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Alles neu in Salzburg? "Jede Veränderung eine Chance"

In der Mozartstadt will man den Umbruch auf der Führungsebene dazu nutzen, einige Dinge neu zu denken. Die Grundausrichtung bleibt aber freilich gleich:

Alles neu in Salzburg? Foto: © GEPA

Der allsommerliche Umbruch beim FC Red Bull Salzburg traf heuer ausnahmsweise nicht nur den sportlichen Bereich.

Während der Trainerwechsel ob des bisher gewohnten Zwei-Jahres-Rhythmus, trotz des schlussendlich überraschenden Zustandekommens des Abgangs von Matthias Jaissle, fast schon Routine war, verließ mit Christoph Freund das vielleicht wichtigste Puzzleteil des bisherigen Mozartstädter Erfolgsweges den Verein.

Von den regelmäßig in der Öffentlichkeit auftretenden "Bullen"-Verantwortlichen ist somit nur noch Geschäftsführer Stephan Reiter übrig geblieben.

LAOLA1 traf Reiter und Freunds Nachfolger als Sportdirektor, Bernhard Seonbuchner, bei einer Medienrunde in der Red Bull Arena und sprach mit den beiden über die vielen Veränderungen im Verein, aber auch über jene Sachen, die gleich blieben und bleiben sollen:

"Jede Veränderung auch eine Chance"

"Es ist neu, es ist spannend. Jede Veränderung ist auch eine Chance", betont Reiter in seinem Eingangsstatement. Und der 52-Jährige ist froh, dass der Saisonstart trotz dieser Widrigkeiten perfekter kaum laufen hätte können.

Selbstverständlich war das nicht, nachdem Matthias Jaissle den Verein zwei Tage vor Bundesliga-Start abrupt Richtung Saudi-Arabien verließ.

"Wir sind der Ansicht, dass ein Trainer, der sich nur zwei Tage vor dem Start einer wichtigen Saison derart intensiv mit einem möglichen Klubwechsel beschäftigt, bei diesem Auftakt auch nicht dabei sein sollte. Wir wollen mit voller Energie und Überzeugung in die neue Saison starten. Dafür benötigen wir 100 Prozent Fokus von allen Beteiligten", war Reiter in einer Presseaussendung damals erbost darüber, dass Jaissle wohl hinter dem Rücken der Salzburger Verantwortlichen mit Al-Ahli verhandelte.

Mittlerweile hat sich der Ärger bei ihm gelegt. Die Ära Jaissle, in der unter anderem mit dem Einzug ins Achtelfinale der Champions League die größten Erfolge der Vereinsgeschichte erzielt wurden, war "retrospektiv eine fantastische Zeit. Sportlich waren wir extrem erfolgreich, wir haben zusammen viele tolle Momente erlebt. Das ist, was bei mir hängen bleibt. Das andere ist der Abschied, den man anders machen hätte können".

Verständnis für Jaissle

"Wenn man auf einmal die Möglichkeit hat, das Zehnfache netto zu verdienen, weiß ich nicht, ob jeder von uns sagen würde: Das interessiert mich null."

Reiter über Jaissle

Aber auch der sei bereits ad acta gelegt: "Das ist für mich erledigt. Der Fußball ist sehr dynamisch, da kann man nicht darauf bauen, dass es Verbindlichkeiten gibt."

Und verstehen kann Reiter Jaissles Schritt auch - allerdings nur aus finanzieller Sicht: "Wenn man auf einmal die Möglichkeit hat, das Zehnfache netto zu verdienen, weiß ich nicht, ob jeder von uns sagen würde: Das interessiert mich null. Das ist ein Stück weit menschlich. Es ist ja nicht die sportliche Herausforderung, die man in Saudi-Arabien sieht."

Anders als es bei einem abwanderungswilligen Spieler möglich gewesen wäre, hätte es beim 35-Jährigen keinen Sinn gemacht, auf einen laufenden Vertrag zu bestehen und bei Verhandlungen stur zu schalten.

