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Kommentar - UEFA: "Respect" nur vor dem Geld

Kontinentalverband hat aus Tumult um die Super League nichts gelernt. Kommentar:

Kommentar - UEFA: Foto: © getty

Die derzeit stattfindende Europameisterschaft zeigt einmal mehr eindrucksvoll, dass sich der moderne Fußball weit weg von sämtlichen erstrebenswerten Idealen und Werten befindet.

Spielte sich die UEFA im Duett mit der nicht minder zwielichtigen FIFA Mitte April im Rahmen der Super-League-Vorstellung als Retter des Fußballs auf, zeigten die vergangenen Tage, dass der Kontinentalverband von der selben Gier zerfressen ist wie die ursprünglichen zwölf Klubs, denen dieselbe Charakteristik vorgeworfen wurde.

Den "Respect", den die UEFA unter anderem auf den Ärmeln der Spieler und Offiziellen propagiert, zeigt sie maximal vor dem Geld.

EURO 2020 von Anfang an eine Schnapsidee

Im Dezember 2012 wartete die UEFA mit dem Vorschlag auf, die EM-Endrunde in ganz Europa auszutragen. Die führenden Köpfe des Kontinentalverbands sind zwar ohnehin nicht als Visionäre verschrien, dass in der Zwischenzeit eine Pandemie das tägliche Leben auf den Kopf stellen wird, kann man dem damaligen Präsidenten Michel Platini und seinem ehemaligen Generalsekretär Gianni Infantino, der vor seinem Wechsel an die FIFA-Spitze federführend für die Konzeptionierung des Turniers verantwortlich war, aber ausnahmsweise nicht vorwerfen.

Dennoch sollten die hohen Herren schon damals gewusst haben, dass das Flugzeug nicht unbedingt das umweltfreundlichste Fortbewegungsmittel unter der Sonne ist. Der aktuelle Zeitgeist verfrachtet das Konzept der Vielfliegerei endgültig in die Mottenkiste.

Auch die Vergabe der Spielorte sorgte im Vorfeld der EM für Kontroverse. So wurde ein Paket mit drei Spielen dem hintersten Winkel Fußball-Europas zugesprochen: der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. Schon hier spießen sich wirtschaftliche Interessen und das selbst auferlegte Motto "Respect".

UEFA-Boss: Hofiert von Autokraten

Im autoritär regierten Land werden Dissidenten nicht unbedingt mit Letzterem behandelt. Dafür geben sich beim Duell zwischen der Türkei und der Schweiz lupenreine Demokraten wie der türkische Präsident Erdogan und Aserbaidschans Staatschef Aliyev, die in der Region Bergkarabach gemeinsam einen blutigen Krieg gegen Armenien geführt haben, sowie UEFA-Präsident Aleksander Cheferin die Klinke in die Hand.

Die Frage nach dem ökonomischen und okölogischen Sinn, die Schweiz vom ersten Gruppenspiel in Baku zum Duell gegen Italien nach Rom und zum Abschluss wieder retour zu schicken, werden sich wohl noch kommende Generationen stellen.

Immerhin ist das Kaukasus-Abenteuer der Eidgenossen bei diesem Turnier endgültig vorbei. Das anstehende Achtelfinalspiel findet in Sevilla oder Bukarest statt. Den Walisern, die wie die Schweiz ebenfalls zwei Gruppenspiele in Aserbaidschan absolvieren mussten, könnte hingegen noch ein Trip nach Baku drohen, sollte das Achtelfinal-Duell in Amsterdam gegen Dänemark gewonnen werden. Im Halbfinale ginge es für den Sieger dann ins knapp 4.000 Kilometer entfernte London. Amsterdam-Baku-London, so sieht ein Trip aus der Hölle aus.

Doch ob die Halbfinali und das Endspiel überhaupt in der britischen Hauptstadt ausgetragen werden, muss abgewartet werden. So soll die UEFA Druck auf die englischen Behörden ausüben, Ausnahmeregelungen für die EM-Spiele im Wembley-Stadion zu schaffen.

Laut der britischen "Times" soll es insbesonders um VIP-Gäste gehen, für die laschere Einreise-Regelungen gelten sollen als für "normale" Reisende. Der ehemalige Vorstand einer österreichischen Staatsholding würde letztere Gruppe als Pöbel bezeichnen, die Weltanschauung scheint sich mit jener der UEFA zu decken. Am Dienstag wollte die UEFA von solchen Plänen nichts wissen.

Ähnlich schändlich ging der Kontinentalverband mit Städten um, die sich im April noch nicht zu teilweiser Zulassung von Zusehern verpflichtet haben. In Zeiten einer Pandemie ja eigentlich ein durchaus vernünftiger Ansatz der Austragungsorte, die epidemologische Lage war lange Zeit sehr wechselhaft. Aber es geht ja um die UEFA, da hat die Vernunft keinen Platz – Gewinnmaximierung steht an der Tagesordnung. Anstatt Lösungen mit Dublin und Bilbao zu finden, wurden sie kurzerhand ersetzt.

Vom Wembley zu Rassisten?

