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Dejan Stojanovic: Dorthin zurück, wo alles begann

Dejan Stojanovic ist zurück im Ländle. Ein Gespräch über Derbys, die Auf und Abs der Karriere – und wie er in der Berufsschul-Kantine vom Profidebüt erfuhr.

Dejan Stojanovic: Dorthin zurück, wo alles begann Foto: © GEPA

Am Samstag kommt es im Ländle zum Showdown: Im ersten Derby der Saison empfängt Austria Lustenau den SCR Altach (ab 19:30 Uhr im LIVE-Ticker >>>).

Die Rivalität zwischen beiden Fangruppen ist groß, eine heiße Partie ist zu erwarten. Es ist zudem das letzte Derby im alten Reichshofstadion, im Winter rollen die Bagger an.

In der vergangenen Saison konnte Altach kein einziges Duell für sich entscheiden, drei Siege und ein Remis drehten die Allzeit-Bilanz zugunsten der Grün-Weißen (13 Siege, elf Niederlagen, acht Unentschieden). 

Dass man im Lager der Rheindörfler diese Statistik verbessern will, steht außer Frage. "Auf jeden Fall, wir wollen drei Punkte machen", sagt Torwart Dejan Stojanovic (30).

Man sei gut vorbereitet, freue sich. "Unterbewusst sind vielleicht doch noch die paar Prozent mehr Motivation da", sagt er. Ständig höre man nur mehr "Derbywoche", es sei speziell.

Schere ausgefahren - Stojanovic steht wieder in Vorarlberg zwischen den Pfosten
Foto: © GEPA

Rückkehr ins gewohnte Umfeld

Stojanovic ist wieder zurück im Ländle, unterschrieb in Altach einen Vertrag bis 2025, mit Option auf ein weiteres Jahr. Für den Bregenzer war die Rückkehr nach Vorarlberg nur logisch, nachdem er zuvor zwölf Jahre im Ausland war.

"Ich habe mit der Familie schon länger den Drang gespürt, wieder heimzugehen", so Stojanovic. Es tue ihm gut, die bekannten Gesichter zu sehen. Zudem ist er mittlerweile Papa, da sei es natürlich ein großes Thema, die Familie um sich zu haben.

Und vom Fußballerischen habe sich ja nicht allzu viel verändert – die Abläufe im Fußball würden auch bei wechselnder Umgebung gleich bleiben. Wenngleich der Transfer zu Altach auch sportlich Sinn gemacht hat. Nach Jahren der Auf und Abs sei es wichtig gewesen, wieder Spielpraxis zu bekommen. 

Im Ländle habe sich ohnehin viel getan in den letzten Jahren. Vier Teams auf Profiebene im kleinen Bundesland – "das sagt viel über alle aus, die involviert sind." Altach spielt bereits seit 2014 durchgehend in der Bundesliga, da müsse man Respekt zollen, so Stojanovic. Gegner Austria Lustenau ist erst seit letztem Jahr dabei.

Nach der Jause ist vor dem Derby

Mit der Austria und dem Reichshofstadion verbindet Stojanovic ein ganz besonderes Spiel - sein Debüt. Seine Karriere nahm dort ihren Lauf. Am letzten Spieltag der Saison 2009/10 kam er unverhofft erstmals zum Einsatz in der 2. Liga, die damals noch "Erste Liga" hieß.

Er war 16 Jahre alt, beim FC Lustenau als Akademiespieler eigentlich nur dritter Torwart. "Das war damals ganz eine lustige Geschichte", meint Stojanovic und fängt an zu lachen. Am Spieltag selbst war er nämlich noch in der Berufsschule, saß mit seiner Jause in der Kantine. 

Stammtorhüter mit 17, "Benjamin des Jahres" - der Hype um Stojanovic war groß
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Der damalige Sportdirektor des FC Lustenau schickte ihm dann eine SMS, erkundigte sich nach Stojanovics Befinden. Ja, eh super. Zeit für Nervosität gab es nicht, am Abend stand er beim Lustenauer Derby zwischen den Pfosten.

Vor 4.900 Zuschauern gewann der FC im Reichshofstadion mit 2:1, die "Vorarlberger Nachrichten" riefen den jungen Keeper zum "Helden der Partie" aus, da Stojanovic in der Schlussphase noch zweimal glänzend parierte.

Der Stellenwert der Derbys sei damals hoch gewesen. "Ich kann mich erinnern, wie viel im Stadion los war, wie viele Emotionen dabei waren. Schon in der Vorwoche war immer viel Trubel", blickt Stojanovic zurück. Der Erfolg beim Debüt blieb aber sein einziger Sieg in einem Ländle-Derby. Gegen Altach gab es noch ein 2:2, ansonsten setzte es nur Niederlagen.

