Fünf Spiele, fünf Siege, nach dem 2:1 im direkten Duell schon zum jetzigen Zeitpunkt zehn Punkte Vorsprung auf Rapid.
Der Erfolgslauf des SK Sturm Graz zu Beginn der Bundesliga-Saison ist vielleicht noch nicht unheimlich, konnte so jedoch nicht erwartet werden - auch nicht von den Protagonisten.
"Sicher wünscht man sich so einen Start, aber dass es dann wirklich Wahrheit wird, konnte man sich nicht vorstellen. Zehn Punkte Vorsprung auf Rapid sind natürlich ein Wahnsinn. Das ist ein sehr guter Polster, aber wir müssen dran bleiben, bodenständig bleiben und weiterarbeiten", erklärt Peter Zulj.
Dran bleiben ist ein guter Gedanke. Denn im traumhaften Starten und anschließenden Verspielen des Vorsprungs sammelten die Steirer schon in der vergangenen Saison Erfahrungen. Zumindest Zweiteres soll in dieser Spielzeit nicht mehr auf diese Art und Weise passieren.
Fünf Spiele, fünf Siege - LAOLA1 mit fünf Aspekten zum aktuellen Lauf der Grazer:
DIE NOTWENDIGE BODENHAFTUNG:
"Ein guter Start mit fünf Siegen ist wichtig, aber dass einer abhebt und glaubt, wir haben schon irgendetwas erreicht, wird es bei uns sicher nicht spielen."
Wer Franco Foda als Trainer hat, hört das Wort Demut gerade in Zeiten des Erfolgs des Öfteren. Das Gefühl, seine Spieler mit dem Lasso von ihrem Höhenflug einfangen zu müssen, plagt den Deutschen derzeit nicht. Nach dem Rapid-Spiel durfte gefeiert werden, ab Dienstag gilt der Fokus dem Gipfeltreffen mit Salzburg. "Ich glaube, dass die Mannschaft geerdet ist", sagt der 51-Jährige, "wir haben im letzten Jahr ja schon einmal einen guten Start hingelegt. Sie sollen den Moment genießen - es gibt im Fußball ja immer Höhen und Tiefen, da muss man die schönen Momente auch mal genießen, aber ab Dienstag heißt es volle Konzentration auf das nächste Spiel." Im Grazer Kader stehen auch einige jüngere Spieler beziehungsweise Akteure, die noch nicht in der Situation waren, von der Tabellenspitze zu lachen.
Die Gefahr, dass einzelne Kadermitglieder abheben, ortet auch Neuzugang Thorsten Röcher nicht: "Wir sind alle sehr bodenständig. Da ist keiner dabei, der glaubt, wir haben schon irgendetwas erreicht. Ein guter Start mit fünf Siegen ist wichtig, aber dass einer abhebt und glaubt, es ist schon irgendetwas da, wird es bei uns sicher nicht spielen. Wir müssen trotzdem jede Partie mit 100 Prozent angehen. Gegen St. Pölten haben wir gesehen, wie schnell du 0:2 hinten bist, wenn du einmal nicht so in der Partie bist. Jedes Mal drehst du es dann sicher nicht."
DIE KNAPPEN SIEGE:
"Ich glaube, wenn wir trotzdem immer gewinnen, wird er es überleben."
Gegen St. Pölten siegte Sturm in letzter Minute noch mit 3:2. Die bisherigen Saison-Ergebnisse: 3:2, 3:2, 3:2, 2:1, 2:1. Fünf Spiele, fünf Siege, plus fünf in der Tordifferenz. 2:1 hat neuerdings 3:2 als Standard-Resultat abgelöst. Bei aller Euphorie übersehen die Grazer nicht, dass bei so gut wie jedem Sieg mindestens ein Haar in der Suppe zu finden war. "Es gibt immer wieder etwas zu verbessern. Wir sind noch lange nicht dort, wo wir hinwollen", sagt Foda nach dem Sieg in Hütteldorf. Was angesichts der aktuellen Bilanz wie eine Drohung in Richtung Konkurrenz klingt, ist vielmehr das Wissen, dass die Ausbeute trotz der guten Leistungen bei ein bisschen weniger Spielglück auch geringer hätte ausfallen können.