Unabhängig von der Ankündidung der UEFA, die Semifinali und das Endspiel in London belassen zu wollen, bietet sich Budapest an, die Entscheidungsspiele auszurichten. Derselbe Ort, in dem Kylian Mbappe von Teilen der Zuseher mit Affenlauten bedacht wurde und Karim Benzema übelst beschimpft worden ist. Glücklicherweise hat kein Aktiver eine Beleidung ausgestoßen, sonst wäre er unter fadenscheinigen Umständen zu einem Spiel Sperre verdonnert worden. Bei der Litanei an unrühmlichen UEFA-Vorfällen, ist die unsinnige Sperre für Marko Arnautovic beinahe zur Randnotiz verkommen.

Es bleibt abzuwarten, zu welchem Ergebnis die mit Sicherheit umfangreiche UEFA-Ermittlung im Fall der rassistischen Beleidigungen gegen die französischen Spieler kommt. Davor war die Regenbogen-Kapitänsbinde von Manuel Neuer ein Dorm im Auge der UEFA.

"Good cause" nicht gut genug

Der Kontinentalverband ist in seiner jämmerlichen Überprüfung der Schleife zum Ergebnis gekommen, dass diese als Zeichen der Mannschaft für Vielfalt gewertet ist und damit einen "good cause" darstellt. Der Zweck ist allerdings nicht gut genug, um die EM-Arena in München in Regenbogenfarben zu beleuchten. Die UEFA hat ein derartiges Ansinnen des Münchner Stadtrates abgelehnt.

Die Beleuchtung soll auch ein Zeichen gegen die ungarische Regierung sein. In der vergangenen Woche wurde ein ein Gesetz verabschiedet, das die Informationsrechte von Jugendlichen in Hinblick auf Homosexualität und Transsexualität einschränkt. In den sozialen Netzwerken und im Vorfeld an die Spiele schmückt sich die UEFA mit der "Equal Game"-Kampagne, Fußball soll schließlich für alle sein.

In der Realität biedert man sich an autoritäre Staatschefs an, diese darf man schließlich nicht kränken. Lob für das Unterbinden der Regenbogen-Arena kam vom ungarischen Außenminister Peter Szijjarto, der das Vorgehen der UEFA als richtige Entscheidung bezeichnet. Die Beleuchtungs-Idee sei eine "politische Provokation" gewesen.

Es wird kaum jemanden geben, der sich wünscht, dass Politik im großen Stil Einzug in den Sport hält. Doch darum geht es in diesem Fall gar nicht. LGBT-Rechte sind keine Politik, sondern Menschenrechte. Wenn die UEFA diese, ausgerechnet im ausgerufenen "Pride Month", nicht hochhalten kann, kann sie sich jegliches vor Unehrlichkeit triefende soziale Engagement sparen. Nicht dass dieses ohnehin durch ihre Taten konterkariert wird.

Eriksen-Vorfall die Höhe der Menschenverachtung

Denn letztendlich geht es für den Kontinentalverband nicht um die Menschen oder den Sport, das hat man eindrucksvoll am Beispiel Christian Eriksen gesehen. Der dänische Star kollabierte im ersten Gruppenspiel gegen Finnland nach einem Herzstillstand auf dem Rasen des Parkenstadions und musste in Folge wiederbelebt werden.

Nicht einmal dieser traumatische Zwischenfall, der allen in den Knochen steckt, die ihn miterleben mussten, war Anlass genug, um das Spiel an Ort und Stelle abzubrechen. Wo blieb der "Respect" vor dem Menschen Christian Eriksen? Oder vor seinen Mitspielern, Gegenspielern und Zusehern?

Stattdessen wurden die Dänen laut eigener Aussage unter Druck gesetzt, das Spiel entweder am selben oder am darauffolgenden Tag zu beenden. Die EM darf doch durch solch ein Ereignis nicht beeinträchtigt werden.

War die Verwunderung, dass das Spiel doch noch fortgesetzt wurde, anfangs groß, ist dieses menschenverachtende Vorgehen der UEFA leider Routine. Borussia Dortmund musste im April 2017 einen Tag nach einem Bombenanschlag auf den Teambus das erste Spiel im Champions-League-Viertelfinale absolvieren. Damals wie heute merkte der Kontinentalverband an, dass die betroffenen Mannschaften keinerlei Einwände gegen die Austragung hatten. Im Fall der dänischen Nationalmannschaft wurde noch während der Unterbrechung seitens der UEFA davon gesprochen, dass diese weiterspielen wolle. Die Tage danach und die Aussagen der Dänen zeichneten wenig überraschend ein anderes Bild.

Im Rahmen der Super-League-Diskussion hatte die UEFA die Chance, die Verfehlungen der vergangenen Jahre umzukehren und sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren: Den Sport und die Menschen dahinter.

Was damals schon abwegig erschien, kann nun nicht einmal mehr vom kühnsten Träumer angenommen werden. Die Moral der letzten Monate: Die UEFA hat keine Moral und auch keinen "Respect", außer vor dem Geld. Dieses muss rollen, so wie der Fußball auch – selbst wenn beide in so mancher Situation maximal nebensächlich sind.

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