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Bickels Antritt: "Muss nicht immer Titel sein"

Fredy Bickels Antrittsrede bei Rapid: Was ihn überzeugte, wie er es anpacken will:

Bickels Antritt:

Da war Fredy Bickel nun, erstmals an seiner neuen Wirkungsstätte im Allianz-Stadion.

Der 51-jährige Schweizer strotzt voller Tatendrang, das war nach seinem Aus bei den Young Boys Bern nicht immer so.

Mit dem SK Rapid verbinden den zweifachen Familienvater seit der Kindheit schöne Erinnerungen. Trotzdem ist es in gewisser Hinsicht auch absolutes Neuland:

"Die große Herausforderung flößt mir auch Respekt ein. Ich habe 25 Jahre in der Schweiz gearbeitet, hier muss ich mir erst etwas aufbauen."

Der ehemalige Radio-Moderator und Sportjournalist legte einen sympatischen ersten Eindruck im grün-weißen Headquarter hin, zeigte jedoch sofort, dass er genaue Vorstellungen hat.

LAOLA1 fasst die wichtigsten Themen der Antritts-Rede von Fredy Bickel zusammen.

Fredy Bickel über...

...Rapids Überzeugungskraft, ihn nach Wien zu holen: "Ich brauche mich nicht zu verleugnen, ich habe genug Österreich und Wien in mir. Ich freue mich unglaublich auf die große Herausforderung, die mir auch Respekt einflöst. Ich möchte mich für das große Vertrauen bedanken, das mir Rapid entgegenbringt. Rapid hat mich in den Gesprächen, auch was ich vom Verein und der Infrastruktur gesehen habe, überzeugt. In der Schweiz ist das vielleicht nur mit dem FC Basel zu vergeichen, da ist Österreich der Schweiz voraus. Das Vertrauen und Bemühen hat mich berührt und gefreut."



...ausschlaggebende Gründe für seine Entscheidung für Rapid: Ich bin bald 25 Jahre im Fußball dabei, habe mehrmals die Möglichkeit gehabt, ins Ausland zu gehen. Aber ich habe es nie gewagt, nie gemacht und immer Gründe gesucht. Weil meine Kinder in die Schule oder Lehre gegangen sind oder weil die Scheidung angestanden ist. Ich habe immer Gründe gesucht. Nach der Trennung bei den Young Boys im September habe ich mich so gefühlt, dass ich mal eine Pause brauche. Ich habe auch einige Telefonate gekriegt, auch aus größeren Ligen, die sehr interessant gewesen wären. Das ist aber nie über ein, zwei Gespräche hinausgegangen. Ich habe immer gleich wieder abgesagt, fühlte mich nicht bereit dazu. Es hat mich nicht gekitzelt, das anzupacken. Vor vier Wochen kam der Anruf aus Wien, da hat es mich erstmals wieder gepackt. Je länger ich nachgedacht habe, desto mehr ist das alte Fußball-Blut wieder aufgekocht. Am Ende wäre ich enttäuscht gewesen, wenn die Wahl nicht auf mich gefallen wäre, weil ich mich schon so intensiv mit Rapid beschäftigt hatte.

...über das, was ihn an Rapid begeistert und was ihm wichtig ist: Der Grund für die Entscheidung waren die Gespräche, weil wir fußballerisch in die gleiche Richtung denken. Nicht nur was die Bewertung der Liga betrifft. Wir sehen uns beide, in der Schweiz und in Österreich als Ausbildungsliga. Ich lege viel Gewicht auf gute Nachwuchsarbeit, das ist für mich das A und O. Ich habe auch die Mannschaft schon gesehen, die hat ihren Teil beigetragen. Denn wenn man Ziele nicht so erreicht, in eine Negativspirale gerät, aber trotzdem so Spiele zeigt - von der Körpersprache her - wie gegen St. Pölten, so viele Chancen auslässt und jeder einen Sieg verlangt, gefällt mir das. Wenn die Spieler und das Trainerteam trotzdem daran glauben, auch wenn nicht alles gelingt, zeigt das, das viel Charakter in der Mannschaft steckt und einiges stimmen muss. Das kann als gutes Zeichen für meinen Vorgänger gelten, ich habe ein gutes Gefühl bekommen.



