news

"Meine Verletzung hätte eine gute Lektion sein können"

Lindsey Vonn ist wieder da.

Zwar nicht im Ski-Weltcup, aber im Schneetraining.

Geht es nach der 29-Jährigen, ist das rennmäßige Skifahren aber nur noch eine Frage der Zeit.

Dennoch will sich die 29-Jährige nach zwei Knie-Operationen und langer Pause mehr Zeit nehmen und nichts überstürzen.

"Ich darf mich nicht noch einmal verletzen. Das muss jetzt die letzte Verletzung gewesen sein", weiß die US-Amerikanerin, dass eine weitere Blessur ihr Karriere-Ende bedeuten würde.

Aus diesem Grund trainierte die Freundin von Tiger Woods im Sommer so hart wie nie zuvor. "Punkto Fitness bin ich sicher so fit wie noch nie."

Welche Rekorde sie brechen will, wie lange sie fahren will, ihre härtesten Momente und warum sie sich auf das Mutter-Dasein freut, erzählt sie im Interview.

Frage: Willkommen zurück. Sie waren lange verletzt und haben viele Rennen verpasst. Wie geht es Ihnen derzeit?

Lindsey Vonn: Danke, ganz ausgezeichnet. Ich bin endlich wieder Ski gefahren und hatte keine Schmerzen. Es ist ein super Gefühl, wieder auf Schnee zu sein und wieder Ski zu fahren.

Frage: Die letzten drei Jahre Ihres Lebens waren extrem. Wie sind Sie damit umgegangen?

Vonn: Diese Jahre haben sicherlich viel verändert. Zuerst die Scheidung, dann das mit Tiger, die Versöhnung mit meinem Vater und dann die schweren Verletzungen. Es war echt hart, damit klar zu kommen. Aber ich habe immer gekämpft, hatte jeden Tag ein Ziel. Als ich dann nicht bei Olympia in Sotschi dabei war, habe ich in mich rein gehört und die Antwort bekommen, dass ich meine Ziele noch nicht erreicht habe. Also habe ich mich nochmals für vier Jahre motiviert. Ich möchte mein Abfahrtsgold verteidigen, die nächste Chance dafür ist Korea 2018.

Frage: Sie haben zusammen mit einer PR-Agentur ausgerechnet, dass Sie in Ihrem Comeback-Camp der vergangenen sieben Monate 1.300 Liter Schweiß vergossen, 1.560 Tonnen Gewicht gestemmt und 6.500 Kilometer mit dem Rad gefahren sind. Warum dieser Extra-Einsatz?

Vonn: Ganz einfach. Ich darf mich nicht noch einmal verletzen. Das muss jetzt die letzte Verletzung gewesen sein. Deshalb muss ich hundertprozentig fit sein. Ich war praktisch jeden Tag in der Kraftkammer. Das war auch ein bisschen langweilig und manchmal gar nicht schön. Aber jetzt bin ich wieder bereit für das Skifahren.

Lindsey Vonn bei ihren ersten Schwüngen schon fast die Alte

Frage: Sind Sie körperlich so stark wie noch nie?

Vonn: Ich habe sicher viel mehr Gewicht gemacht als jemals zuvor. Und so viele Kniebeugen wie noch nie. Wie es dann auf Schnee aussieht, weiß man natürlich nie. Aber punkto Fitness bin ich sicher so fit wie noch nie.

Frage: Welcher war der härteste Moment nach der neuerlichen Verletzung?

Vonn: Die schwierigste Zeit waren sicher die ersten zwei Monate nach der Operation. Da konnte ich gar nichts machen, lag nur im Bett oder war bei der Reha. Ich brauche aber immer ein Ziel. Ich muss müde sein, wenn ich mich am Abend ins Bett lege. Als ich dann endlich wieder trainieren konnte, ging es mir gleich viel, viel besser.

Frage: Sie waren auf dem besten Weg, auch die letzten noch bestehenden Ski-Rekorde wie die 62 Weltcupsiege ihres Idols Annemarie Moser-Pröll zu verbessern. Dann kam der Sturz beim grenzwertigen WM-Super-G 2013 in Schladming. Der hat vermutlich sehr viel kaputt gemacht bei Ihnen. Sind Sie auf jemanden böse?