"Dann wäre die Zusammenarbeit in der Folge ganz schwierig", so Reiter, der auf den wohl teuersten Trainer-Verkauf der Bundesliga-Geschichte stolz ist: "Am Ende muss man sagen, dass es für uns wieder ein super Transfer war. Am Ende des Tages hat jeder bekommen, was er wollte: Wir den uns zustehenden Transfererlös, Matthias den Job, den er wollte."

Und Salzburg hat zudem einen Coach bekommen, der so sehr für den Salzburger Weg steht, wie keiner seiner Vorgänger: Gerhard Struber.

Aufbruchsstimmung dank Struber und Seonbuchner

Der Kuchler arbeitete sich einst von der Red-Bull-Akademie bis zum FC Liefering nach oben und bekommt nun, mit etwas Verspätung, die Chance bei seinem "Herzensklub", wie der 46-Jährige Österreichs Serienmeister bezeichnet.

Dass jede Änderung, als auch jene auf dem Trainersektor, eine Chance sei, wiederholt Reiter sein Credo, sei an der Personalie Struber, der im Vergleich zu Jaissle den typischen Red-Bull-Powerfußball um den Tick stärker vertritt, besonders schön zu sehen:

"Ich spüre eine super Stimmung im ganzen Staff, im ganzen Klub. Ich wollte, dass wir mit Gerhard Struber trotz der ganzen Veränderung, die wir in den letzten Wochen und Monaten durchgemacht haben, Kollegen an Bord haben, die den Klub auswendig kennen", erklärt Reiter und meint damit auch die Verpflichtung von Bernhard Seonbuchner als Sportchef.

Ähnlich wie Struber hat sich auch Seonbuchner über viele Jahre im Mozartstädter Nachwuchs verdingt, nachdem er 27-jährig als Jugendtrainer zum Klub stieß.

Darum war Seonbuchner der logische Freund-Nachfolger

Im Sommer 2020 ließ er sein Trainerdasein hinter sich und übernahm die sportliche Leitung in der Red-Bull-Akademie. Als Freund den Klub Richtung Bayern verließ, war Seonbuchner ob seiner Kenntnisse der für die Klub-Identität so wichtigen Nachwuchsarbeit der fast schon aufgelegte Nachfolger als Sportdirektor.

"Bernie ist seit 13 Jahren hier, kennt genau so wie Gerhard die ganzen Abläufe, die handelnden Personen, unsere Spielphilosophie und alles drumherum. Man spürt bei den Mitarbeitern, dass das sehr positiv ist", so Reiter über seinen neuen engsten Mitarbeiter.

Zwar bedauere der einstige Quereinsteiger aus der Privatwirtschaft, der selbst schon über sechs Jahre beim Verein tätig ist, das Ende der Zusammenarbeit mit Freund, mit dem das Verhältnis "fast so eng wie in einer Beziehung" war, aber: "Solche Routinen sind eine gewisse Gefahr. Man macht es halt so, weil man es immer so gemacht hat", so Reiter.

Die Zusammenarbeit mit Seonbuchner sei dementsprechend völlig anders: "Er stellt mir viele Fragen, was gerade am Anfang wichtig ist. Er hinterfragt Prozesse, bespricht Dinge neu und gibt sich selbst den Raum, über viele Sachen nachzudenken und zu hinterfragen: Ist das richtig? Ist das noch zeitgemäß? Gehört was geändert?"

Seonbuchner privat "sehr viel im Bereich der Pferde unterwegs"

Seonbuchner war jahrelang als Jugendtrainer in Salzburg tätig
Foto: © GEPA

Er löchere Reiter momentan tatsächlich mit vielen Fragen, bestätigt Seonbuchner lachend, es gebe noch viele Abläufe in Erfahrung zu bringen. Nach knapp zwei Wochen im Amt fühlt sich der 40-Jährige, dank seiner Vergangenheit in der Red-Bull-Akademie, dennoch schon äußerst wohl:

"Ich kenne den Klub, die Einrichtung, die Struktur, die Philosophie, das Leitbild, die Kultur. Deshalb glaube ich, dass sich der Klub und ich wunderbar ergänzen."