...warum die erste Auslandsstation ausgerechnet in Österreich ist: Für mich war klar, dass ich mir den ersten Schritt ins Ausland, am ehesten in Österreich vorstellen kann. Für mich ist es wichtig, dass ich mich wohl und zu Hause fühlen kann. Österreich ist mir viel näher als irgendein anderes Land, das an die Schweiz grenzt. Man muss es nicht groß herausstreichen, aber es schließt sich ein Kreis für mich vor Weihnachten, da meine beiden Großmütter aus Österreich kommen. Deshalb hatte ich auch immer die tiefe Beziehung zu Österreich. Die Erklärung ist vielleicht etwas plump, aber es ist mir so in Erinnerung geblieben, dass wir immer auf den Weihnachtsmarkt gegangen sind, wo es auch Fußball-Fanartikel gibt. Vielleicht war es Zufall, aber den Rapid-Wimpel hatte ich zuerst zu Hause. So wie ich, muss auch in Zukunft jeder zuerst Rapid sehen und dann auch Fan bleiben.

...über den Kampf gegen finanziell übermächtige Gegner wie RB Salzburg bzw. FC Basel: Diese zwei Teams sind in ihren Ländern durchaus vergleichbar. Die finanzielle Seite ist sehr wichtig, das ist mir auch klar, das ist eine große Voraussetzung. Aber du machst es nie mit Finanzen, viel wichtiger ist, wie das Team funktioniert. Nicht nur sportlich, auch menschlich. Je besser das Team um die Mannschaft ist, desto größer ist die Chance, etwas zu gewinnen. Nicht nur das Geld gewinnt. Auch in der Schweiz habe ich immer gesagt, dass man immer bereit sein und alles machen muss. Wenn dir der Übermächtige die Chance gibt, musst du ihn anpacken. Darauf arbeitest du vom ersten Tag hin.

...über bereits konkrete Zielsetzungen mit Rapid: Klar habe ich einen Plan, klar habe ich Vorstellungen. Ich sehe die Arbeiten ganz klar für die erste Wochen und Monate. Aber aus guter Erfahrung aus der Schweiz werde ich nicht gleich sagen, wohin wir wollen und was wir erreichen sollten. Das will ich zuerst mit dem Klub und Trainerstaff absprechen. Es gibt große Ambitionen hier, ich habe große Ambitionen. Ich würde den Schritt sicher nicht machen, ohne das Gefühl zu haben, hier Spuren hinterlassen zu können. Kurzfristige Ziele sind noch nicht ausgegeben, aber es würde mich "angurten" (Anm: nicht freuen), nächstes Jahr nicht mindestens europäisch dabei zu sein.

...über den Respekt vor dem ungewohnten Umfeld in Österreich: Ich habe fast 25 Jahre in der Schweiz gearbeitet, kenne jeden Klub, jede Verbindung, weiß, was dort auf mich zukommt und wie es funktioniert. Beziehungen habe ich in Österreich noch nicht viele, da muss ich erst etwas aufbauen. Ich weiß, dass ich mich erst beweisen muss und kann nicht erwarten, mit offenen Armen empfangen zu werden. Ich muss erst ein Zeichen setzen. Das gewinnt mir Respekt ab.