Vonn: Ich kann nicht böse sein, denn man kann nicht rückwärtsgehen. Es geht vielmehr um die Sicherheit in der Zukunft. Meine Verletzung hätte eine gute Lektion sein können, damit so etwas nicht mehr passiert. Und dann passiert es beim Weltcup-Finale und der Verletzung von (Klaus, Anm.) Kröll erst wieder. Auch dieses Rennen hätte man nie starten sollen. Ich hoffe, man lernt endlich daraus. Ich kann nicht mehr tun als zu reden, wenn ich glaube, dass es nicht startbar ist. Aber ich kann nicht entscheiden, ob man auf mich hört oder nicht.

Frage: Haben die Verletzungen etwas an Ihrer Karriere-Perspektive geändert? Einige Rekorde werden sich nun womöglich doch nicht mehr ausgehen.

Vonn: Nein, das hat nichts geändert. Ich fahre bis 2018, also habe ich vier Jahre, um diese Rekorde zu schaffen. In den Jahren vor den Verletzungen habe ich acht bis zwölf Rennen pro Saison gewonnen. Wenn ich so fit bin wie vorher, kann ich das also doch noch schaffen.

Frage: Sie gelten als eher ungeduldiger Mensch. Heißt die größte Herausforderung nun Geduld?

Vonn: Ja. Das schwierigste wird, diese Geduld aufzubringen. Aber ich habe ja nicht nur nächste Woche oder einige Monate, sondern noch vier ganze Jahre. Ich möchte prinzipiell immer noch Vollgas geben, egal ob im Training oder im Rennen, also immer 100 Prozent. Da muss ich in Zukunft aber etwas zurücknehmen und manchmal zufrieden sein mit dem, was gerade ist.

Frage: Was sehen Sie in der Zukunft, auch abseits des Rennsports?

Vonn: Hoffentlich auch eine Familie. Ich möchte irgendwann mit meinen Kindern Skifahren gehen. Außerdem habe ich eine Kinder-Foundation gegründet. Man weiß prinzipiell aber nie, was noch kommen wird. Aber Kinder wären echt cool.

Frage: Werden Sie später in den Bergen leben oder eher am warmen Strand?

Vonn: Es wird eine Mischung werden. Ich bin so oft in der Kälte, da brauche ich auch den Beach und den Sonnenschein. Skifahren wird aber immer in meinem Herzen sein. Ein bisschen was von beidem wäre perfekt.

Frage: Sie werden am 18. Oktober 30 Jahre alt. Wie gehen Sie damit um?

Vonn: Ich habe ja noch einige Tage und die werde ich genießen. Danach bin ich ziemlich alt. (lacht)

Frage: Ist es für Frauen schwieriger, eine Sport-Karriere auszudehnen?

Vonn: Ja sicher. Deshalb fahren die Frauen ja nicht so lange, während bei den Herren 42-Jährige gewinnen. Bei uns geht das eben nicht. Ob man wie gerade Sarah Schleper Kinder kriegen und dann wieder fahren kann? Ich weiß nicht. Es ist ein bisserl unfair, aber es ist so. Wenn ich aber meine Ziele bis 2018 erreicht habe, bin ich 33. Also habe ich noch Zeit.

Frage: Sowohl Sie als auch ihr Freund Tiger Woods arbeiten gerade an Comebacks nach Verletzungen. Wie kann man sich das vorstellen? Gehen Sie sich da daheim auch mal auf den Wecker?

Vonn: Wir trainieren zusammen, haben aber natürlich unterschiedliche Programme, weil die Verletzungen anderer Natur sind. Er ist ein harter Arbeiter und ein Super-Vorbild für mich. Ich denke, ich für ihn auch ein wenig. Das Einzige, das uns auf die Nerven geht, ist, dass wir nicht bei Wettbewerben sind. Wir brauchen beide die Wettkämpfe. Deshalb freuen wir uns schon beide, wenn wir zurück sind und nicht mehr bei der Reha.