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"Novak war am Ende einfach zu stark"

Es hat nicht sollen sein.

Roger Federer blieb der achte Wimbledon-Titel, mit dem er alleiniger Rekordhalter im All England Club geworden wäre, verwehrt.

Die Schale für den Verlierer des Endspiels war ein schwacher Trost für den weiterhin 17-fachen Grand-Slam-Gewinner.

„Mit leeren Händen“

„Ich darf sie zwar mit nach Hause nehmen, ich fühle mich aber trotzdem so, als ob ich mit leeren Hände Wimbledon verlasse. Das weiß aber wahrscheinlich jeder, der mich kennt“, trauerte der Eidgenosse der verpassten Chance nach, wieder einmal Tennis-Geschichte zu schreiben.

Dieses Privileg blieb Djokovic vergönnt, der mit seinem dritten Titel im Tennis-Mekka (nach 2011 und 2014) mit seinem Coach Boris Becker gleichzog und in der ewigen Bestenliste nur mehr hinter Federer, Pete Sampras (je 7) und Björn Borg (fünf) liegt (Wimbledon-Siegerliste).

Zu verdanken hatte dies der 28-jährige Serbe wieder einmal seiner extrem konzentrierten Leistung bei den spielentscheidenden Punkten und einer unglaublich konstanten Vorstellung.

Djokovic wehrte sechs von sieben Breakbälle ab und beging in knapp drei Stunden Spielzeit gerade einmal 16 unerzwungene Fehler.

Stefan Edberg, Coach von Federer, zog seinen Hut: „Es war ein tolles Match mit einem tollen Kampf von Roger, aber Novak war am Ende einfach zu stark. Er hat gut serviert und viele starke Returns gespielt. Roger hätte noch ein bisschen besser servieren müssen, um eine Chance zu haben.“

15 Finali in letzten 20 Major-Turnieren

„Novak hat wirklich großartig gespielt“, so Federer, der davon aber nicht wirklich überrascht war. „Er hat schon in den letzten zwei Wochen und das ganze bisherige Jahr und auch die beiden Jahre davor unglaubliches Tennis gespielt.“

Ein Blick in die Ergebnis-Listen bestätigt die Aussage des Eidgenossen. Bei den letzten 20 Grand-Slam-Turnieren stand Djokovic beeindruckende 15 Mal im Endspiel, immerhin acht davon konnte er für sich entscheiden.

Roddick: „Novak ist der derzeit beste Spieler der Welt“

„Novaks Leistungen bei den großen Turnieren sind überragend“, findet auch BBC-Experte Tim Henman. „Es ist sein dritter Wimbledon-Titel und ich würde aber nicht dagegen wetten, dass er in Zukunft noch einige holen wird.“

Nicht umsonst steht Djokovic seit seinem Wimbledon-Sieg im vergangenen Jahr ununterbrochen an der Spitze des ATP-Rankings.

So sehr Federer für die meisten (wie auch für Djokovic) als bester Spieler aller Zeiten gilt, so sehr gilt der Serbe als aktuell bester Spieler auf der Tour.

Andy Roddick, Experten-Kollege von Henman bei BBC, gehört zu dieser großen Mehrheit.

„Novak ist der derzeit beste Spieler der Welt und das mit großem Abstand. Ich glaube nicht, dass sich das in nächster Zeit ändern wird“, meint der US-Amerikaner, der im Jahr 2009 in einem denkwürdigen Wimbledon-Finale gegen Federer im fünften Satz mit 14:16 verlor.

Viel Lob für Becker

Seinen Teil zur aktuellen Situation beigetragen hat auch der anfangs meist kritisierte Boris Becker, der vor eineinhalb Jahren zum Trainer-Team, dem weiterhin auch der Tiroler Konditions-Coach Gebhart Gritsch angehört, hinzustieß. Seitdem gewann der Serbe drei von sieben Grand-Slam-Turnieren.

Novak Djokovic Roger Federer
Asse 13 14
Doppelfehler 1 3
1st Serve 95/145 (66%) 94/141 (67%)
1st Serve won 70/95 (74%) 70/94 (74%)
2nd Serve won 30/50 (60%) 23/47 (49%)
Netzpunkte 20/34 (59%) 42/58 (72%)
Breakbälle 4/10 (40%) 1/7 (14%)
Rückschläger 48/141 (34%) 45/145 (31%)
Winner 46 58
Unerzwungene Fehler 16 35
Gesamtpunkte 148 138
Gelaufene Meter 2.967,7 3.172,3

„Es war ein langer Weg bis zu diesem Sieg heute. Boris hat viel dazu beigetragen“, bedankte sich Djokovic noch bei der Siegerehrung bei seinem Betreuer, der vor diesem Engagement meist nur in der Klatschpresse für Schlagzeilen sorgte.

Scherzhaft fügte er hinzu, dass er sich wohl selbst nicht ganz sicher war, ob diese Zusammenarbeit auch funktionieren würde. „Die deutsche und die serbische Mentalität ist schließlich recht unterschiedlich“, grinste der „Djoker“.

Becker: „Bin keine One-Man-Show“

Becker bedankte sich danach auf „Sky“ bei seinem Schützling: „Das ist sehr schön von ihm, aber ich bin keine One-Man-Show. Ich bin Teil einer Mannschaft. Im Namen des ganzen Teams nehme ich das aber gerne an“, gab sich der 47-jährige Deutsche bescheiden.

Das Finale hatte für Becker „ein tolles Niveau. So etwas wie Ende des zweiten und Anfang des dritten Satzes habe ich live noch nie erlebt. Die Emotionen, die Hochs und Tiefs – beeindruckend. Ich hatte den besten Platz.“

Eine gute Nachricht hatte das Wimbledon-Finale 2015 allerdings auch für viele Federer-Fans zu bieten. Allen Spekulationen um einen möglichen Rücktritt erteilte der vierfache Vater nämlich eine klare Absage.

„Ich bin immer noch sehr erfolgshungrig und topmotiviert. Es war eine große Ehre hier im Finale zu stehen. Das würde ich gerne noch einmal erleben“, hat der bald 34-Jährige noch lange nicht genug.

Christian Frühwald