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"Warum schaut man sich Salzburg nicht besser an?"

"Man gibt sich zu früh auf." Eine Mannschaft imponiert dem Ex-FA-Cup-Sieger jedoch.

Foto: © GEPA

Vier Runden der neuen Bundesliga-Saison liegen bereits hinter uns. Zumindest an der Spitze gibt es wenig Überraschungen.

Serien-Meister FC Red Bull Salzburg findet sich mit dem Punkte-Maximum und einer Tordifferenz von 17:4 mit zwei Punkten Vorsprung auf Rekordmeister Rapid klar in Führung.

Womit die Titel-Prognosen der Salzburger Konkurrenz drohen, zur selbsterfüllenden Prophezeiung zu werden. Schließlich war man sich selbst im Lager der großen Traditionsklubs einig, dass der Meister am Ende dieser Saison mit ziemlicher Sicherheit zum achten Mal in Folge RB Salzburg heißen wird.

Ein Umstand, der auch dem ehemaligen ÖFB-Teamspieler Paul Scharner etwas sauer aufstößst.

„Ich finde es immer schade, dass man die Flinte von Anfang an ins Korn wirft“, meint der mittlerweile 40-jährige Niederösterreicher, der seine aktive Karriere vor sieben Jahren beendete, im Gespräch mit LAOLA1

„Vielleicht sind ein, zwei dabei, die interne Überlegungen anstellen, ich glaube aber, dass im Endeffekt jeder vom zweiten Platz ausgeht. Und das finde ich falsch. Wenn ich eine Meisterschaft spiele und mir nicht die Möglichkeit aufbaue, dass ich da mitspiele, dann brauch ich keine Meisterschaft spielen.“

Kritik an Traditions-Vereinen

Scharner nimmt dabei vor allem Vereine wie Rapid, Austria oder Sturm in die Pflicht. „Meiner Meinung nach gibt man sich da vor allem bei den Traditionsklubs zu früh auf. Es gibt noch immer so viele Möglichkeiten, wo man sich verbessern und professionalisieren kann. Da muss man sich was überlegen und nicht nur sagen: ‚Red Bull hat das größte Budget, deshalb sind sie besser!‘“

Laut dem ehemaligen FA-Cup-Sieger (2013 mit Wigan) wäre es sogar eine großartige Chance für alle Beteiligten, sich bei einem derart erfolgreichen Verein wie Salzburg das eine oder andere abzuschauen.

„Warum schauen sich diese Vereine Salzburg nicht besser an? Das ist ja nicht nur das Geld, warum die besser sind. Was macht Salzburg beispielsweise im operativen Bereich anders? Da kommt keiner auf die Idee, dass man sich das einmal anschauen könnte“, so Scharner, der im vergangenen Jahrzehnt dank des Einstiegs von Red Bull in die heimische Bundesliga einen gehörigen Anstieg der sportlichen Qualität wahrnehmen konnte.

„Die  Vereine profitieren, wenn Spieler oder Trainer von Salzburg kommen. Diese Leute bringen spielerische Qualität bzw. Knowhow mit. Da muss ich mich eben umschauen, dass ich das in den eigenen Verein reinbringe.“

Scharner sieht Wolfsberg als größten Herausforderer

Wen Scharner aktuell als „Best of the rest“ einstufen würde? „Den WAC sehe ich von den Herausforderern am stärksten. Die haben mit ihren zur Verfügung stehenden Mitteln einen Plan und setzen das um, was sie sich vorstellen und sie trauen sich das auch zu.“

Wobei der geringere Erwartungsdruck im Vergleich zu den Traditionsvereinen natürlich ein Vorteil sei. „Natürlich ist es für den WAC einfacher, sich für einen internationalen Bewerb zu qualifizieren als für Rapid oder Austria, weil die mit einem anderen Anspruch in der Meisterschaft gehen. Aber wenn ich mir anschaue, dass sich Rapid als Vize-Meister selbst als Meister sieht, weil Salzburg so stark ist, dann sagt das eh schon alles. Dann sollen alle daheimbleiben. Warum spiele ich da dann überhaupt mit?“

Rapid auf gutem Weg

Wobei er Rapid trotzdem auf einem guten Weg sieht.  „Sie scheinen aus der letzten Saison gelernt zu haben. Ich glaube, dass Zoki Barisic ganz wichtig war. Er ist das ausgleichende Pendant zu Kühbauer.“

Wenn du nur Kühbauer als Trainer hast, ist es, glaube ich, schon sehr schwierig. Wenn du keinen neutralisierenden Typen wie Barisic hast, dann ist das schwierig, etwas Langfristiges aufzubauen. Dazu sind die Person und der Charakter Kühbauer zu anstrengend und herausfordernd."

Paul Scharner über die Person Kühbauer

Dies sei dringend notwendig, denn „wenn du nur Kühbauer als Trainer hast, ist es, glaube ich, schon sehr schwierig. Wenn du keinen neutralisierenden Typen wie Barisic hast, dann ist das schwierig, etwas Langfristiges aufzubauen."

"Dazu sind die Person und der Charakter Kühbauer zu anstrengend und herausfordernd. Wenn du dir die Vergangenheit anschaust, hat es nach zwei, drei Jahren immer Abnützungserscheinungen gegeben. Und die haben sich vor Barisic bei Rapid auch schon wieder abgezeichnet.“

Austria braucht noch Zeit

Weniger zuversichtlich ist der Ex-Austrianer bezüglich seines ehemaligen Arbeitgebers. Trotz des Trainer-Comebacks von Peter Stöger.

„Ich weiß nicht, ob man die letzten fünf bis sieben Jahre in einem Jahr wettmachen kann. Einen Erfolg baut man ja auch nicht in einem Jahr auf, sondern über vier bis acht Jahre hinweg“, ist Scharner bezüglich einer baldigen Trendwende skeptisch. Im Vorjahr verpasste die Austria das Meister-Playoff und in Folge auch einen Europacup-Startplatz.

„Wenn man wie die Austria Misserfolge über vier, fünf Jahre hat, dann kann sich das über Nacht nicht ändern. Die Austria wird - selbst wenn sie jetzt alles richtig machen - sicher noch drei, vier Jahre brauchen, bis sie wieder auf der Erfolgsspur sind.“

Die Einsetzung von Sportdirektor Stöger auf der Trainerbank sieht Scharner aber in jedem Fall positiv: „Von der Erfahrung her ist Peter Stöger sicher der richtige Mann, das hat er ja auch schon in Deutschland bewiesen. Man wird sehen, was er für Schritte setzen wird. Es wird jetzt interessant, wenn sie auf die Jugend setzen. Das haben sie bei der Austria in den letzten Jahren meiner Meinung nach vergessen. Das ist einmal ein guter Ansatz. Ich würde Stöger Zeit geben. Das hat er auch selbst gefordert. Man wird sehen, wie das vereinsintern ablaufen wird. Recht viel Spielraum hat die Austria aber sowieso nicht, weil sie finanziell eh klamm sind.“

Wobei die Erwartungen in Favoriten mittlerweile laut Scharner sowie bescheiden sein sollten. „Recht viel schlechter als die letzte Saison kann es eh nicht werden. Von der Erwartungshaltung sind sie sicher happy, wenn sie im oberen Drittel sind.“

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