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Abwehrschlacht! Funktioniert Salzburg auch ohne Pressing?

Not macht erfinderisch: Gerhard Struber ließ die verletzungsgeplagten und kriselnden "Bullen" in San Sebastian ungewohnt defensiv auflaufen. Mit Erfolg.

Abwehrschlacht! Funktioniert Salzburg auch ohne Pressing? Foto: © GEPA

Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen.

Umgelegt auf den FC Salzburg bedeutet das: In einer Phase, in der nicht alles nach Wunsch läuft - sei es aufgrund von einer nicht enden wollenden Verletzungsmisere, sei es aufgrund einer Formkrise der halben Mannschaft- ist es selbst den pressingvernarrten "Bullen" erlaubt, sich einmal tief reinzustellen.

Genau dieses spielerische Mittel wurde am vergangenen Mittwoch bemüht. Beim harten Auswärtsspiel gegen Real Sociedad kamen die diesmal sehr tief gestaffelten Mozartstädter nur zu 30 Prozent Ballbesitz sowie nur einem einzigen Abschluss auf das gegnerische Tor, gleichzeitig aber mit einem 0:0 (Spielbericht>>>) zu einem Ergebnis, welches die Tür zum europäischen Frühjahr weit aufstieß.

"Meine Jungs können heute sehr, sehr stolz auf diesen Punkt sein. Weil wir wissen, wie schwer sich hier die besten Teams aus La Liga oder auch viele Champions-League-Teams in der Vergangenheit getan haben. Dieser Punkt hat einen sehr, sehr hohen Stellenwert", findet Gerhard Struber auf der Pressekonferenz nach dem Spiel in der Reale Arena.



Auch wenn das Salzburger Spiel diesmal ungewohnt unspektakulär aussah, spricht der Kuchler von einem rundum gelungenen Abend. "Das war taktisch heute auf einem sehr hohen Niveau von unseren Burschen. Wir haben es Real Sociedad mit Teamwork pur, mit einem unglaublichen Schulterschluss, alles in die Waagschale zu werfen, richtig schwer gemacht", so Struber, der sich über einen perfekt umgesetzten Matchplan freut.

"Nicht so ein hohes Pressing, wie man es von uns gewohnt ist"

Dieser Matchplan sah vor, dass Salzburg, wie bereits beim Auswärtsspiel gegen Inter Mailand, in einem 4-2-3-1 auflief, in welchen es vor allem den beiden Sechsern, Nicolas Capaldo und Mads Bidstrup, aufgetragen war, den Basken den Spielspaß im Mittelfeld zu nehmen.

"Der Matchplan war heute, uns nicht zu weit ziehen zu lassen, sondern, sehr stabil im kompakten Mittelfeldpressing die Schlinge zuzuziehen. Heute gab es nicht so ein hohes Pressing, wie man es von uns gewohnt ist. Aber es war aus meiner Sicht, in unserer Situation, in der wir angesichts dessen, dass wir gegen einen internationalen Topklub gespielt haben, und der verfügbaren Spieler gerade drinhängen, die richtige Marschrichtung", entschuldigt sich Struber fast, vom gewohnten Salzburger Spielansatz abgewichen zu sein.

"La Real" habe sich zwar immer wieder über die Flügel in den Sechzehner kombinieren können, "aber am Ende haben wir eine super Box-Verteidigung gehabt". Teilweise sei es sogar gelungen, "zu guten Umschaltern zu kommen. Mit ein bisschen Glück hätten wir führen können", spricht Struber einen Stangenschuss von Dorgeles Nene nach einem traumhaften Konter früh im Spiel an.

Pavlovic hatte das Gefühl, "dass sich die Jungs verstecken wollen"

Bis auf diese Riesenchance blieben die Mozartstädter aber über 90 Minuten völlig zahnlos und wussten mit den zahlreichen Ballgewinnen im Mittelfeld wenig anzufangen. In Halbzeit hatte man beinahe das Gefühl, "dass sich die Jungs verstecken wollen", bringt es Strahinja Pavlovic auf den Punkt.

