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"Kein Weltwunder, mit Basel Meister zu werden"

Zeugnis nach Debüt-Saison in Leverkusen fällt aber negativ aus.

Aleksandar Dragovic kann ÖFB-Teamchef Marcel Koller mit seinem Weckruf für seine Spieler kaum gemeint haben.

Der Leverkusen-Legionär überbrückte die spielfreie Zeit nach dem Saisonende der deutschen Bundesliga einige Tage lang als Trainingsgast bei den Austria Amateuren, um im Rhythmus zu bleiben.

Für den Innenverteidiger geht es am 11. Juni in Irland schließlich nicht nur um drei Punkte, sondern auch darum, diese unbefriedigende Saison doch noch mit einem guten Gefühl zu beenden.

Negatives Zeugnis

Medial fällt das Zeugnis für Dragovic nach seiner ersten Spielzeit in Diensten von Leverkusen nämlich fast durchwegs negativ aus - als zu groß wird die Diskrepanz zwischen Erwartungshaltung an den 18-Millionen-Euro-Neuzugang und der tatsächlich gezeigten Leistung eingeschätzt.

Wobei dies in einer enttäuschenden Bundesliga-Saison für die überwältigende Mehrheit im Leverkusener Kader gilt. Also mitgehangen, mitgefangen?

"Ich will nicht sagen, dass meine persönliche Leistung gut war. Jeder hat Fehler gemacht, es war eine schlechte Saison von Leverkusen, aber ich finde nicht, dass ich so schlecht gespielt hätte, wie es in den Medien dargestellt wurde - bis auf Atletico Madrid, das war sicherlich mein schlechtestes Spiel, da gibt es nichts schönzureden", findet Dragovic im Gespräch mit LAOLA1.

In seiner bisherigen Karriere ging es für den 26-Jährigen meist steil bergauf. Fünf Meistertitel - drei mit dem FC Basel, zwei mit Dynamo Kiew - zieren bereits seinen Lebenslauf, dazu kommen vier Cupsiege - zwei mit Kiew, je einer mit Basel und der Austria.

Basel wie Bayern

In der Gerüchteküche wurde er Transferzeit für Transferzeit mit internationalen Topvereinen bishin zum FC Barcelona in Verbindung gebracht. Der Sprung in eine Topliga gelang schließlich Ende August 2016 mit Leverkusen, wenngleich es in der Folge nicht nach Wunsch lief.

"Ich habe in dieser Saison jedenfalls sehr viel gelernt. Man lernt ja aus Niederlagen meistens mehr als aus Siegen", meint Dragovic und kann damit umgehen, dass er in dieser Saison nicht um "Edelmetall" mitgespielt hat:

"Natürlich habe ich schon viele Pokale gewonnen, aber da lasse ich die Kirche im Dorf, denn es ist kein Weltwunder, mit Basel Meister zu werden. Das muss man auch einmal sagen. Das ist das Gleiche, wie wenn Bayern München Meister wird. Sie verdienen sich das natürlich, aber mit Leverkusen ist es schon um einiges schwieriger, Meister der deutschen Bundesliga zu werden."


Dass die Zielsetzung beim Wechsel jedoch eine andere war, als bis zum vorletzten Spieltag gegen den Abstieg zu spielen, liegt logischerweise auf der Hand. Das Vorhaben von Bayer 04 war es, Borussia Dortmund anzugreifen und Rang zwei ins Visier zu nehmen.

"Die Taktik von Roger Schmidt lernt sich auch nicht von heute auf morgen"

Dragovic' persönliche Negativspirale setzte im Prinzip schon mit seiner Knöchelverletzung vor der EURO ein. In Frankreich folgten mit dem Ausschluss gegen Ungarn und dem verschossenen Elfmeter gegen Island weitere Nackenschläge. Danach gönnte ihm Dynamo Kiew keinen Urlaub, um das Erlebte zu verarbeiten, und zögerte auch den Deutschland-Transfer mit wochenlangen Verhandlungen hinaus.

"Es sind viele Dinge passiert. Ich bin erst in der letzten Woche der Transferzeit gewechselt, habe die komplette Vorbereitung versäumt, die Taktik von Roger Schmidt lernt sich auch nicht von heute auf morgen. Dann haben wir von Anfang an Punkte liegen gelassen, weshalb es für Schmidt schwieriger wurde, mich einzubauen. Gegen Ende der Hinrunde habe ich eigentlich sehr viel und auch sehr solide gespielt. Im Winter hatte ich eine sehr gute Vorbereitung, im ersten Frühjahrs-Spiel gegen Hertha BSC habe ich mich aber schon nach ein paar Minuten verletzt. Nach meinem Comeback kam gleich mein schlechtes Spiel gegen Atletico", lässt Dragovic seine holprigen ersten Monate in Leverkusen Revue passieren.

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Auch die Trennung von Schmidt und das Engagement von Tayfun Korkut brachten nicht die persönliche Wende: "Der neue Trainer hat sich dann für andere entscheiden, das muss man akzeptieren. Jetzt im Sommer versuche ich neu anzugreifen."

