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"Manchmal muss man seine Meinung ändern"

„Kitzbühel war auf jeden Fall ein Schritt vorwärts.“

Mit neu geschöpftem Mut geht Jürgen Melzer in das letzte Saisondrittel.

Durch seinen Erstrunden-Sieg über Daniel Gimeno-Traver tankte der 34-jährige Niederösterreicher in der vergangenen Woche endlich wieder etwas Selbstvertrauen.

Daran konnte auch die folgende Achtelfinal-Niederlage gegen Nicolas Almagro nichts ändern. Spielerisch sei diese Leistung zudem sogar besser gewesen. „Dafür habe ich nicht die entscheidenden Punkte – und darum geht es eben im Tennis.“

Fehlende Matchpraxis

Um die nötige Konstanz zu bekomme fehle der ehemaligen Nummer acht der Welt vor allem die Matchpraxis. „Es muss wieder selbstverständlich für mich werden, auf diesem Niveau zu spielen“, erklärt Melzer, der sich seit seinem Fall aus den Top 100 nur mehr selten mit den Besten messen kann, im Gespräch mit LAOLA1.

Das spielerische Niveau ist freilich auch auf der Challenger-Tour und den Qualifikations-Bewerben für die großen ATP-Turniere alles andere als niedrig.

„Die Leute dort sind auch nicht viel schlechter als jene in den Top 100 und die wollen mich natürlich unbedingt schlagen“, spricht der French-Open-Halbfinalist des Jahres 2010 über die Herausforderungen der aktuellen Situation. Vor allem die Gegner seien ziemlich unberechenbar. “Das Schwierige auf der Challenger-Tour ist, dass man die Leute nicht kennt, sie mich aber schon.“

Zusammenarbeit mit Werner Eschauer

Auf seinem Weg zurück in die vorderen Weltranglisten-Regionen begleitet ihn seit zwei Wochen Werner Eschauer. Der 41-jährige Waldviertler ist selbst ehemaliger Profi und schaffte es im reifen Alter von 33 Jahren im ATP-Ranking noch bis auf Position 52.

„Er hat die nötige Erfahrung, weil er sicher selber einmal in einem höheren Alter bis an die Top 50 spielte. Außerdem kennt er mich recht gut, weil wir viele Jahre miteinander auf der Tour verbracht haben. Deshalb glaube ich, dass er mich zu dem Spiel führen kann, mit dem ich früher erfolgreich war“, ist Melzer von seinem neuen Coach überzeugt.

Eschauer wird seinen  Schützling nächste Woche beim Challenger in Vancouver und danach in der Qualifikation für die US Open betreuen. Wenn alles nach Plan läuft, soll die Zusammenarbeit weiter gehen.

Wobei es auszuschließen ist, dass der Hollensteiner die gesamte Saison mit auf Tour geht, da er auch eine kleine Tochter zuhause hat. Dies sei für Melzer aber sekundär: „Für mich ist es wichtig, dass ich jemanden habe, wenn ich in Wien bin.“

Melzer hat einige Punkte zu verteidigen

Für Melzer steht in den nächsten drei Monaten viel auf dem Spiel. Beinahe ein Viertel seiner Punkte hat der Weltranglisten-130. zu verteidigen. Im schlechtesten Fall droht ihm ein Absturz auf Position 170. Ein Ranking, mit dem es noch schwieriger werden würde, bei größeren Turnieren im Hauptbewerb stehen zu können.

Als zukunftsweisend sieht Melzer die kommenden Wochen trotzdem nicht an. „Ich glaube nicht, dass sich alles in den nächsten drei Monaten entscheiden muss. Ich möchte mir keinen Zeitdruck machen.“

Dementsprechend sieht er auch kein Problem, wenn er über einen etwas längeren Zeitraum auf der Challenger-Tour spielen müsste. Wobei er dies vor zwei Jahren noch explizit ausschloss.

„Manchmal ist man gezwungen, seine Meinung zu ändern und ist schlauer als vor zwei Jahren“, so Melzer. „Es ist eben der einzige Weg, den ich gehen kann, um wieder nach oben zu kommen.“

Keine Konzentration auf Doppel-Karriere

Keine Alternative sei derzeit eine Konzentration auf die Doppelkarriere. Das Einzel übe einfach einen zu großen Reiz auf ihn aus. Daran ändere auch nichts, dass Wunsch-Partner Philipp Petzschner, mit dem er schon in Wimbledon und bei den US Open triumphierte, wieder zur Verfügung stehe.

„Um die großen Doppel-Titel kann ich mit ihm ja sowieso spielen. Wir haben Grand Slams gewonnen, da haben wir nicht einen Doppel-Satz trainiert“, sieht Melzer kein Problem darin, mit dem Deutschen nur bei den Majors an den Start zu gehen.

Ein Ziel sei zudem auf jeden Fall noch die Teilnahme bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro im Doppel-Bewerb. Dies hätte allerdings auch nichts mit den Plänen bezüglich seiner Einzel-Karriere zu tun.

Keine fünf Jahre mehr

Wie lange Melzer noch spielen wolle, diese Frage will er weiterhin nicht beantworten. Dafür präzisierte er den Zeitraum bei der Frage, wo er sich denn in fünf Jahren sehe? „Ganz sicher nicht mehr auf der Tour“, lautete die deutliche Antwort.

Seinen Wunsch, wo und in welcher Position er im Jahr 2020 gerne sein würde, wollte er hingegen nicht verraten. „Denn Wünsche gehen nicht in Erfüllung, wenn man sie verrät.“

Christian Frühwald