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Wer übernimmt bei Rapid die Chef-Rolle?

Kein Regisseur! SK Rapid fehlen Alternativen im defensiven Mittelfeld.

Wer übernimmt bei Rapid die Chef-Rolle? Foto: © GEPA

Der Abgang von Kapitän Stefan Schwab hat beim SK Rapid im Sommer viele Fragen aufgeworfen.

Die damals gehegten Zweifel, wie es ohne den Regisseur weitergeht, wurden jedoch durch phasenweise starke Leistungen, gute Ergebnisse und das Vorpreschen anderer Leistungsträger kaschiert.

So fand schon im Frühjahr Dejan Ljubicic, damals noch an Schwabs Seite, zu alter Stärke zurück. Seit dem Sommer zieht er die Fäden im Mittelfeld und ist der Taktgeber, der das Tempo vorgibt.

Die Entscheidung, ihm die Kapitänsschleife zu überreichen, trug ihr Übriges dazu bei, dass der 23-jährige Wiener einen weiteren Leistungsschub nachlegen konnte.

Sein Ausfall aufgrund eines Bänderrisses im Sprunggelenk, den er sich bei einem Foul von Zlatko Junuzovic im Spiel gegen Salzburg zuzog, trifft Rapid mitten ins Mark. Bei der 3:4-Niederlage in Ried war offensichtlich, dass mit ihm der Chef als Bindeglied zwischen Defensive und Offensive schmerzlichst abging.

Wer bis zu seiner Rückkehr im Jahr 2021 in diese Rolle schlüpft, ist offen - vor allem aufgrund fehlender Alternativen.

Ljubicic ist nicht so leicht zu ersetzen

Dass der Kader der Grün-Weißen nicht die gewünschte Breite hat, ist nichts Neues und wurde von Trainer Didi Kühbauer und auch Sportchef Zoran Barisic zuletzt immer häufiger unterstrichen.

Der dicht gedrängte Terminplan macht derzeit alles noch intensiver, Corona trägt seinen Teil dazu bei und Verletzungen lassen die Verantwortlichen Wochen für Woche zittern.

Dass mit Dejan Petrovic ein weiterer Spieler mit Pfeifferschem Drüsenfieber auf unbestimmte Zeit ausfällt, erschwert die Situation vor allem im defensiven Mittelfeld noch mehr.

Normalerweise wäre die Ljubicic-Rolle nämlich auf den 22-jährigen Slowenen sowie Routinier Srdjan Grahovac zugeschnitten gewesen, doch auch dieser Plan hat sich vorerst - möglicherweise sogar bis zur Winterpause - erledigt.

Grahovac kein Spielgestalter, Ritzmaier woanders gefragt

Gegen die SV Ried im Innviertel musste Marcel Ritzmaier in die Presche springen und weit defensiver agieren, als es der 27-Jährige zuletzt gewohnt war. Dadurch beraubte man ihn seiner Stärken in der Offensive und in punkto Torgefahr.

Zwar holte er sich Bälle tief in der eigenen Hälfte ab, konnte aber seine spielerischen Stärken aufgrund des Rieder Pressings nicht in Mittelfeld-Kontrolle ummünzen und fehlte dann in den entscheidenden Räumen.

Zudem wurden die Innenverteidiger, vor allem Mateo Barac, immer mehr dazu verleitet, die Risiko-Variante auszupacken und mit ihren Pässen von hinten heraus gleich mehrere Linien zu überspielen. Dieser Plan ging gegen Ried nur beim weiten Wechselpass auf Thorsten Schick vor dem 1:0 auf.

Kontrolle ins Spiel zu bringen gelang auch Christoph Knasmüllner nicht, der als Zehner zwar in den letzten drei Spielen in 253 Minuten Einsatz-Zeit vier Treffer erzielen konnte, jedoch noch immer zu wenig ins Spielgeschehen eingebaut ist und im Spiel gegen den Ball bekanntlich seine Schwächen hat.