Die Rückendeckung, die er von den Bayer-Verantwortlichen rund um Rudi Völler erfährt, ist wichtig für den Wiener: "Ich weiß, was ich kann. Natürlich ist es schön, wenn sie hinter mir stehen. Sie wissen ja auch alles, was letztes Jahr im Sommer passiert ist, wie schwierig es war, aus Kiew wegzukommen und dass es keinesfalls einfach für mich war, Fuß zu fassen. Man darf auch nicht vergessen, dass die Bundesliga schon noch einmal eine andere Herausforderung ist, ohne die Ukraine oder die Schweiz schlecht zu reden. Dort reichen vielleicht auch einmal ein paar Prozent weniger. In Deutschland wird jeder Fehler bestraft."

Mediales Glück

Ob Medien, Stadien oder Fans - in der Bundesliga ist alles eine Nummer größer. "Wobei wir bei Bayer Leverkusen medial ja noch Glück haben. Ich will gar nicht wissen, wie es bei Bayern München ist", grinst Dragovic, "und wenn ich denke, welche Saison wir gespielt haben, kann ich vor unseren Fans nur Respekt haben. Bei so manchem Verein hätten sie unsere Autos kaputtgemacht, bei uns sind sie hinter uns gestanden. Vor dem letzten Heimspiel gegen Köln, als es noch um den Klassenerhalt ging, waren die Straßen voller Fans. So etwas habe ich noch nie erlebt."

Ein wichtiger Schlüssel, um die Anhänger in der kommenden Saison wieder mit besseren Ergebnissen zu verwöhnen, ist selbstredend die Wahl des richtigen Trainers. Auch für den ÖFB-Legionär wird diese Kür natürlich wichtig.

"Da geht es eher um den Hinterkopf. Man redet sich ein, dass man keinen Druck hat, aber natürlich spürt man ihn. Am schwierigsten ist es, wenn man muss."

Aleksandar Dragovic

Dass es unter Schmidt, der sich sehr für seine Verpflichtung eingesetzt hatte, nicht klappen wollte, sieht Dragovic eher den Umständen geschuldet - kompliziertes System hin oder her: "Ich finde das System eigentlich gar nicht so schwer, ich war immer ein Fan vom Pressing. Aber wenn die Resultate nicht kommen, wird alles in Frage gestellt."

Unter dem neuen Übungsleiter müsse "jeder wieder sein Maximum" erreichen: "Denn kein Spieler in Leverkusen hat konstant seine Leistung gebracht, außer vielleicht Torhüter Bernd Leno. Es gab zu viele Schwankungen - ein Spiel gut, dann wieder zwei Spiele nicht so gut. Wenn jeder Spieler Konstanz reinbringt, werden wir auch wieder oben mitspielen."

Der Druck

Dass ganz andere Sphären als in dieser Saison das Ziel von Leverkusen sein müssen, versteht sich angesichts der Qualität des Kaders von selbst. Bayer ist nicht der erste Riese, der mental zu straucheln begann, als er sich in ungewohnten Gefilden wiederfand.

"Das beste Beispiel ist für mich das letzte Saison-Spiel in Berlin, als wir schon gerettet waren. Wir konnten ohne Druck spielen und auf einmal legen wir unser bestes Spiel hin. Die Hertha hätte eigentlich gewinnen müssen, um fix in die Europa League zu kommen, aber wir siegen 6:2."

Wie sehr der negative Druck in den Wochen und Monaten davor gelähmt hätte? "Da geht es eher um den Hinterkopf. Man redet sich ein, dass man keinen Druck hat, aber natürlich spürt man ihn. Am schwierigsten ist es, wenn man muss."

Zurück zur alten Form

Nächste Saison muss der 56-fache Internationale eine bessere Performance als in dieser Saison abliefern. Nach dem WM-Qualifikations-Duell in Irland kann er sich erstmals seit längerer Zeit einen Urlaub gönnen - eine wichtige Ruhephase für Körper und Geist.

"Das Wichtigste für die kommende Saison wird sein, dass ich endlich verletzungsfrei bleibe. Dann finde ich wieder zu meiner alten Form. Aber ein Spieler lebt immer auch von der Mannschaft. Wenn die Mannschaft nicht in Form ist, ist es als einzelner schwierig, das ins Positive umzuwandeln. Wenn es in der neuen Saison von Anfang an gut läuft, wird auch jeder Spieler wieder besser sein."

Dafür gelte es jedoch keine offensiven Kampfansagen zu treffen, sondern Taten sprechen zu lassen: "Wir haben eine überragende Qualität in der Mannschaft, aber wenn wir sie nicht abrufen, verlieren wir auch gegen Darmstadt. Nur mit Qualität gewinnt man nicht, dafür kann ich mir nichts kaufen. Die Wahrheit liegt am Platz, das ist meine Meinung, und die sage ich immer wieder: Genau wie beim Nationalteam. Die Wahrheit liegt am 11. Juni ab 18 Uhr am Platz. Vor dem Spiel können wir reden, so viel wir wollen. Interessiert keinen!"


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