2010 kämpfte sich Stojanovic zur Nummer eins hoch, wurde mit dem Nachwuchspreis "Benjamin des Jahres" ausgezeichnet. Die Welt in Lustenau war zu klein für das Riesentalent, auch andere Vereine wurden auf den 17-Jährigen aufmerksam. Speziell in Italien interessierte man sich für den Torhüter, auch der damalige Champions-League-Sieger Inter Mailand soll Interesse signalisiert haben. 

"Am Anfang habe ich das lockerer gesehen als jetzt. Vielleicht war es meine Unbekümmertheit, die mir geholfen hat, das zu verarbeiten."

Dejan Stojanovic, über den Hype in der Jugend

Ob der Hype um seine Person für einen 17-Jährigen nicht schwer zu verarbeiten gewesen sei? "Am Anfang habe ich das eher lockerer gesehen als jetzt. Vielleicht war es auch meine Unbekümmertheit, die mir geholfen hat, das gut zu verarbeiten. Wenn ich das Ganze jetzt betrachte, sehe ich das viel größer, als es damals der Fall war", meint Stojanovic.

Die Karriere nach dem Hype

Im Sommer 2011 wagte Stojanovic den Sprung zum FC Bologna. "Die Perspektive war sehr gut. Ich war als Dritter Tormann gleich in der ersten Mannschaft dabei", erzählt er.

Das sei ihm wichtig gewesen. Zum Einsatz kam er aber fast nur in der Primavera B, mit der U19 des Vereins. In der Serie A stand Stojanovic nur fünf Mal zwischen den Pfosten.

Stojanovic spielte fünf Serie-A-Partien für Bologna, einmal schenkte ihm Miro Klose fünf Tore ein
Foto: © getty

Bei einem Einsatz schenkte ihm Miroslav Klose – WM-Rekordtorschütze und später Trainer beim SCR Altach – gleich fünf Tore ein. 

Auch beim FC St. Gallen, wo er zwischen 2016 und 2020 spielte, blieb ihm zunächst nur die Reservistenrolle, mit Daniel Lopar hatte er eine Vereinslegende vor sich.

"Das erste Jahr war schwierig für mich. Aber ich habe auch eine Chance gesehen, mich durchzusetzen", so Stojanovic. Der sich den Stammplatz zwischen den Pfosten erarbeitete, 81 Spiele für den Klub machte.

Heute spricht er von einer sehr positiven Zeit. Er wechselte dennoch im Winter-Transferfenster in die Championship - zum FC Middlesbrough.

"Mit dem Wechsel zu Middlesbrough war ein Sprung ins Ungewisse verbunden. Aber jeder träumt davon, in England zu spielen."

Dejan Stojanovic über den Transfer auf die Insel

"Damit war sicher ein Sprung ins Ungewisse verbunden. Aber ich denke, jeder Fußballer träumt davon, in England zu spielen", meint Stojanovic. Zunächst hieß es, er müsse sich an das neue Umfeld gewöhnen. Neun Spiele saß er auf der Tribüne, neun Spiele gab es keinen Sieg. 

Beim 1:0 gegen Charlton Athletic spielte Stojanovic erstmals – dann legte die Covid-Pandemie alles auf Eis. "Dann war ich erst mal drei Monate mit meiner Freundin allein im Garten." Stojanovic spielte zwar nach dem Restart den Rest der Saison, spielte aber anschließend keine Rolle mehr in den Planungen des Klubs. 

Eine Riesenchance und die Steine im Weg

Was folgte, war eine Leihe nach Hamburg. 2. Bundesliga, Kiez, Totenkopffahne am Millerntor. Der FC St. Pauli stand damals auf Platz 17, hatte mickrige neun Punkte in 13 Spielen geholt - startete mit Stojanovic im Tor in der Rückrunde durch und holte satte 38 Zähler.

Der Rivale HSV wurde im Derby 1:0 geschlagen, wenn auch vor leeren Rängen. Da habe man dennoch gemerkt, welche Energie im Verein stecke.

"Bei der Anfahrt zum Stadion haben die Fans schon Feuerwerkskörper geschossen, vor dem Stadion warteten Tausende, zu einer Zeit als das eigentlich verboten war", kommt Stojanovic ins Schwärmen. Und fügt hinzu: "Es war eine Riesenchance, dort zu bleiben, aus meiner Sicht war das perfekt."