"Ich finde, dass die Jungs erst in der zweiten Halbzeit zu spielen angefangen haben. In der ersten Halbzeit haben sie kein Selbstbewusstsein gehabt. Erst in der zweiten Halbzeit sind sie draufgekommen: 'Oh, wir können mitspielen", so der Serbe, der aufgrund von Oberschenkelproblemen zur Pause in der Kabine bleiben musste.

So geht es Pavlovic nach seiner Auswechslung>>>

Pavlovic war bereits im Vorfeld der Partie angeschlagen, musste aber die Zähne zusammenbeißen, weil die Personallage in der defensiven Viererkette der Mozartstädter momentan mehr als angespannt ist.

Ulmer: "I emptied the tank"

Andi Ulmer hat den Tank geleert, bis es nicht mehr gegangen ist - Hut ab. Wir wissen, dass er karrieretechnisch im Herbst ist, und gleichzeitig stellt er so eine Leistung gegen so einen Gegner unter Beweis...

Struber über Ulmer

So wurden Andreas Ulmer und Kamil Piatkowski jeweils nach einer mehrwöchigen Verletzungspause direkt in die Startelf gespült, und am Ende musste sogar noch Samson Baidoo, der im Vorfeld der Partie von Klubseite als Ausfall vermeldet wurde, anstelle des völlig erschöpften Ulmers eingetauscht werden.

"Wie Jesse Marsch immer gesagt hat: 'I emptied the tank'. Mir geht es gut, aber ich bin einfach nur richtig platt. Ich habe die letzten Wochen nicht so viele Trainingseinheiten absolvieren können, eigentlich nur gestern mit der Mannschaft das Abschlusstraining", ächzt der mittlerweile 38-jährige "Bullen"-Kapitän bei "Sky".

Zu verteidigen hatte der Linksverteidiger zunächst den quirligen, genau halb so alten Mohamed-Ali Cho, dann den "japanischen Messi" Takefusa Kubo. Gegen beide machte Ulmer eine gute Figur - dafür gibt es freilich Sonderlob vom Trainer:

"Andi Ulmer hat den Tank geleert, bis es nicht mehr gegangen ist - Hut ab. Wir wissen, dass er karrieretechnisch im Herbst ist, und gleichzeitig stellt er so eine Leistung gegen so einen Gegner unter Beweis... Er ist ein fantastischer Profi, vor dem man nur den Hut ziehen kann."

Ein verdienter und wichtiger Punkt

Diesen wird Struber auch vor Amar Dedic ziehen müssen, der in der Reale Arena zunächst den Rechtsverteidiger, dann den Innenverteidiger und schließlich sogar den Linksverteidiger gab - das alles ohne Leistungsabfall.

"Ich habe aus Spaß zum Trainer gesagt: Soll ich auch Achter und dann Stürmer? Es war ein bisschen wild für mich, aber ich spür da gar keine Probleme", so der polyvalente Bosnier, der von einem "verdienten und sehr wichtigen Punkt" spricht.

Verdient deshalb, weil Real Sociedad, das zugegebenermaßen durchrotiert auftrat und nicht über 90 Minuten mit dem letzten Nachdruck nach vorne spielte, trotz zahlreicher Chancen nie so richtig zwingend werden konnte. Sehr wichtig deshalb, weil im finalen Gruppenspiel gegen Benfica Lissabon nun selbst eine Niederlage mit einem Tor Unterschied zum Umstieg in die Europa League reichen wird.

"Es ist ein Finale. Wir müssen smart darin sein, wie wir das angehen", blickt Pavlovic bereits auf den 12. Dezember. Anders als im Baskenland muss Salzburg dann "von der ersten Sekunde all-in gehen, mit viel Selbstbewusstsein. Wir haben alles in der Hand und genau so müssen wir auftreten".

Und selbst wenn sich die Mozartstädter 90 Minuten gegen Benfica hinten reinstellen und sich ins europäische Frühjahr "hineinmauern" würden, wäre ihnen in Fußball-Österreich wohl auch niemand böse.


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