Doch seine Mannschaft gab ihm an diesem Sonntag keinen Grund, welche zu suchen. Rapid beherrschte die Grazer besonders in der zweiten Spielhälfte, ließ keine einzige nennenswerte Chance zu und arbeitete unermüdlich daran, das Spiel vorzeitig zu entscheiden.
Joker Furkan Dursun hatte das 2:0 zweimal aus kurzer Distanz am Fuß (64., 90.+4), das Glück aber nicht auf seiner Seite. Ebenso wenig Guido Burgstaller, dessen vermeintlicher Treffer in der 71. Spielminute aufgrund einer Abseitsstellung nicht anerkannt wurde.
Normalerweise war es eine Stärke des Titelverteidigers, sich in der zweiten Halbzeit zu steigern. Warum gelang dies Rapid diesmal? Klauß erklärte: "Wir haben gesehen, was in der ersten Halbzeit gut funktioniert hat und haben die Lehren gezogen."
Mit Fortdauer des Spiels habe man immer mehr Selbstvertrauen und ein größeres Selbstverständnis entwickelt. "Wir waren im Ballbesitz ruhig, im Gegenpressing sehr scharf. Wir hatten immer wieder lange Ballbesitzphasen. Wir hatten insgesamt einen guten Mix aus Ruhe und Energie", so der Deutsche.
Es sei ein gutes Gefühl, wenn die Mannschaft in der zweiten Halbzeit sich noch steigern könne, besonders wenn drei Tage zuvor noch ein wichtiges Spiel absolviert wurde und genauso gut eine gewisse Müdigkeit herrschen könnte.
"Sind physisch auf einem deutlich anderen Niveau"
Das Gegenteil war der Fall, Rapid wirkte sogar fitter als das deutlich ausgeruhtere Sturm.
Einen Eindruck, den Christian Ilzer teilte und Lukas Grgic bestätigte: "Wir sind physisch auf einem deutlich anderen Niveau." Dadurch konnte der Rekordmeister die Intensität konstant hochhalten und gleichzeitig spielerische Akzente setzen. Letzteres kam in den Duellen der Vorsaison noch zu kurz.
Weil der Sack aber nicht vorzeitig zugemacht wurde, war die Sorge vorhanden, dass einmal "ein Ball durchrutscht, gerade bei der Qualität, die Sturm hat", betonte Klauß. Der 39-Jährige hatte während des Spiels dennoch ein gutes Gefühl, dass nichts schiefgehen würde.
Weshalb? "Weil wir sie sehr lange und sehr weit von unserem Tor gehalten haben. Wir haben uns wenig hinten reindrängen lassen, das war auch ein Schlüssel in der zweiten Halbzeit", sagte der SCR-Trainer.
Nur 1:0: Berechtigte Kritik oder ein Segen?
Rapid könnte sich trotzdem die Kritik gefallen lassen, nicht mehr als ein Tor erzielt zu haben, obwohl die "Expected Goals" sogar bei 3,03 gelegen sind.
"Sicher ist die Kritik berechtigt", meinte Grgic. "Das ist das einzige, das wir uns heute ankreiden lassen müssen. Wir müssen - gerade in unserem Stadion - vor dem Tor noch mehr zum Killer werden. Wir sehen, was hier möglich ist. Ich will, dass Hütteldorf diese Saison richtig brennt."
Während sich Kapitän Matthias Seidl einfach über die drei Punkte freute, drehte Klauß sogar den Spieß um und war froh, dass man nur 1:0 gewonnen habe, "weil mir das Lob aktuell schon wieder zu viel ist. Wenn wir höher gewonnen hätten, wäre das Lob noch größer gewesen."
So kann die Erwartungshaltung bewusst gering gehalten werden. "Damit haben wir noch Luft nach oben, können die Kirche im Dorf lassen und weiterhin fleißig sein", sagte der Deutsche.
Es sei nämlich immer noch erst der Bundesliga-Auftakt gewesen. Klauß: "Wir müssen Konstanz reinbringen. Es geht darum, das auch gegen andere Gegner unter anderen Vorzeichen zu zeigen." Grgic stimmte zu: "Ich sehe uns auf einem richtig guten Weg, aber natürlich haben wir Potenzial nach oben."
Breite Brust
Am Donnerstag geht es in der Europa League beim türkischen Spitzenklub Trabzonspor schon wieder weiter. Das Qualifikations-Hinspiel ab 19 Uhr im LIVE-Ticker >>>
Ob des Hexenkessels, der Rapid erwartet, eine vielleicht sogar noch schwierigere Aufgabe als Sturm Graz. Doch die Brust ist breit, und die Dreifachbelastung wird nicht als Belastung, sondern als Belohnung angesehen.
Mit dieser Denkweise und dem Mut zur Demut kann den Grün-Weißen ein interessantes Jahr bevorstehen. Der Start ist jedenfalls geglückt.