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Die Vienna als (un)typischer Aufsteiger

Analyse: Das macht den Kader der Döblinger aus.

Die Vienna als (un)typischer Aufsteiger Foto: © GEPA

Fünf Spiele ungeschlagen, neun Punkte – trotz starker Gegner ein Traumstart für die Vienna bei ihrem Comeback in der Admiral 2. Liga.

Handelt es sich bei den Döblingern um einen typischen Aufsteiger oder musste man von Haus höhere Ansprüche anmelden?

Ein detaillierter Blick auf den Kader:

Zwei Siege gegen die letztjährigen Spitzenteams Blau-Weiß Linz und FAC, danach drei 1:1-Remis gegen St. Pölten, Liefering und die Admira. Coach Alexander Zellhofer hat sein Team auf das für diese Liga notwendige Spiel eingestellt.

Es klingt wie ein (schlechtes) Märchen aus Tausendundeiner Nacht, dass man eine Woche vor Ligastart noch gegen einen Regionalliga-Aufsteiger wie Siegendorf in letzter Minute der Verlängerung (!) durch einen Kontertreffer (!!) über die ganze Länge des Platzes (!!!) den Ausgleich kassieren musste (und dann im Elferschießen ausschied).

Mit Saisonstart war dann Safety First angesagt, das zentrale Mittelfeld mit drei Sechsern zugestellt, vorne halfen Standards (schon in der Ostliga eine große Waffe) und Fehler des Gegners wie beim FAC-Spiel. Nach diesen zwei Erfolgen fand die Truppe eine bessere Balance zwischen Defensive und Offensive, auch wenn das kurioserweise "nur" zu drei Remis führte.

Vielleicht die beste Szene der Blau-Gelben in der ganzen Saison: Der Führungstreffer von Stephan Auer gegen St. Pölten, als neben dem Torschützen mehrere Döblinger beim Pass von Kapitän Bernhard Luxbacher explosionsartig in die freien Räume vorstießen.

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Untypische Routiniers

Grozurek, Alar und Daniel Luxbacher
Foto: © GEPA

Dass die Vienna kein typischer Aufsteiger mit limitierten Mitteln ist, zeigt ein Blick auf den Kader. Goalie Andreas Lukse (89 Bundesligaspiele), Stephan Auer (227), Daniel Luxbacher (139), Lukas Grozurek (191), Deni Alar (273) und Tomas Simkovic (128) wiesen insgesamt mehr als 1000 Bundesligaspiele auf (von ihren Auslandsstationen ganz abgesehen). Sie alle kamen schon während der Ostliga-Zeit auf die Hohe Warte, vier von ihnen (Auer, Grozurek, Alar und Simkovic) im letzten Winter.

Ein solch erfahrenes Sextett wies bei Saisonbeginn kein anderes Zweitliga-Team auf und alleine mit ihren Gehaltszetteln könnte man sicher die Kader von Abstiegskandidaten wie Kapfenberg oder Dornbirn zu einem Großteil finanzieren.

Auf dem Platz sieht es allerdings anders aus: Tomas Simkovic brachte aus der letzten Saison eine Knieverletzung mit, spielte heuer keine Minute, ehe er mit 35 noch einmal ein Angebot seines letzten Teams FK Riga FS erhielt, für das ihm Sportdirektor Markus Katzer auch die Freigabe erteilte.

Daniel Luxbacher fiel nach durchwachsenen Auftritten aus der Startformation, für die Alar schon seit dem Frühjahr kein Thema mehr ist. Alars Ausgleich gegen die Admira am Freitag war überhaupt der erste Treffer (von drei insgesamt) des Ex-Rapidlers, der zu einem Punktegewinn beitrug.  

Damit bleiben nur mehr Lukse, Auer und Grozurek (ersetzte praktisch Daniel Luxbacher) als Startkräfte – der Rest des Kaders kommt eher anderen Zweitligisten gleich. Was auffällt?

Untypische Altersstruktur

Bernhard Luxbacher und Thomas Kreuzhuber
Foto: © GEPA

Sieben Spieler haben den 30er erreicht oder überschritten.

Der Großteil des 27-Mann-Kaders – 18 Spieler – ist 23 Jahre oder jünger.

Zum Mittelalter gehören nur Bernhard Luxbacher (27) und Verteidiger Thomas Kreuzhuber (28).

Eine Zusammenstellung, die in der Liga keine Parallelen hat, vor allem wenn man die Zweitteams wegrechnet.

Typische Lebensläufe

Die Stamm- und Schlüsselspieler – von Auer, Lukse und Grozurek abgesehen – verfügen dagegen über Karrieren, die sich von denen anderer Ligaspieler nicht unterscheiden:

Noah Steiner (23) und Kreuzhuber als Innenverteidiger. Der aus dem Austria-Nachwuchs stammende Steiner kam bei Schwechat oder St. Pölten (trotz einiger Bundesliga-Einsätze) nicht weiter, sah nach einem typischen Akademie-Produkt aus, das sich neben dem Studium durch Unterliga-Kicken etwas dazuverdiente. Seine Entwicklung unter Zellhofer gestaltete sich aber eindrücklich – körperlich wuchtig (trotzdem fast ohne Fouls auskommend), bei Standards gefährlich und zuletzt auch mit weit verbessertem Spielaufbau.

