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"Bewiesen, dass ich Ahnung vom Radsport habe"

 Das Warten geht für Bernhard Eisel weiter. Nämlich das Warten auf die Entscheidung seines Teams, ob er ab 29. Juni die Tour de France bestreiten darf.

Es wäre die zehnte Teilnahme des Steirers bei der 100. Ausgabe der "Grande Boucle". Doch zuvor muss sich Eisel noch einmal beweisen, die große Frage ist allerdings: wo?

Denn eigentlich sollte der Road Captain vom Team Sky das Critérium du Dauphiné bestreiten, den großen TdF-Test, doch plötzlich ist auch die Tour de Suisse ein Thema.

Weil Sir Bradley Wiggins den 32-Jährigen in der Schweiz gerne an seiner Seite hätte.

LAOLA1: Bernie, eigentlich solltest du das Critérium du Dauphiné bestreiten, den großen Test für die Tour de France, nun ist auch die Tour de Suisse ein Thema. Weißt du schon, was es wird?

Bernhard Eisel: Das steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht hundertprozentig fest. Aber ob Dauphiné oder Tour de Suisse ist eigentlich egal - hinhalten muss ich überall.

LAOLA1: Aber muss man sich Sorgen um deine Teilnahme an der Tour de France machen?

Eisel: Nein, mein Team weiß genau, was ich kann und ich bin auf jeden Fall im erweiterten 14-Mann-Kader. Was aber noch nichts heißt, weil ja noch immer fünf Fahrer davon daheim bleiben müssen. Trotzdem: meine Chance für die 10. Teilnahme lebt!

LAOLA1: Es wäre deine 10. Teilnahme bei der 100. Tour de France. Neues Jahr, gleiche Frage: Warum tut man sich das an?

Eisel: Ich zitiere den Peter Luttenberger, der ja selbst einige Male bei der Tour dabei war. Er hat einmal gesagt: Der Giro ist für die Italiener, die Vuelta für die Spanier und die Tour de France für die ganze Welt. Es ist einfach das größte und härteste Rad-Rennen und eines der größten Sport-Events weltweit.

LAOLA1: Wie sehr fasziniert dich als gestandenen Profi die Geschichte des Rennens?

Eisel: Genau darum geht es, um die Geschichte. Als die Tour 2003 100 Jahre alt wurde, bin ich traurig daheim vor dem Fernseher gesessen, als die Jungs unter dem Eiffelturm von der Rampe gerollt sind. Da hätte ich auch gerne ein Bild gehabt, aber das hole ich hoffentlich heuer bei der 100. Ausgabe nach.

LAOLA1: Wenn du die Werbetrommel für dich rühren müsstest, wie würdest du die Verantwortlichen von Team Sky davon überzeugen, dass sie dich mit nach Frankreich nehmen?

Eisel: Schwer zu sagen. Preidler könnte bei Argos eine Chance haben. IAM hat keine Wildcard bekommen, Haller wird definitiv keine Tour fahren. Und bei Rohregger lebt die Chance, aber es wird nicht einfach. Es wird viel davon abhängen, wie RadioShack die Tour anlegt.

LAOLA1: Zurück zu dir und zu deiner Form. Es heißt, dass du körperlich so gut drauf bist wie vielleicht noch nie in deiner Karriere?

Eisel: Das Team erwartet keine Wunder von mir, aber die körperlichen Werte und die Form müssen passen. Sonst hast du bei der Tour nichts verloren. Das Gute am modernen Radsport mit unserer SRM-Wattmessung ist, dass man ganz genau sieht, wie es um die Form bestellt ist. Früher konnte man irgendwas erzählen und dann war halt nicht mehr drin. Das geht heute nicht mehr!

LAOLA1: Du bist in diesem Jahr einen etwas neuen Weg gegangen, weg von den großen Umfängen und hin zu spezifischen Trainingseinheiten. Was kann man sich darunter vorstellen?