Ein Verbleib in St. Pauli wäre für Stojanovic "perfekt" gewesen - es scheiterte an Middlesbrough
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St. Pauli wollte ihn kaufen, Stojanovic wollte bleiben – und Middlesbrough wollte Geld. Zu viel Geld, verstanden habe das keiner.

"Ich finde, ich habe vom Verein immer wieder Steine in den Weg gelegt bekommen", so Stojanovic. Nicht mal der Trainer bei Middlesbrough habe von der Forderung Bescheid gewusst. Gebraucht hat er den Keeper jedenfalls nicht.

Statt Stammplatz in der 2. Bundesliga folgte die Rückkehr auf die Insel. Als dritter Torwart kam Stojanovic zu keinem einzigen Einsatz. "Ich habe eigentlich nur für mich selbst trainiert - mit dem Wissen, dass ich die Chance eh nicht bekommen werde."

Um sich wieder ins Rampenlicht zu spielen, ging Stojanovic im Winter wieder per Leihe nach Deutschland. Wohlwissend, dass der FC Ingolstadt bereits damals auf dem besten Weg zum Abstieg war. 

"Selten so einen unprofessionellen Verein gesehen"

Zur Saison 2022/23 wechselte Stojanovic zu Jahn Regensburg. "Es gab viele Sachen, wo ich rückblickend vielleicht anders entschieden hätte", sagt Stojanovic über seine Karriere. Regensburg ist da explizit mitgemeint. "Ich habe selten so einen unprofessionellen Verein gesehen wie Jahn Regensburg", ist Stojanovic nicht um Worte verlegen. 

"Ich habe gemerkt, dass der Trainer gegen mich arbeitet. Er hat sein Ding durchgezogen, ich habe gemerkt, dass das nicht gut gehen kann."

Dejan Stojanovic über Ex-Coach Mersad Selimbegovic

"Sie wollten mich unbedingt", so Stojanovic. In 14 Spielen spielte er sechs Mal zu Null, im Winter zog er sich eine Sprunggelenksverletzung zu. "Das hätte vielleicht drei Wochen gedauert, um wieder fit zu werden."

Trainer Mersad Selimbegovic vertraute nicht darauf, wollte noch einen Keeper holen. "Ich habe gemerkt, dass er gegen mich arbeitet", so Stojanovic. Alle möglichen Personen habe der Trainer "rausgehaut" – Sportdirektor, Torwarttrainer, seinen Co-Trainer.

"Er hat sein Ding durchgezogen. Da habe ich schon gemerkt, das kann nicht gut gehen", sagt Stojanovic. Regensburg stieg ab, Stojanovic spielte da schon längst nicht mehr.

"Es hat ja keiner im Verein ihm seine Meinung sagen können – ich habe es mir aber zu Herzen genommen", so der 30-Jährige. Nach der Meinungsbekundung (Stojanovic: "Nicht beleidigend, sondern hochprofessionell"), saß er mal auf der Bank, meist auf der Tribüne.

Ein Ziel gibt es noch

Bei Altach ist er nun wieder gesetzt. Will wieder zeigen, was er kann. Und sich für das Nationalteam empfehlen. "Ich glaube weiterhin an meine Chance, es ist immer noch möglich", sagt er. Bereits in der Vergangenheit gab es Kontakt zum damaligen ÖFB-Tormanntrainer Robert Almer. "Der hat sich auch immer sehr positiv geäußert", so Stojanovic. 

Für das ÖFB-Team stand Stojanovic bereits zwei Mal auf Abruf, in den Kader schaffte er es noch nie. Auch im U19-Team kam er trotz drei Einberufungen auf keinen Einsatz, damals spielte Richard Strebinger. Stattdessen gab es drei Einsätze für die nordmazedonische U21.

"Ich glaube weiterhin an meine Chance, es ist immer noch möglich."

Dejan Stojanovic über den Traum vom ÖFB-Team

Ob er nicht manchmal das Gefühl habe, dass in seiner Karriere nach dem steilen Aufstieg mehr möglich gewesen wäre? Stojanovic antwortet diplomatisch: "Ich bin niemand, der Dingen nachtrauert. Ich denke mir eher, dass Dinge schon aus einem bestimmten Grund passieren."

Er habe viel gelernt – als Spieler, wie auch als Mensch. "Was ich in meiner Karriere erfahren habe ist, dass, wenn du nicht locker lässt, immer Vollgas gibst - dass es sich schlussendlich immer auszahlt."

Vielleicht reicht es ja wirklich noch für das ÖFB-Team. Erst geht es aber nach Lustenau, ins Reichshofstadion – dorthin, wo alles begann.

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