Sükür wurde in seiner Heimat zur Persona non grata, flüchtete im Jahr 2015, als ihm die Verhaftung drohte. In den Folgejahren hielt er sich mit kleineren Jobs über Wasser, arbeitete etwa in einem Cafe oder als Uber-Fahrer. Zudem verkaufte er Bücher. Wie konnte es dazu kommen?
Sükür: Per Haftbefehl gesucht
Den heute 52-Jährigen zog es 2011 in die Politik, er kandidierte für die Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan und zog ins Parlament ein. Doch nur rund zwei Jahre später verließ er die Partei bereits wieder, weil er mit deren Vorgehen gegenüber der oppositionellen Bewegung von Fethullah Gülen nicht einverstanden war.
Gülen wird von Erdogan auch für den gescheiterten Putschversuch 2016 verantwortlich gemacht. Sükür soll später selbst Teil der Bewegung geworden sein, bestreitet dies aber. Dennoch wird ihm in der Türkei vorgeworfen, als Mitglied derer für den Aufstand mitverantwortlich zu sein. Seither wird Sükür in seiner Heimat per Haftbefehl gesucht.
Wenn ein Name zur Straftat wird
"Ich bin vielleicht ein Feind der Regierung, aber nicht des Staates oder der türkischen Nation. Ich liebe mein Land", beteuert Exil-Türke Sükür. Die Liebe ist aber bisweilen eine einseitige.
Von Ruhm und Glanz is' wenig über, würde man in Österreich sagen. Und den Hut zieht man nur mehr anderswo vor ihm, nicht mehr aber in der Türkei - zumindest öffentlich. Und wer es doch tut, wie die türkische TV-Stimme Alper Bakircigil, muss mit Konsequenzen rechnen. Der Kommentator wurde bei der WM 2022 beim Spiel zwischen Marokko und Kanada während der Übertragung ausgetauscht, weil er beiläufig Sükürs Namen erwähnte. Unmittelbar nach dem Spiel wurde Bakircigil entlassen.
Ex-Gala-Präsident als Tabubrecher
Konsequenzen muss auch der frühere Präsident jenes Klubs fürchten, für den Sükür 228 seiner 249 Süper-Lig-Tore erzielte und dreimal Torschützenkönig wurde. Burak Elmas stand Galatasaray Istanbul von Juni 2021 bis Juni 2022 vor, war zuvor jahrzehntelang für den Klub in verschiedenen Funktionen tätig.
Im vergangenen Dezember wagte es der Geschäftsmann, in einem Interview bei "Serbestiyet" Sükürs Namen öffentlich auszusprechen. Mehr noch: der 49-Jährige lobte den Ex-Stürmer sogar in höchsten Tönen.
Sükür sei "der beste Profi, den ich je kennengelernt habe", sagte Elmas unverblümt. Auch er sei politisch mit Sükür nicht immer einer Meinung gewesen, man müsse das Sportliche aber getrennt davon betrachten. Und da mache Sükür niemand etwas vor. "Er hat immer hart trainiert, auf seine Ernährung geachtet, Tore gemacht und uns zu Meisterschaften verholfen", blickt Elmas zurück.
Eine vergleichsweise gelinde Konsequenz könnte die Aberkennung seiner Galatasaray-Mitgliedschaft sein. Dies geschah bei Sükür, auf politischen Druck hin, bereits 2017, obwohl die Mitglieder des Klubs dagegen votierten.
Sükür ein Spielball der Politik?
Mit seinen Aussagen stellt sich Elmas klar in Opposition zur Erdogan-Regierung und lässt sich ganz offenkundig nicht einschüchtern. Das sei, wie Sükür meint, aber das Ziel des "Regimes", wie er es nennt: "Die Politiker in der Türkei benutzen den Fußball für ihre Zwecke. Die Politik benutzt mich als bekanntesten Spieler der Türkei, der auch im Volk populär ist, um Angst zu säen.“"
Teksas Odessa kampı sertifika töreni öncesi küçük, mütevazı bir şov..🤗🥰❤️ pic.twitter.com/CtGYzUGyJc
— HAKAN ŞÜKÜR 👑 (@hakansukur) August 9, 2023
Langsam, aber sicher, kann sich Sükür nun endlich eine einigermaßen solide Lebensgrundlage aufbauen.
Der 52-Jährige ist auch auf seinen Sozialen Kanälen höchst aktiv, nimmt dort teilweise mehrmals täglich zum Geschehen in Fußball und Politik Stellung. Dort zeigte er zu seinem 50er vor zwei Jahren auch, dass er sein fußballerisches Handwerk nach wie vor beherrscht:
In seiner Heimat ist Sükür jedoch aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden, man will ihn aus dem kollektiven Gedächtnis streichen.
Die Kommentare unter seinen Beiträgen auf den diversen digitalen Kanälen sprechen dagegen eine andere Sprache. Für seine Fans bleibt "der Bulle vom Bosporus" ein unvergessener, wenn auch tragischer Held. Einer, der seit Jahren ein verhältnismäßig tristes Dasein in den USA fristen muss, weil er in seinem Heimatland zum Feind erklärt wurde.
In einem aber sind sich wohl Widersacher und Fürsprecher einig: Ohne Hakan Sükür wäre der türkische Fußball ein anderer.