Von Seonbuchner weiß man abseits des Sportlichen, außer dass er seine Flitterwochen gezwungenermaßen mit Coach Gerhard Struber verbringen musste, noch recht wenig. Der ehemalige Kicker, dem aufgrund von Knieproblemen nie eine Profikarriere zuteil wurde, verschafft Abhilfe:

Er fühle sich als gebürtiger Bayer in Österreich zuhause, wohnt in einem Haus am Salzburger Land. Dort wartet auf ihn ein reiner Frauenhaushalt bestehend aus Ehegattin, einer fünfjährigen Tochter und einer weiblichen Hündin. Aufgrund der Interessen von Gattin und Tochter sei er in der geringen privaten Zeit, die ihm momentan bleibt, "sehr viel im Bereich der Pferde unterwegs", verrät Seonbuchner schmunzelnd.

Seine Charaktereigenschaften?

"Ich würde mich als bodenständig, demütig, fleißig, ehrgeizig und zuversichtlich beschreiben, mit einer gewissen Verbindlichkeit. Ich bin jemand, der weiß, dass es etwas zu tun gibt, bevor es Erfolg gibt, und Erfolg nicht von ungefähr kommt", führt er aus.

"Immer, wenn das Spiel einfach aussieht, gab es wahrscheinlich eine sehr gute Vorbereitung darauf."

Bernhard Seonbuchner

Viele Salzburger trainierten einst unter Seonbuchner

Wichtig sei ihm aber auch eine gewisse Lockerheit zu behalten: "Denn wir dürfen uns im Kern mit einem Fußballspiel beschäftigen. Und das Wort Spiel hat für mich schon eine wichtige Bedeutung, der man sich immer wieder bewusst werden muss."

Es sei ihm wichtig gewesen, diese Botschaft den vielen Jugendspielern, die er während seiner Zeit als Akademie-Funktionär unter seinen Fittichen hatte, wie Konrad Laimer, Nicolas Seiwald oder Dijon Kameri, um nur einige Top-Talente zu nennen, mitzugeben.

"Ich kenne viele Spieler aus dem aktuellen Kader aus der Akademie. Es ist spannend, diesen Weg begleiten zu dürfen und sie auf einmal auf der großen Bühne zu sehen", so Seonbuchner.

Dass diese jungen Kicker auf diesem Niveau, nämlich der Champions League, so performten und performen, dürfte auch der (Mental-)Arbeit Seonbuchners zu verdanken sein:

"Es ist wichtig, die Spieler dorthin zu bekommen, dass sie bei sich sind, dass sie nicht großartig darüber nachdenken, wie es zu tun ist, während sie es tun. Weil es gibt viele Einflüsse: Fans, Medien, sehr, sehr gute Gegner."

Sein Credo lautet: "Immer, wenn das Spiel einfach aussieht, gab es wahrscheinlich eine sehr gute Vorbereitung darauf."

Dreistellige Millionentransfers? "Einkäufe oder Verkäufe?"

Bei solchen Aussagen spricht momentan wenig dafür, dass Salzburg trotz dieses Umbruchs auf der Führungsebene allzu bald von seinem Erfolgsweg abkommt.

Seonbuchner versteht seinen Job mit einer ähnlichen Herangehensweise, wie es sein Vorgänger tat: Wie Freund ist auch er der festen Überzeugung, dass man als österreichischer Verein nur mit einer kohärenten, auf starker Nachwuchsförderung aufbauenden Strategie im höchsten internationalen Bewerb mithalten kann.

Ob er die Erfolgsquote seines Vorgängers noch steigern kann, wird sich weisen. Nicht weniger als 25 Verkäufe jenseits der Zehn-Millionen-Marke hatte Freund zu verantworten, in seinen acht Jahren im Amt erwirtschaftete er ein Transferplus von über 400 Millionen Euro.

Auf die Frage, ob es in Salzburg eines Tages gar Transfers im dreistelligen Bereich geben wird, antwortet Seonbuchner mit einer Rückfrage: "Einkäufe oder Verkäufe?"

Auch wenn es sich dabei freilich um einen Scherz handelt, lässt sich daraus erahnen, dass in Salzburg weiterhin groß gedacht wird.

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