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Kommentar: Pentz kein Einzelfall, sondern die Regel

Patrick Pentz muss nun jene Durchsetzungsfähigkeit zeigen, die man ihm in Frankreich absprach. Damit würde er allen rot-weiß-roten Goalies einen Gefallen tun.

Kommentar: Pentz kein Einzelfall, sondern die Regel Foto: © getty

Bayer Leverkusen statt Colorado Rapids.

Deutsche Bundesliga statt MLS, international anerkannte Adresse mit Nähe zur Heimat statt Experiment auf einem anderen Kontinent, finanziell wird der Vertrag mutmaßlich auch nicht schlechter dotiert sein – dieser Transfer von Patrick Pentz kann ein geschickter Schachzug gewesen sein.

Wenn sich der ÖFB-Goalie durchsetzt.

Dieses "Wenn" wird irgendwann in der Beurteilung dieses Deals das entscheidende Kriterium sein.

Auf den ersten Blick gilt Pentz (Vertrag bis 2025) als Nummer zwei hinter Platzhirsch und Kapitän Lukas Hradecky (Vertrag bis 2026) – und der kann eine harte Nuss sein, man frage nach bei Heinz Lindner.

Gehen wir einmal davon aus, dass sich Pentz eine klare Perspektive auf Einsatzzeit aufzeigen hat lassen und sich viel zu schade ist, um sich mit 26 von vornherein auf die Bank zu setzen, selbst wenn es ein ambitionierter deutscher Spitzenklub ist.

Dass es für ihn gerade schwierig ist, große Ansprüche zu stellen, ist angesichts seiner misslungenen Herbst-Saison allerdings auch klar.

Denn dass ein nach seinen starken Performances in der Bundesliga und im ÖFB-Team mit großen Hoffnungen ins Ausland entsandter Keeper bei Stade Reims die Notbremse ziehen musste, unterstreicht ein Problem, dem sich der österreichische Fußball viel zu lange nicht intensiv genug gewidmet hat.

Dabei fällt es nun wirklich nicht in die Kategorie Breaking News, dass österreichische Torhüter in der internationalen Spitzenklasse kaum als Nummer eins gefragt sind.

Wenn man ehrlich ist, wurde es zuletzt selbst in der Mittelklasse schon eng.

Leidensdruck nicht hoch genug?

Sicher, angesichts der doch beträchtlichen Goalie-Fluktuation im Nationalteam ist das Thema zwar regelmäßig präsent. Da sich die jeweiligen Torhüter im ÖFB-Dress jedoch kaum etwas zu Schulden kommen lassen, scheint der Leidensdruck aber nicht hoch genug zu sein.

Dass sich mit Pentz einer der beiden Favoriten auf den Nummer-1-Job unter Teamchef Ralf Rangnick auf seiner ersten Legionärs-Station bei einem französischen Mittelständler nicht durchsetzen konnte, kann und darf nicht der Anspruch sein.

Die je nach Interpretation wenig freundliche oder einfach ehrliche Zeugnis-Vergabe der Verantwortlichen in Reims sagt keinesfalls, dass Pentz kein guter Goalie ist, unterstreicht allerdings, dass er sich nicht schnell genug den Gegebenheiten und Erfordernissen angepasst hat.

"In der Ligue 1 wird halt anders gespielt als in der österreichischen Liga, das ist Fakt. In Frankreichs Elite sind die meisten Spieler größer und robuster. Auf der anderen Seite muss man auf dem höchsten Niveau als Neuzugang in der Lage sein, sich sofort anzupassen und sein bestes Gesicht zu zeigen, sonst ist der Zug schnell abgefahren", urteilt Ex-Reims-Coach Oscar Garcia, der Pentz geholt hat.

Und noch mal bei allem gebotenen Respekt: Wir sprechen hier von Stade Reims. Der Theorie nach hätte dies der ideale Verein sein sollen, um sich international zu etablieren. In der Praxis wurde Pentz nach sieben Spielen gebencht.

Ganz ehrlich: Das kann passieren. Es kommt vor, dass es nicht passt. Und gerade als Torhüter hat man es bekanntlich ungleich schwerer, zu Einsatzzeit zu kommen, sobald der Stammplatz futsch ist.

Das österreichische Problem ist vielmehr, dass Pentz kein Einzelfall, sondern die Regel ist.

Keine zufriedenstellende "Ausbeute"

Pentz‘ Nationalteam-Rivale Heinz Lindner war bei Eintracht Frankfurt – gegen Hradecky - chancenlos, kämpfte sich via Grasshoppers zurück, fand in der Folge als Nationalteam-Nummer-1 viel zu lange keinen Job, hat sich aber zumindest in der Schweiz inzwischen ein vernünftiges Standing erarbeitet.