Kreuzhuber ist ein Ostliga-Urgestein ohne Profi-Status. Sein Verbleib im Sommer war daher fraglich, jetzt bildet er mit Steiner die Innenverteidigung, kommt wie dieser fast völlig ohne Fouls aus und spielt seinen Part trocken runter.

Linksverteidiger Cedomir Bumbic (22) – nach Stationen bei Schwechat und Wr. Neustadt als Vereinsloser von Katzer auf die Hohe Warte geholt, seitdem Stammkraft. Sein mächtiger Bums mit links kam auf den offensiven Außenbahnen besser zur Geltung als jetzt als Linksverteidiger, dafür verbesserte er als Nachfolger von Jiri Lenko sein Defensivspiel.

Dazu kommt noch Eigengewächs Kerim Abazovic, dessen Foul gegen Lukas Malicsek ihn ins schiefe Licht rückte. Davon abgesehen ist der 18-jährige seit der letzten Saison unbestrittener Stammspieler, ersetzte erst den verletzten Kreuzhuber in der Innenverteidigung, heuer rückte er neben Neuverpflichtung Marco Sulzner (19) auf die Doppel-Sechs. Wie Steiner bei Standards nur schwer zu verteidigen, er erreicht nach Anlaufen einen sehr hohen Luftstand.

Alles Spieler, deren Lebensläufe mit denen eines typischen Zweitliga-Kickers vergleichbar wären. Das gilt neben LASK-Leihgabe Sulzner auch für Nils Zatl (30), bei Horn und FAC ebenfalls eine laufstarke Offensivkraft mit Torgefahr. Nach einem Kreuzbandriss und einem halben Jahr Pause stieß er im Winter zur Vienna, war im Ostliga-Titelkampf vielleicht die wichtigste Verpflichtung. Derzeit wechselt er mit Grozurek zwischen der linken Offensivseite und der Stoßspitze, Zellhofer ("Ich greife nur bei einer Systemumstellung ein") gibt den beiden dabei relativ freie Hand.

Drei junge Neue

Katzer mit Owusu, Velimirovic und Wunsch

Nach dem Simkovic-Abgang erweiterte Sportdirektor Katzer den Kader mit den freigewordenen Mitteln um drei Spieler. Zellhofer muss nach dem erfolgreichen Saisonstart diese Neuverpflichtungen nicht stante pede einbauen, hat aber deren Rollen für die Zukunft natürlich schon im Kopf.

Den 21-jährigen Dalibor Velimirovic (seit Sommer ohne Engagement) sieht der Coach trotz starker Konkurrenz (Sulzner, Abazovic, Marcel Toth, Bernhard Luxbacher) als Sechser, er braucht aber natürlich noch Mannschaftstraining. Die Offensive verstärken sollen der ebenfalls von Rapid gekommene 21-jährige Nicholas Wunsch (Zellhofer: "Achter, Zehner oder ganz vorne") und der aus Liefering geholte 19-jährige Daniel Owusu ("Linke offensive Außenbahn oder in der Spitze").

Was passiert im Winter?

Die Blau-Gelbe Defensive agiert seit Saisonbeginn überaus stabil, offensiv ist noch Luft nach oben. Bezeichnend dafür: In allen sechs Pflichtspielen der Saison konnte die Vienna keinen einzigen Freistoß in Schussdistanz herausarbeiten (der letzte Elfer stammt noch aus Wiener-Liga-Zeiten!). Der 21-jährige Israeli Itamar Noy (neben Sulzner der einzige Neuzugang vor Saisonstart) war in den ersten Runden der offensive Schlüsselspieler für die Blau-Gelben.

Die unmittelbare Zukunft für die Vienna liegt sicher in der ersten Tabellenhälfte, wenn nicht auf, dann in Schlagdistanz zu den ersten vier Rängen (zum Aufstieg bzw. Relegation berechtigt). Auch wenn die Hohe Warte in ihrer derzeitigen Fasson nicht bundesligawürdig ist, wird sich die Führungsriege im Winter doch darüber den Kopf zerbrechen müssen, ob sie für den Fall der Fälle um eine Lizenz ansucht oder nicht.

Eher den Plänen entsprechend wäre ein Herantasten an die oberste Spielklasse in den nächsten Jahren, parallel zu einer Sanierung (Rasenheizung, Gegentribüne nur als offensichtlichste Baustellen) der Spielstätte. Auch wenn ein guter Teil der Mittel in diese Baumaßnahmen investiert werden muss, sollte die Geldgeberriege um Uniqa und Immo United genug überlassen, um für einen eventuellen Titelkampf ligauntypische Mittel bereitzustellen…


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