Bei Grahovac weiß man, was man bekommt. Große spielgestalterische Fähigkeiten wurden ihm noch selten bescheinigt, er ist eher der Mann fürs Grobe, der gegen kämpferisch und körperlich robuste Gegner aus dem Hut gezaubert wird. Die Rolle von Ljubicic wird er aber ebenfalls nicht ausfüllen können, um mehr Kontrolle und Aufbau aus der Zentrale heraus zu ermöglichen.

Chance für Schuster? Velimirovic kein Thema

Abgesehen von seinem Eigentor agierte er auch im Innviertel unglücklich, indem er viele Fehlpässe produzierte und dem Gegner den Ball in die Beine spielte, was postwendend bestraft wurde. Der ideenreiche Spielaufbau ist somit nicht das Metier des 28-jährigen Bosniers.

Gelingt es Ritzmaier neben Grahovac mehr in die Rolle eines Achters hineinzuwachsen und das Spiel von dort aus zu dirigieren, wird dies wohl die bevorzugte Variante für die kommenden Wochen sein. Frühestens jedoch wieder im Derby, denn gegen Dundalk fehlt er angeschlagen.

Ansonsten gibt es im defensiven Mittelfeld wenige naheliegende Alternativen. Der erst 20-jährige Lion Schuster zeigte nach der Verletzung von Ljubicic in den verbleibenden 40 Minuten gegen Salzburg, dass ihm durchaus mehr zugetraut werden kann.

Allerdings meldete sich der Sechser erst im Oktober wieder von einem Mittelfußbruch zurück und wird wohl langsam aufgebaut werden. Dalibor Velimirovic, der vor einem Jahr von Kühbauer ins kalte Wasser geworfen wurde und seine Talentproben unter anderem im Derby gegen die Austria und im Schlager gegen Salzburg abgab, plagt sich seit nun fast einem Jahr mit diversen Verletzungen herum.

Mittelfeld-Kontrolle als entscheidendes Puzzleteil

Nach einem Seitenbandriss im Knie und einer Bänderdehnung im Frühjahr riss er sich Anfang August das Kreuzband. Sportdirektor Zoran Barisic ging zuletzt davon aus, dass er "noch länger ausfallen wird, ich glaube, das ganze Jahr."

Weitere defensive Mittelfeldspieler sucht man vergebens, zudem fehlen eine Etappe weiter vorne auch noch Spieler wie Philipp Schobesberger, dessen Rückkehr noch immer in den Sternen steht, und Tamas Szanto, der sich weiterhin auf Reha befindet.

Es gilt also zu improvisieren. Co-Trainer Manfred Nastl, der den erkrankten Kühbauer wie in Ried auch in Irland ersetzt, meinte am Tag vor dem Match gegen Dundalk: "Die Entscheidung, wie wir das Zentrum besetzen, ist noch nicht gefallen. Es gibt mehrere Optionen." Mit Schuster neben Grahovac als Sechser-Duo oder aber mit Knasmüllner bzw. Melih Ibrahimoglu als Achter in ungewohnter Position wäre vorstellbar, jedoch weit weg von der ursprünglichen, positionsgeteuen Besetzung.

Im Derby sollte dann Ritzmaier wieder neue Möglichkeiten in der Zentrale eröffnen. Bisher hat Rapid derartige Probleme gut kaschiert. Spiele wie in der Europa League in Molde, daheim gegen Dundalk oder in der Liga gegen Ried haben aber schon gezeigt, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.

Das defensive Mittelfeld ist in dieser Hinsicht sicherlich ein wichtiger Puzzleteil. Eigentlich wäre das eine Rolle für Kühbauer und Barisic, denn im Mittelfeld - wenn auch teils offensiver - fühlten sich beide einst pudelwohl. Doch wie Letzterer erst kürzlich meinte, würde ihn der Trainer nie und nimmer aufstellen - und das, obwohl sie eine enge Freundschaft verbindet. Somit müssen sie nun gemeinsam an den Schrauben drehen, um andere Lösungen zu finden.

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