Auch gegen Rapid erlaubte sich Sturm nach dem Anschlusstreffer der Wiener eine ziemlich wackelige Phase. Letztlich ist es aber auch eine Qualität, Schwächephasen zu übertauchen und trotzdem Wege zu finden, ein Spiel zu gewinnen. "Das ist schon auch Nervenstärke", findet Röcher, "manchmal hätten wir vielleicht höher gewinnen können, so wie letzte Woche gegen den WAC, wenn wir das 3:0 gemacht hätten. Wir können sicher noch daran arbeiten, effizienter zu werden. Aber bei Rapid kann man nicht erwarten, dass man 3:0 oder 4:0 gewinnt. Ich bin glücklich, dass wir gewonnen haben - wie hoch ist mir eigentlich scheiß egal." Foda monierte zuletzt meist, dass es seiner Mannschaft offenbar Spaß machen würde, ihn zu quälen, weil sie es gerne unnötig spannend macht. "Ich glaube, wenn wir trotzdem immer gewinnen, wird er es überleben", grinst Goalie Jörg Siebenhandl.
DIE STILLEN HELDEN:
"Wenn man die Flügel Hierländer und Potzmann sieht, was die jedes Spiel runterschrauben, auf und ab, auf und ab, das ist richtig krass! Das sind Maschinen!"
Siebenhandl hat sich als neuer Einser-Goalie etabliert, gehört aber vielleicht auch zu jenen Stammkräften, die ein wenig im Schatten anderer Protagonisten des Erfolgslaufs stehen. Viel wurde über die Youngsters Dario Maresic, Sandi Lovric und den zu Salzburg abgewanderten Romano Schmid geschrieben. Röcher oder Philipp Huspek schrieben mit ihren Scorer-Punkten Schlagzeilen, Stefan Hierländer fällt mit seiner Vielseitigkeit auf. Der größte Gewinner bisher ist aber vermutlich Zulj. Der Neuzugang aus Ried hat das schwarz-weiße Spiel von Beginn weg an sich gerissen. "Die Mannschaft hat es mir nicht schwer gemacht, ich habe mich vom ersten Tag an wohl gefühlt", erklärt der 24-Jährige, der die ihm gestreuten Rosen jedoch umgehend an jene Kollegen, die weniger im Rampenlicht stehen, weiterreicht.
So hat sich etwa Marvin Potzmann links in der Fünferkette als belebendes Element etabliert. Fabian Koch ist ohnehin die Zuverlässigkeit in Person - um nur zwei Beispiele für die stilleren Helden zu nennen. "Jeder ist wichtig - egal ob auf dem Feld, auf der Bank oder daheimgeblieben. Ich muss der ganzen Mannschaft ein Lob aussprechen. Wenn man zum Beispiel die Flügel Hierländer und Potzmann sieht, was die jedes Spiel runterschrauben - auf und ab, auf und ab - das ist richtig krass! Das sind Maschinen! Die sind auch wichtig für unsere Mannschaft - nicht nur die, die im Fokus stehen, weil sie die Tore machen", schwärmt Zulj.
DIE GEGLÜCKTE SYSTEMUMSTELLUNG:
"Wenn alle Innenverteidiger fit sind, gibt es auch wieder die Möglichkeit, Viererkette zu spielen und auf 4-4-2 umzustellen. Wichtig ist: Man bleibt variabel."
