 27. Dezember verschoben.

Offenbar muss Juve die Bilanzen für die letzten drei Spielzeiten neu erstellen. Der ohnehin schon klamme Klub müsste dadurch wohl die nächste finanzielle Ohrfeige hinnehmen. Denn die Ausgaben sollen höher als angegeben gewesen sein, während die Einnahmen niedriger gewesen sein sollen.

Bereits vor Bekanntwerden der Affäre hatte Juventus Zahlen veröffentlicht, die einen Verlust von 254 Millionen Euro für die Saison 2021/22 offenbaren. Der höchste Verlust, der in Italiens Fußballelite je verbucht wurde. Insgesamt beläuft sich er Verlust laut dieser offiziellen Zahlen auf mehr als 500 Millionen in den letzten drei Jahren. Tatsächlich soll die Summe aber noch höher sein.

Was sind die Hintergründe?

Hintergrund sind die Ermittlungen gegen den Klub wegen angeblicher Bilanzfälschung. Die "Bianconeri" sollen ihre Zahlen geschönt haben, um höhere Kapitalgewinne zu erzielen. Auch bei Spielertransfers soll es Unregelmäßigkeiten gegeben haben.

Außerdem untersucht die Staatsanwaltschaft jene vier Monatsgehälter, auf welche die Spieler im Corona-Jahr 2020 verzichtet haben. Sie sollen nämlich weiterhin Geld erhalten haben, es soll private Vereinbarung gegeben haben, um Geld am Fiskus vorbeizuschleusen, wie italienische Medien übereinstimmend berichten.

Den Turinern wird von der Staatsanwaltschaft "falsche Unternehmenskommunikation, Behinderung der Ausübung der Aufsichtsorgane, Aktienmanipulation und falsche Rechnungsstellung für nicht existierende Transaktionen" vorgeworfen, so die "Gazetta dello Sport".

Weshalb erfolgte der Rücktritt?

Hier bietet sich viel Raum für Spekulation, es gilt aber als wahrscheinlich, dass sich die Vorstandsmitglieder selbst schützen wollen. Bei einer Revision der Finanzen könnte ihnen eine Anklage drohen, da die Bilanz-Zahlen offenbar geschönt wurden.

Wie die "Gazzetta" berichtet, soll der Rücktritt "aus Angst vor den Folgen des Gesetzes 231 erfolgt sein, "das den Grundsatz der verwaltungsrechtlichen Haftung für bestimmte Arten von Straftaten von Unternehmensleitern und -mitarbeitern vorsieht: Neben Strafen kann die strafrechtliche Haftung auch zur Unterbindung der Geschäftstätigkeit führen."

Wie gehts es nun weiter?

Am 18. Jänner soll bei der Hauptversammlung ein neuer Vorstand gewählt werden.

Der italienische Wirtschaftsprüfer, Gianluca Ferrero, ist am Dienstag zum neuen Klubchef von Juventus Turin anstelle des am Samstag zurückgetretenen Andrea Agnelli ernannt worden. Dies berichtete am Dienstag Exor, die Holdinggesellschaft der Familie Agnelli, die Juventus kontrolliert.

"Ferrero verfügt über eine solide Erfahrung und die notwendigen technischen Fähigkeiten sowie eine echte Leidenschaft für den Verein Juventus, die ihn zur am besten geeigneten Person für diese Position macht", hieß es in einer Presseaussendung Exors. Die Holding wird die vollständige Liste der Kandidaten für die Neubesetzung des Verwaltungsrats bis Mitte Dezember bekannt geben.

Maurizio Scanavino wurde in der Sitzung am Montagabend zum neuen Generaldirektor ernannt.  Er wurde vom Verwaltungsrat Juves mit der "Stärkung" des Vereinsmanagements beauftragt, hieß es in einer Presseaussendung. Scanavino ist Geschäftsführer der Verlagsgruppe GEDI, die mehrheitlich Exor gehört, und wird diese Funktion beibehalten, hieß es. 

Die Anklageschriften gegen die insgesamt 15 Beschuldigten, darunter Agnelli, Nedved und Arrivabene, werden noch vor Weihnachten erwartet, der Prozess soll dann im Frühjahr beginnen.

Welche Strafen drohen?

Abgesehen von den strafrechtlichen Konsequenzen, die sowohl für die Angeklagten, als auch für den Klub selbst noch völlig offen sind, drohen den "Bianconeri" saftige sportliche Strafen. Voraussetzung dafür ist aber, dass der eigentlich im April 2022 abgeschlossene Fall um überhöhte Ablösesummen, neu aufgerollt wird.

Dieser hatte entscheidende Auswirkungen auf die nun im Fokus der Ermittlungen stehenden Bilanzen des Klubs. Dies wird im Moment geprüft.

Die spanische Fußball-Profi-Liga (LaLiga) habe "bereits im April 2022 eine offizielle Beschwerde gegen Juventus bei der UEFA eingereicht, als die italienische Guardia di Finanza Verstöße gegen die Regeln des finanziellen Fairplays untersucht" habe, teilte LaLiga am Dienstag in Madrid mit und fordert nun sofortige Sanktionen gegen den italienischen Rekordmeister

Kommt es zu einem Verfahren, muss man im aus Juve-Sicht günstigsten Fall eine Geldstrafe hinnehmen, deren Höhe von der tatsächlichen Abweichung von den veröffentlichten Zahlen abhängig ist. Darüber hinaus drohen Punktabzüge.

Im schlechtesten Fall könnten die Turiner mit einem erneuten Zwangsabstieg wie bereits 2006 bestraft werden. Im italienischen Sportgesetzbuch heißt es, dass Juve dafür der Tatbestand der "Fälschung von Buchhaltungs- oder Verwaltungsunterlagen oder eine andere illegale oder schwer fassbare Tätigkeit" nachgewiesen werden und dies ausschlaggebend für die Zulassung zur Meisterschaft gewesen sein müsste.

Des Weiteren droht eine Geldstrafe "in Höhe des Ein- bis Dreifachen des unrechtmäßig vereinbarten oder gezahlten Betrags" (Artikel 31. Abs. 3 Sportgesetzbuch) für die eigenwilligen Vertragsvereinbarungen in den Corona-Jahren.

Den betroffenen Spielern droht eine Sperre von "nicht weniger als einem Monat", wie es im Regulativ heißt. Der Klub könnte auch dafür neben einer Geldbuße mit Punkteabzügen bestraft werden.

Wer übernimmt künftig das Zepter?

Noch liegt vieles im Dunkeln, Namen sind aber bereits einige im Umlauf. Zunächst wird Gianluca Ferrero im Amt verbleiben, für wie lange ist unklar. Auch Maurizio Scanavino wird seine Funktion als Generaldirektor beibehalten, hieß es. Doch auch hier ist unklar, für wie lange.

"Tuttosport" bringt mit Evelina Christillin auch eine Frau für künftige Aufgaben ins Spiel. Die 66-Jährige war früherer im alpinen Skiweltcup aktiv und seit 2016 im FIFA Council. Zwischen 2001 und 2005 war sie auch Teil des Nationalen Olympischen Komitees Italiens.

Von Medien, Fans und auch von sich selbst aus, werfen sich zudem zwei Juve-Legenden in den Diskurs. Andrea Pirlo soll laut der "Gazzetta" nicht abgeneigt sein und auch Alessandro Del Piero ist für eine Aufgabe bei seinem Herzensverein offen. Noch habe ihn "niemand angerufen", doch er habe "noch immer ein Zuhause in Turin", so der frühere Juve-Angreifer.

 

VIDEO - alle Juve-Spieler bei der WM in Katar:

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