...über mögliche Winter-Transfers und schnelles Handeln: Ich habe nicht das Gefühl, dass mir die Hände gebunden sind. Wenn, dann wäre mir das ziemlich egal. Weil ich denke, dass es der falsche Ansatz wäre, wenn ich hierher komme und gleich sage: Ich will das ändern und die und die Spieler. Rapid hat einen Kader von 29 Mann von guter Qualität, davon bin ich überzeugt. Ich werde mich erst einmal mit dem Trainer und Spielern austauschen, dann spüre ich was fehlt und was man machen könnte. Aber es ist schon genügend Qualität da, um das Team soweit zu bringen, gemeinsam etwas erreichen zu können. Ich weiß noch zu wenig, was funktioniert und was nicht. Was wir derzeit haben, sieht für mich absolut in Ordnung aus. Ich mache mir keine Gedanken, ob ich jetzt wen holen könnte oder nicht. Aber ich will Transfers im Winter nicht ausschließen, sonst bekomme ich in drei, vier Wochen Probleme, wenn es anders kommt. Das ist aber nicht der erste Punkt, den ich anstrebe.

...über Verhältnis zu YB-Bern-Trainer Adi Hütter und ÖFB-Teamchef Marcel Koller: Obwohl wir einen sehr guten, häufigen Kontakt haben, habe ich das in letzten zwei Wochen vermieden, weil ich nicht wollte, dass zu viel gesprochen wird. Wir haben uns erst am Donnerstag ausgiebig über Rapid unterhalten. Bei Koller ist es die gleiche Geschichte, ich habe die letzten drei, vier Wochen nicht den Kontakt zu ihm gesucht und erst gestern ein längeres Telefongespräch geführt. Ich hatte ihn als Spieler bei den Grasshoppers in den 90er Jahren, seitdem haben wir engen Kontakt, da er damals auch Captain war. Wir haben den Kontakt aufrechterhalten, verstehen uns sehr gut. Es ist eine wunderbare Geschichte, hier wieder zueinander zu finden, wenn zwar nicht im gleichen Verein aber mit gleichen Ambitionen.

...seine Definition von Erfolg und wann etwas als Erfolg zählt: Erfolgreich ist immer, was dich am meisten berührt - der Weg zum Erfolg. Wenn du am Anfang stehst, genaue Vorstellungen hast, im Team ein klares Ziel anstrebst und das auch erreichen kannst. Das kann mit dem Nachwuchs sein oder indem du Spieler in die erste Mannschaft führen kannst. Es muss nicht immer der Titel sein, um Erfolg zu haben. Aber der Anspruch muss immer der Titel sein. Das war in der Schweiz bei YB trotz Basel so. Auch Rapid kann in Österreich nur dieses Ziel verfolgen.

...realistische Zielsetzung oder ob die nicht hoch genug sein können: Man sollte immer die höchsten Ziele anpeilen, sie sollten aber immer realistisch sein. Auch wenn du die Hausaufgaben gemacht hast, ist das vorrangig. Vom Nachwuchs angefangen muss man alles vorbereiten, um bereit zu sein, wenn du die Chance hast, etwas zu gewinnen. Das muss im Fokus sein in nächsten 6 Monaten, dass du dann etwas in der Hand hast, wenn es was zu gewinnen gibt.

...seine Angewohnheit, auf der Trainerbank Platz zu nehmen: Ich kenne das nicht anders, seit Beginn der Tätigkeit sitze ich immer auf der Bank. Immer in Absprache mit dem Trainer, aber bisher hatte niemand Mühe damit. Sollte es so sein - wir haben das noch nicht besprochen - müssen wir das ausdiskutieren. Es wäre für mich wichtig, wenn man Spieler verpflchtet, dass man sie öfters siehst. Noch wichtiger ist es aber, öfters mit ihnen sprechen, ob einschätzen zu können, ob man ihn braucht oder nicht. Deshalb ist die Nähe zur Mannschaft unglaublich wichtig für mich, um es zu sehen und entscheiden zu können. Wichtig sind die Spieltage, um möglichst nahe dabei zu sein, das steht mir zu. An Spieltagen will ich immer der erste im Stadion sein und der letzte, der geht. Untertags habe ich nichts zu sagen, das ist die Trainerbühne, aber der Verein soll spüren, dass jeder Spieltag ein besonderer Tag, dass ich da bin, bereit für die Aufgabe und mich am Schluss für die Arbeit aller bedanke.


Alexander Karper

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