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Gegensätze im Finale um den Stanley Cup

Gegensätze im Finale um den Stanley Cup

Das Finale um den Stanley Cup zieht Eishockey-Fans rund um die Welt in seinen Bann.

Mit den Tampa Bay Lightning und den Chicago Blackhawks stehen sich Mannschaften gegenüber, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Auf der einen Seite das junges aufstrebende Team aus Florida, auf der anderen Seite eine erfahrene mit zahlreichen Stars gespickte Mannschaft, deren Zukunft ungewiss ist.

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller erklärt, was die beiden Finalisten um die begehrteste Eishockey-Trophäe der Welt so außergewöhnlich macht:

Tampa Bay Lightning: „The Boys from Syracuse“

8. Februar 2013, ein reichlich ungastlicher Abend in Syracuse. Dem beginnenden Schneechaos in Upstate New York bin ich durch frühe Abreise aus Manhattan noch größtenteils entkommen. Am Weg vom Hotel zur Halle wandelt es mich in meinem Leihwagen doch mehrmals, allerdings ohne größere Folgen.

Doch nicht nur deswegen erinnere ich mich an diesen Tag: Beim 4:2-Sieg der Syracuse Crunch über die Adirondack Phantoms stand eines der besten AHL-Teams auf dem Eis, die ich zuvor und danach gesehen habe.

So gut, dass ich gar nicht so viele Reports gemacht habe, zu aussichtslos schien es mir, dass diese Spieler in absehbarer Zeit nach Europa wechseln würden.

Künftige Superstars in Syracuse

Ein heutiger Blick auf den damaligen Syracuse-Roster beweist, dass ich nicht ganz so danebengelegen bin:

Damit meine ich nicht den damaligen Crunch-Flügel Jean-Francois Jacques (heute KAC), sondern Namen wie Alex Killorn, Vladislav Namestnikov und vor allem Tyler Johnson, den derzeitigen NHL-Playoff-Topscorer.

Ohne in meinen Berichten nachzublättern, erinnere ich mich daran, wie Johnson fast nach Belieben die Gegner dominierte und Killorn, von dem ich zuvor noch nie gehört hatte, eine eindrucksvolle Physis mit guten Händen kombinierte. 

Steve Stamkos ist der einzige Star, den Yzerman erbte

Trades und Draftpicks gehen auf

Klar, Sharpshooter Steve Stamkos erbte Yzerman noch von früher, doch die Schlüsselspieler von heute wurden mühevoll zusammengetragen. Im erwähnten Spiel etwa verbreitete der tschechische Defender Radko Gudas noch Angst und Schrecken. Wenn er auf dem Eis ist, heißt’s immer Kopf nach oben.

Er war dann heuer gutes Tradematerial, für ihn (und zwei Draftpicks) konnte der solide Flyers-Verteidiger Braydon Coburn an Land gezogen werden. Weitere gedraftete Keyplayer: Gudas’ Landsmann Ondrej Palat, ein unscheinbarer Siebtrundendraftpick, heute ein Posterboy dafür, dass auch Picks in der letzten Runde zu Leistungsträgern werden können.

Ein potentieller NHL-Star: Nikita Kucherov, in seiner ersten vollen Saison und mit 21 Jahren ein MVP-Kandidat und ein Paradebeispiel dafür, dass das Embargo einiger NHL-Teams gegenüber russischen Cracks ein gefährliches Spiel ist.

Starke Free-Agent-Signings

Das Gespür von Yzerman und seinem Staff für tolle Free Agents-Signings flößt fast Angst an: Andrej Sustr, einer der wenigen Tschechen, die die College-Route gingen: Nun ein solider und krakenhafter 3rd-Pairing-Defender.

Anton Stralman, bei den Rangers nur ein Supplementär-Spieler: Jetzt das Rückgrat der Tampa-Defensive.

Der Finne Valterri Filppula, der bei Detroit zum Schluss schon etwas pragmatisiert wirkte: Nun wieder ein solider Zwei-Weg-Center.

Und natürlich das Prunkstück von Yzermans Schaffen: Der kleinwüchsige Tyler Johnson. Er ging ohne gezogen zu werden durch drei Drafts, Minnesota lud ihn zu zwei Camps ein und nahm ihn nicht unter Vertrag, jetzt gehört er zu den Dominatoren in der NHL. Ein Beispiel dafür, wie selbst ein engmaschiges Scouting-Netz von 30 NHL-Teams doch Löcher aufweisen kann.