EM-Goalie Daniel Bachmann stieg mit Watford auf, wurde allerdings ausgerechnet in der Premier-League-Saison zu oft auf die Ersatzbank degradiert. Nach dem Abstieg darf er nun zumindest wieder als Stamm-Goalie um die Rückkehr in die höchste Spielklasse kämpfen.

Martin Fraisl hat sich im Sommer nach dem Aufstieg mit Schalke auf dem Weg in eine Top-5-Liga leider verpokert, ist nach einigen Wochen Vereinslosigkeit mit dem verspäteten Engagement als Einser-Goalie bei Arminia Bielefeld aber Gott sei Dank noch weich gelandet.

Mit Dejan Stojanovic bei Jahn Regensburg spielte im Herbst ein weiterer ÖFB-Legionär in der 2. Deutschen Bundesliga fix.

Und sonst?

Cican Stankovic hat seinen Stammplatz bei AEK Athen im Oktober verloren, Andreas Leitner scheint selbigen in Rumänien bei Petrolul Ploiesti zuletzt erobert zu haben.

Daniel Antosch zeigt beim FC Pafos auf Zypern auf, Johannes Kreidl ist in Finnland die Nummer eins von KuPS, Hidajet Hankic jene von Botev Plovdiv in Bulgarien.

Pavao Pervan ist beim VfL Wolfsburg recht hochrangig engagiert – er wusste jedoch von Anfang an, dass er sich auf eine Backup-Rolle einlässt. Mit über 30 ist dies jedoch auch legitimer als mit Mitte 20.

In der heimischen Liga haben Jörg Siebenhandl und Samuel Sahin-Radlinger mehr oder weniger glückliche Auslands-Abenteuer im Lebenslauf, ihre konkrete Zukunft über die Saison hinaus ist offen.

Ebenso jene von Alexander Schlager, der sich beim FC Red Bull Salzburg oder im Ausland aber jedenfalls einer Herausforderung stellen wird, bei der man international bestehen muss.

Und international ist hier das Schlüsselwort.

Mit dieser "Ausbeute" kann sich Fußball-Österreich einfach nicht zufriedengeben.

Im Marktwert-Ranking weit abgeschlagen

Es muss das noch viel klarer definierte und auch offensiver kommunizierte Ziel sein, auch im Tor eine Entwicklung hinzubekommen, wie sie auf Feldspieler-Ebene gelungen ist.

Aktuell verfügt Österreich gerade einmal über fünf Keeper, die auf "transfermarkt" einen Marktwert von einer Million Euro übertreffen – und das auch eher knapp:

Bachmann führt mit 2,5 Millionen vor Stankovic (2 Mio.), Pentz und Niklas Hedl (je 1,5 Mio.) sowie Schlager (1 Mio.) das rot-weiß-rote Marktwert-Ranking an.

Weltweit liegt Thibaut Courtois mit 60 Millionen Euro vor Gianluigi Donnarumma und Alisson (je 50 Mio.) beziehungsweise Ederson (45 Mio.) und Jan Oblak (40 Mio.).
Sage und schreibe 168 Torhüter werden als „teurer“ als Bachmann eingeschätzt.

Mit Günter Kreissl, früher Geschäftsführer Sport beim SK Sturm Graz, hat der ÖFB vor zwei Jahren einen "Head of Goalkeeping" installiert.

Dies zeugt zumindest von Problembewusstsein, wenngleich auch Kreissl nicht mir nichts dir nichts Torhüter aus dem Ärmel schütteln kann. Dass dies eher eine Generationen-Frage ist, wissen wir noch von der Aufholjagd in Sachen Feldspieler in den Nuller-Jahren.

Es steht jedoch bei aller Geduld außer Streit, dass alles nur irgendwie Mögliche unternommen werden muss, dass die nächste Generation international nicht nur Angebot, sondern auch tatsächliche Nachfrage erzeugt.

Und zwar als Nummer eins wohlgemerkt.

Pentz hat die Chance

Pentz hat nun in Leverkusen die Chance, nicht nur Eigenwerbung zu betreiben, sondern auch der rot-weiß-roten Torhüter-Branche ganz nebenbei einen riesigen Gefallen zu tun.

Es ist ihm zu wünschen, dass er die Stimmen aus Frankreich zur Fehleinschätzung werden lässt und neben seiner Qualität jene im internationalen Bereich notwendige Durchsetzungsfähigkeit an den Tag legt, die man ihm bei seiner ersten Auslands-Station abgesprochen hat.

Pentz ist ehrgeizig genug, dass er nicht plant, zwei Jahre lang bei Leverkusen auf der Bank zu sitzen.

Tritt dies doch ein, wäre es natürlich der Worst Case – in jeglicher Hinsicht.

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