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Eine grandiose Karriere geht zu Ende

Eine grandiose Karriere geht zu Ende

Mit Benjamin Raich ist am Donnerstag ein echter "Sir" von der alpinen Skibühne abgetreten.

In 18 Saisonen hat der Doppel-Olympiasieger und dreifache Weltmeister aus Tirol 36 Weltcupsiege geholt und sechs Disziplinen-Kugeln gewonnen.

Was Raich neben den konstanten Erfolgen auszeichnete, war sein Charakter. Der Tiroler verlässt den Sport als erfolgreichster aktiver Rennläufer und als Vorbild.

1996 erstmals im Weltcup

Denn neben den vielen Erfolgen in fast 20 Weltcup-Jahren wird man sich wohl lange vor allem an Raichs stets faires Verhalten erinnern. 441 Rennen hat er alleine im Weltcup bestritten, ein böses Wort hat man aus dem Mund des untadeligen Sportsmannes aus Tirol, der bald zum ersten Mal Vater wird, nie gehört.

Mit 18 Jahren tauchte der am 28. Februar 1978 geborene, ehemalige Stams-Schüler Raich erstmals im Ski-Weltcup auf. Als er im März 1996 als frisch gebackener Slalom-Junioren-Weltmeister beim Finale in Lillehammer im Weltcup debütierte, waren noch Größen wie Alberto Tomba, Marc Girardelli oder die beiden Norweger Lasse Kjus und Kjetil-Andre Aamodt aktiv. Während Raich in den kommenden Jahren im Weltcup Fuß zu fassen versuchte, wurde er vier weitere Male Weltmeister bei den Junioren und gewann auch die Europacup-Gesamtwertung.

Im Jänner 1999 holte Raich dann nicht nur im Kranjska-Gora-Slalom sein erstes Weltcup-Podest. Nur einen Tag später folgte dank einer emotionalen Weltrekord-Aufholjagd vom 23. auf den 1. Platz sein erster Weltcup-Sieg beim Nachtslalom in Schladming. Mit 20 Jahren war der vor 35.000 Zuschauern mit einem Superman-Shirt unter dem Renndress fahrende Raich zum "Blitz aus Pitz" geworden. Er hat dieses österreichische Ski-Fest bis heute insgesamt vier Mal und damit so oft wie kein anderer gewonnen.

Nummer sechs in der ewigen Bestenliste

Es war der Beginn einer fast beispiellosen Karriere. Obwohl er gegen alle Größen der vergangenen zwei Jahrzehnte - Hermann Maier inklusive - bestehen musste, trat er am Ende als einer der erfolgreichsten Fahrer überhaupt ab. 14 Medaillen bei Großereignissen und 227 Top-Ten-Plätze im Weltcup sprechen zudem für eine unglaubliche Konstanz. Von seinen 36 Siegen im Weltcup-hat er 28 alleine in den beiden Technikdisziplinen Slalom und Riesentorlauf (jeweils 14) geholt. Sieben kamen in der Kombination dazu, einer im Super-G.

Raich hatte sich vom Beginn weg komplett dem Skisport verschrieben. Mit dem damals schnellsten Slalom-Schwung im Weltcup eroberte der Bursche aus dem Tiroler Pitztal vehement die Szene. 2001 sicherte er sich bei der Heim-WM in St. Anton seine erste Medaille (Slalom-Silber) und erstmals auch die Kugel für den Gewinn der Slalom-Gesamtwertung. Ein Jahr später folgten mit zwei Mal Bronze in Salt Lake City die ersten Olympia-Medaillen. Die für den Slalom erhielt er wegen der nachträglichen Disqualifikation des Schotten Alain Baxter fast zehn Monate nach den Spielen in Wien überreicht.

Stärkste Saison hatte er 2005/06

So konstant Raich über den gesamten Verlauf seiner Karriere war, es gibt 14 Monate, die herausragen: Im Februar 2005 gewann Raich bei der WM in Bormio gleich fünf Medaillen, davon die Goldenen in Slalom und Kombination. Den in dieser Saison an Bode Miller verlorenen Weltcup-Gesamtsieg holte er im folgenden Winter nach sieben Siegen (darunter als erster Gewinner eine Super-Kombi) und insgesamt 12 Podestplätzen nach und krönte sich zudem im Februar 2006 in Sestriere zum Doppelolympiasieger der Winterspiele 2006 von Turin.

2006 holte er auch den Titel als "Sportler des Jahres" nach, den man ihm davor trotz seiner Bormio-Festspiele versagt hatte. Aber selbst damals hatte "Gentle-Ben" Raich nicht die Kontenance verloren. "Ich habe alles erreicht, was es zu erreichen gibt. Ich habe mich über einen zweiten Platz aber schon mehr gefreut", kommentierte er damals die Entscheidung sportlich.

2009 fehlten nur 2 Punkte

Obwohl der Technik-Spezialist ab 2004 Teil der auf den Gesamtweltcup abgestellten WC-4-Allroundergruppe war, gelang Raich nach seine beiden Erfolgs-Saisonen 2004/2005 und 2005/2006 kein weiterer Gesamtsieg mehr. Vielmehr verlor er 2007 in der bis damals knappsten Weltcup-Entscheidung gegen Aksel Lund Svindal um 13 Punkte.

2009 waren es überhaupt nur unfassbare zwei Zähler, die ihm am Ende auf den Norweger fehlten. Auch dies kommentierte Raich sportlich. Insgesamt kam der Österreicher zwischen 2004 und 2010 sieben Mal in Folge in die Top-Drei der Gesamtwertung. Vier Mal en suite wurde er dabei Zweiter.

Alleine der Versuch, auch in den Speed-Bewerben Fuß zu fassen, ging etwas nach hinten los. Raich fuhr zwar stets vorne mit, die Krönung fehlte aber oft. Zu oft. Auch wenn 2012 mit dem Super-G von Crans Montana (Dort hatte er am Beginn seiner Karriere seine ersten Weltcup-Punkte geholt) sein 36. und letzter Weltcupsieg auch der erste in einem Speedbewerb war, konnte er insgesamt an die ganz großen Erfolge nicht mehr anknüpfen.

Familie vom Skisport infiziert

Auch, weil - neben den bald obligatorischen, aber nie hoch gespielten Rückenproblemen - 2011 bei der WM in Garmisch mit einem im Teambewerb erlittenen Kreuzbandriss die einzig wirklich gravierende Verletzung des Tirolers passiert war. Zwar fuhr das Team damals ohne ihn noch zu Silber und damit Raichs 14. - und damit nun letzter - WM-Medaille. Doch danach gewann er nur noch ein Mal, eben den Super-G in Crans.

Privat ist Raich seit Mitte der 2000er-Jahre mit Ski-Kollegin Marlies Schild liiert, im April 2015 haben die beiden geheiratet. Nachwuchs ist bereits unterwegs, denn die nicht minder erfolgreiche Marlies Raich (37 Siege), die knapp ein Jahr vor ihrem Benjamin aufgehört hat, ist hoch schwanger.

Lange fertig ist in der Ortschaft Leins in der Imster Gemeinde Arzl das gemeinsame Haus des sportlich so erfolgreichen Paares. Die gesamte Raich-Familie bietet im Pitztal Ferienwohnungen an und wird wohl immer mit dem Skisport in Verbindung bleiben. Raichs Schwester Carina ist schon länger zurückgetreten, mit dem Nordischen Kombi-Olympiasieger Mario Stecher verheiratet und bereits Mutter. Bruder Florian agiert weiterhin als Trainer im ÖSV.