Bishop komplettiert das Team

Doch was wäre das Ganze ohne Goalie, über Jahre ein Schwachpunkt der Lightning? Ben Bishop, mit über zwei Metern eine Ein-Mann-Sonnenfinsternis und das beste Beispiel dafür, wie wichtig heute Größe in einem NHL-Kasten ist.

Was gab Yzerman für ihn zur Trading Deadline 2013 an die Ottawa Senators ab? Einen Viertrunden-Pick und Cory Conacher, heute ein AHLer. Solch einseitigen Trades bezeichnet man in der NHL als „Highway Robbery“.

Vinik, Yzerman, Cooper und Murray – jeder ein Meister seines Faches. Ab Mittwochnacht könnten sie und die „Boys from Syracuse“ die Ernte für ihre großartige Arbeit einfahren.

Cooper und Yzermann als Erfolgsgaranten

Hinter der Bande damals: Jon Cooper, der im Jahre zuvor schon mit diesem Team (damals allerdings noch in Norfolk, Virginia, beheimatet) den Calder-Cup gewann und am Ende der laufenden Saison auch zum Coach der Saison in der AHL gewählt werden sollte.

Doch schon zuvor war er Guy Boucher als Head Coach von der Tampa Bay Lightning gefolgt und die Organisation schaute seitdem nicht mehr zurück, sondern nach vorne.

Die Erfolgsgeschichte der Lightning in den letzten Jahren könnte als Blaupause für andere NHL-Teams gelten: Ein besonnener Fachmann als GM wie Detroit-Legende Steve Yzerman, dazu ein Mann wie Cooper hinter der Bande, der als NHL-Version von Salzburgs Dan Ratushny durchgeht:

Ein ehemaliger Anwalt, der durch seine offene und nicht abgehobene Art nicht nur diesem Berufszweig Sympathien zuführt, sondern auch seine Teams stets hinter sich vereint.

Lightning lange belächelt

Dazu kommt eben tolles Spielermaterial und das in einer Organisation, die lange Zeit das Gespött der Liga war.

Vor allem in der Zeit um das anrüchige Eigentümerduo Len Barrie (ein Ex-DEL-Spieler) und Filmproduzent Oren Koules, zu denen der Ex-Agent Brian Lawton als GM nur zu gut passte, schüttelte man in der NHL nur den Kopf über die Vorkomnisse in Florida.

Als Jeffrey Vinik in der Saison 09/10 als Alleineigentümer übernahm, ging es zunächst nur langsam aufwärts, mit Yzerman kam allerdings gleich Seriosität in den Laden. Ebenfalls ein wichtiger Mann für den Aufschwung der letzten Jahre:

Scouting Director Al Murray, zuvor lange für Hockey Canada zuständig. So viel änderte er gar nicht personell an seinem Scouting Staff, gab ihm nur klare Direktiven und erntet nun mit dem Finaleinzug die Früchte der Arbeit. 

Chicago Blackhawks: Time To Say Goodbye?

Ganz egal, ob ein Triumph gegen die Lightning oder ein Sweep von Tampa Bay – die Blackhawks-Fans können sich von diesem so großartigen Team im Geiste bereits verabschieden.

Grund dafür ist der Salary Cap. Chicagos Gesamtgehälter sind heuer die höchsten in der Liga und das wird nächste Saison nicht besser – ganz im Gegenteil. 

Die Fakten:

NHL Salary Cap heuer: 69 Millionen Dollar.

NHL Salary Cap 2015/16: Wird erst nach dem Finale offiziell bekanntgegeben, aber man rechnet mit dem geringsten Anstieg seit der Einführung und einer Obergrenze zwischen 71 und 72 Millionen.

Der Grund dafür? Der kanadische Dollar hat gegenüber dem amerikanischen stark nachgelassen und kurvte heuer um die 90 US-Cent oder darunter herum. Das HRR (Hockey Related Revenue, die Gesamteinnahmen der NHL) wird heuer bescheidener als zuvor ausfallen, da die kanadischen Teams ihre Einnahmen in der Landeswährung bekommen, ihre Ausgaben dagegen in amerikanischer Währung bestreiten. 

Spiel Datum Uhrzeit (MEZ) Heim Gast
1 Donnerstag, 4. Juni 02:00 Uhr Tampa Bay Chicago
2 Sonntag, 7. Juni 01:15 Uhr Tampa Bay Chicago
3 Dienstag, 9. Juni 02:00 Uhr Chicago Tampa Bay
4 Donnerstag, 11. Juni 02:00 Uhr Chicago Tampa Bay
*5 Sonntag, 14. Juni 02:00 Uhr Tampa Bay Chicago
*6 Dienstag, 16. Juni 02:00 Uhr Chicago Tampa Bay
*7 Donnerstag, 18. Juni 02:00 Uhr Tampa Bay Chicago
*falls nötig

Brandon Saad ist in der NHL heiß begehrt

Was bedeutet das für die Blackhawks?