Potzmann und Hierländer sind auch zwei Protagonisten der Systemfrage. Zuletzt kehrte Foda relativ konstant von der über Jahre zumeist praktizierten Viererkette ab und setzte auf eine Variante mit Dreier- beziehungsweise Fünferkette. Potzmann ist auf der Seite ein Allrounder, Hierländer hat sich ohnehin als Sturms "Schweizer Taschenmesser" etabliert, schließlich könnte er auch alle Rollen im zentralen Mittelfeld übernehmen. Auch Rapid fand nicht genügend Mittel, um Sturms kompakten Abwehrblock zu knacken. "Die Jungs machen es super, egal wer drinnen steht", lobt Siebenhandl, "bei den Verteidigern hat es schon viele Wechsel gegeben, aber egal wer reinkommt, alle setzen es sofort um. Das sind alles intelligente Burschen, die sich sofort einfügen können. Wenn es heißt Viererkette, spielen sie Viererkette. Wenn es heißt Fünferkette, dann eben Fünferkette. Das ist alles eine Sache der Kommunikation, das machen wir wirklich gut."
Zu behaupten, das Erfolgssystem ist Foda ein wenig passiert, wäre wohl zu frech. Aber die aktuelle Konstellation mit den Außenverteidigern Koch und Charalampos Lykogiannis in der Dreierkette war so definitiv nicht geplant. "Es hat sich einfach so ergeben, da wir einige Verletzungen hatten. Auch gegen Rapid darf man nicht vergessen, dass wir mit Dario Maresic nur mit einem gelernten Innenverteidiger von Beginn an gespielt haben, und später mit Christian Schoissengeyr, der Gott sei Dank wieder fit ist. Also mussten wir halt improvisieren und umstellen. Wir haben nach Lösungen gesucht, dann hat sich das so entwickelt. Wir haben daran gearbeitet und versuchen das jetzt weiterzuentwickeln", schildert Foda.
Schoissengeyr hat seine ersten Bundesliga-Minuten nach langer Verletzungspause in den Beinen, Lukas Spendlhofer nähert sich seinem Kampfmannschafts-Comeback und auch der immer wieder mit Wehwehchen kämpfende Kapitän Christian Schulz ist weiter im Mix. Die größere Auswahl an Innenverteidigern möchte Foda dann für wirkliche Flexibilität nutzen: "Wenn alle Innenverteidiger fit sind, gibt es auch wieder die Möglichkeit, Viererkette zu spielen und auf 4-4-2 umzustellen. Wichtig ist: Man bleibt variabel."
DIE UNDERDOG-ROLLE:
"Man muss sich ja nur die Summen anschauen, die Salzburg zur Verfügung hat. Aber am Platz entscheidet nicht das Geld, sondern die Spieler."
Sofern nicht gerade ein Team aus Wien den Meisteranspruch stellt, gibt es in der Bundesliga inzwischen seit Jahren die klare Regel, dass der Titel ausschließlich über Salzburg führt. Dies bietet Sturm gerade im Hinblick auf den Gipfel mit den "Bullen" am Sonntag (16:30 Uhr) eine komfortable Ausgangsposition. Es gibt wohl nicht allzu viele nach fünf Runden ohne Punktverlust dastehende Spitzenreiter, die mit gutem Gewissen, aber trotzdem selbstbewusst, die Underdog-Karte ausspielen können - noch dazu vor einem Heimspiel. "Salzburg ist der Favorit, die haben ein ganz anderes Budget als Sturm Graz. Aber wir haben fünf Siege, sind Erster und wollen natürlich auch dieses Spiel gewinnen. Es ist ganz klar, dass wir nicht reingehen und sagen, wir sind mit einem Unentschieden zufrieden", meint Röcher.
Zulj sieht es ähnlich: "Man muss sich ja nur die Summen anschauen, die Salzburg zur Verfügung hat. Aber am Platz entscheidet nicht das Geld, sondern die Spieler. Wir werden wieder Vollgas geben. Es ist ein Heimspiel, dann sind noch mehr Fans da, hoffentlich wird das Stadion ausverkauft sein. Dann ist alles möglich, auch wenn der Gegner Salzburg heißt."