Eisel: Das ganze Training war und ist auf die Tour de France ausgerichtet. Das heißt zwar nicht, dass ich die Tour auch wirklich fahre, aber wir haben sehr viel mit Intervallen gearbeitet, mit Wiederholungen. Und das fast täglich. Außerdem bin ich viel am Zeitfahrrad gesessen. Aber nicht um in der Position Kilometer zu sammeln, sondern wirklich auf Anschlag. Das war alles sehr konsequent!

LAOLA1: Ihr wart in diesem Jahr mit Teneriffa bereits einmal auf Höhentrainingslager, vor der Tour de France ist noch ein weiteres geplant. Mit welcher Zielsetzung?

Eisel: Einerseits geht es darum, noch einmal neue Reize zu setzen und wirklich auch die letzten Prozente rauszukitzeln. Aber es ist auch wichtig, den Körper an die Höhe zu gewöhnen. Bei der Tour werden wir uns da oben praktisch mit Vollgas bewegen. Und für mich wird die Luft ab 1.200 m schon dünn. Wenn ich aber daran gewöhnt bin, kann ich meinem Körper mehr abverlangen.

LAOLA1: Wer das Ziel in Paris erreicht, hat in drei Wochen 3.360 Kilometer absolviert. Mehr kann man seinem Körper kaum abverlangen, oder?

Eisel: Es ist ein Wahnsinn, wenn du nach einer Etappe in den Team-Bus kommst und jeder eine eigene Geschichte zu erzählen hat. Das glaubt dir keiner, dass das alles an einem Tag passiert ist. Bei neun Teilnahmen kommt schon einiges zusammen.

LAOLA1: Zum Beispiel?

Eisel: Dass mir ein Zuschauer den Verpflegungsbeutel von der Schulter gerissen hat, obwohl ich gerade dabei war, mir meine Flaschen rauszunehmen. Natürlich sind wir beide auf der Straße gelegen. In einem anderen Jahr hat es mich fünf Mal geschmissen. Das hat dann nichts mit Pech zu tun, dir fehlt die Körperspannung und beim nächsten Mal legst du dich gleich wieder dazu.

LAOLA1: Oder wirst nach der Etappe im Tour-Bus genäht, wie im Vorjahr?

Eisel: Das gehört auch dazu. Wichtig ist, dass man aufsteht und weiterfährt. Bei jedem anderen Rennen würde man nach einem Massensturz vielleicht sagen: Ich fahre heim. Aber die Tour de France gibt man nicht einfach auf.

LAOLA1: Wir danken für das Gespräch.



Das Interview führte Stephan Schwabl

Eisel: Wenn mich das Team zur Tour mitnimmt, dann nicht, weil ich ein super Kletterer bin. Auch erwartet von mir niemand eine Ausnahme-Etappe. Für mich spricht die Erfahrung, die gerade bei so einer langen Rundfahrt wichtig ist. Und ich habe schon bewiesen, dass ich mich in einer Rundfahrt über drei Wochen steigern kann.

LAOLA1: Wie viel Einfluss haben Chris Froome und Bradley Wiggins auf die Team-Zusammenstellung?

Eisel: Natürlich reden sie mit, aber ich will gar nicht, dass sich die Jungs großartig für mich einsetzen. Im Vorjahr bin ich nur durch Mark (Cavendish; Anm.) reingerutscht. Aber da haben sie gesehen, dass ich Ahnung vom Radsport habe. Dass ich eine Etappe lesen und steuern kann. Wenn ich jetzt bei der Tour de Suisse mit Leistung überzeuge, hat das Team hoffentlich gar keine andere Wahl.

LAOLA1: Apropos Mark Cavendish: Wie sieht der Kontakt zu deinem langjährigen „Ehepartner“ nach dessen Weggang zu Omega Pharma-QuickStep aus?

Eisel: Es ist natürlich weniger als früher. Aber ich habe ihn in Neapel kurz beim Training getroffen. Und dann natürlich auch mitverfolgt, wie es ihm beim Giro geht. Das war schon gut zum Anschauen, was er da gezeigt hat. Seine Form stimmt – und er hat es auch ohne mich nach Brescia geschafft.

LAOLA1: Der Giro d'Italia musste in diesem Jahr ohne Österreicher auskommen. Wie viele ÖRV-Profis werden es zur Tour de France schaffen?