Sie haben bereits Spielerverträge für die nächste Saison in der Payroll-Höhe von 64 Millionen abgeschlossen. Hört sich ja noch harmlos an, nur: Das gilt für 14 Spieler!

Ein knappes Dutzend des Finalkaders steht ohne Verträge da, mit sieben Millionen Dollar Spielraum wird GM Stan Bowman (Sohn von Coaching-Legende Scotty) da nicht weit kommen.

Hauptgrund für die Finanzmisere: Die Verträge für die Superstars Patrick Kane and Jonathan Toews explodieren auf jeweils 10,5 Millionen pro Jahr. Das sind rein die Payroll-Beträge (Gesamtbeträge auf die Vertragslaufzeit aufgesplittet), die Realwerte betragen fast 14 Millionen.

Diese beiden Verträge, gemeinsam mit denen für Goalie Corey Crawford und Starverteidiger Duncan Keith, machen schon über 32 Millionen Dollar Payrollwert aus.

Zahlreiche Spieler ohne Vertrag

Wer steht noch ohne Vertrag für die nächste Saison da? Die UFA’s (Unrestricted Free Agents) Johnny Oduya, Brad Richards, Antoine Vermette und Michal Rozsival, sie werden weit mehr vermisst werden als der vor der Pension stehende Kimmo Timmonen.

Bei den RFA’s (Restricted Free Agents) siehtes ebenfalls grimmig aus: Die Schweden David Rundblad, Marcus Kruger und Joakim Nordstrom werden keine großartigen Verträge erwarten können, aber gemeinsam läppert es sich, vor allem Kruger ist ein wichtiger Mann.

Beim überragenden Youngster Brandon Saad, dessen Entry-Level-Vertrag ausläuft, wird es ganz dramatisch: Spieler seine Güterklasse können langfristige und hochdotierte Verträge erwarten, die Zeiten als die Anschlussverträge sogenannte „Bridge Contracts“ (Brückenverträge bis zum großen Payday) waren und niedrig und kurz ausfielen, sind schon lange vorbei.

Als RFA hat Saad zwar keine andere Handhabe als bei Trainingsstart zuhause zu bleiben, aber Spieler seiner Klasse will keine Organisation verärgern. Bei ihm droht noch dazu die Gefahr eines Offer Sheets (siehe Thomas Vanek und dessen Angebot von Edmonton im Jahre 2007) durch andere Teams, die natürlich um die Probleme der Blackhawks wissen und diese wie die Aasgeier verfolgen.

Crawford könnte getradet werden

Folgende Szenarien zur Problembehebung sind denkbar:

Bowman gibt neben den UFA’s auch noch (zumindest) einen etablierten Spieler wie Kris Versteeg oder Patrick Sharp in einem Trade ab.

Den Ex-Znjomo-Crack Bryan Bickell, bis jetzt eine große Enttäuschung, würde Bowman wohl mit der Schubkarre zu einem etwaigen Abnehmer bringen, doch wer nimmt ihn? Vielleicht ein Team, das den Salary Floor erreichen muss.

Wenn Bowman noch einen Prospect  und einen Draft Pick drauflegt, könnte das vielleicht klappen, in die Gegenrichtung könnte dann ein Minor Leaguer oder auch ein Draft Pick wandern. Hauptsache, das Gehalt kommt weg, ein Buyout würde dies nur teilweise bereinigen.

Muss Crawford gehen?

Ein Trade von Goalie Corey Crawford, für den Scott Darling & Antti Raanta den Job im Tor übernehmen? Nicht abwegig, aber wieviele Teams können sich den Vertrag von Crawford (knapp 30 Millionen bis 2020) leisten?

Egal, wie das Finale ausgeht, der Katzenjammer für Bowman wird schon am Tage nach dem letzten Spiel einsetzen. Doch eine ähnliche Situation (wenn auch nicht ganz so vertrackt) machte der GM schon nach dem Stanley-Cup-Sieg 2010 durch, als er sich von Stützen wie Dustin Byfuglien, Andrew Ladd und Kris Versteeg (kam über Umwege wieder zurück) trennen mussten.

Das Resultat: Drei Jahre später holten die Blackhawks wieder den Cup, jetzt stehen sie im Finale. Schafft Bowman wieder so schnell den Turnaround?