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"Bei diesem Kurs ist für jeden von uns etwas dabei"

Wann, wenn nicht jetzt?

Ein so starkes Team schickte der ÖRV schon lange nicht mehr zur Weltmeisterschaft.

Eines der heißesten Eisen bei den Titel-Wettkämpfen in Ponferrada ist Riccardo Zoidl. Der Ö-Tour-Sieger aus dem Vorjahr steigt genauso wie Matthias Brändle schon am Mittwoch ins Geschehen ein. Beim Einzelzeitfahren (47,10 km) sind die beiden Österreicher allerdings nur Außenseiter.

Mehr Chancen rechnet sich das ÖRV-Team am Sonntag beim 254,80 km langen Straßenrennen aus. Mit Bernhard Eisel, Marco Haller, Georg Preidler, Patrick Konrad sowie den beiden Zeitfahrern Brändle und Zoidl schickt Österreich sechs starke Radfahrer ins Rennen. „Ich sage jetzt nicht, dass wir Weltmeister werden können, aber ein Platz in den Top Ten ist durchaus möglich“, schätzt Zoidl die Lage ein.

Der Oberösterreicher, der seinen Vertrag beim Team Trek Factory Racing erst kürzlich bis 2016 verlängerte, setzt insbesondere auf Routinier Bernhard Eisel, dem der WM-Kurs liegen könnte. Außerdem spricht Zoidl im LAOLA1-Interview über seine nächsten Ziele und Kumpel Jens Voigt.

LAOLA1: Was ist für dich im Einzelzeitfahren möglich?

Riccardo Zoidl: Keine Ahnung. Ich wollte das Zeitfahren eigentlich auslassen und mich auf das Straßenrennen konzentrieren. Aber wir haben zwei Startplätze. Es wäre schade, wenn einer davon nicht genutzt wird. Momentan bin ich sicher nicht schlecht drauf. Deswegen habe ich mich jetzt nicht speziell darauf vorbereitet. Seit der Österreich Rundfahrt bin ich nicht mehr am Zeitfahrrad gesessen. Der Kurs kommt mir auch nicht gerade entgegen. Sagen wir so: Ich werde sicherlich in der vorderen Hälfte des Feldes landen, aber große Ambitionen habe ich nicht.

LAOLA1: Vor der Österreich Rundfahrt hast du noch gesagt, du siehst bei der WM im Zeitfahren bessere Chancen als im Straßenrennen. Warum hast du deine Meinung mittlerweile geändert?

Zoidl: Damals habe ich die Strecke noch nicht genau gekannt. Außerdem spielen auch Interessen meines Teams Trek eine Rolle. Sie haben bei der Lombardei-Rundfahrt und der Tour of Beijing noch etwas mit mir vor. Da hat die Zeitfahr-Vorbereitung überhaupt nicht reingepasst. Zudem kommt mir der Kurs nicht entgegen. Es wäre etwas anderes gewesen, wenn die Strecke selektiver wäre. Aber es geht über zwei Drittel des Rennens komplett flach dahin. Darum haben sich meine Pläne geändert.

LAOLA1: Könnte der Kurs etwas für Matthias Brändle sein?

Zoidl: Auf alle Fälle. Schon im Frühjahr hat Matthias davon gesprochen, dass er die Zeitfahr-WM in den Fokus rücken will. Ich traue ihm viel zu. Speziell, weil er jetzt bei der Tour of Britain mit Platz fünf im Zeitfahren aufhorchen hat lassen.  

LAOALA1: Wie wird eure Strategie beim Straßenrennen am Sonntag ausschauen?

Zoidl: Die Strecke lässt einiges offen. Es ist weder ein reiner Sprinter- noch ein schwerer Berg-Kurs. Deswegen gibt es unheimlich viele Favoriten, ich erwarte einen offenen Schlagabtausch. Zwischen den großen Nationen wird es eine große Rivalität geben. Für die kleinen Teams, wie wir eines sind, ist in so einer Situation alles offen. Ich sage jetzt nicht, dass wir Weltmeister werden können, aber ein Platz in den Top Ten ist durchaus möglich. Bei diesem Kurs ist für jeden von uns etwas dabei. Man kann nicht sagen, dass einer der hundertprozentige Kapitän ist.

LAOLA1: Ihr werdet also ohne echten Leader in das Rennen gehen?

Zoidl: Sicher wird der eine oder andere für das Finale bevorzugt werden, aber theoretisch kann jeder von uns ein gutes Ergebnis machen. Wenn Bernie Eisel sagt, er fühlt sich super gut, dann werden wir für ihn fahren. Denn es wird letztendlich auf den Sprint einer Gruppe hinauslaufen. Da hat er gute Chancen. Vielleicht können wir den großen Nationen ein Schnippchen schlagen.

LAOLA1: Welche Rolle spielt euer Teamchef Franz Hartl bei der Ausarbeitung der Renn-Strategie? Welches Verhältnis hast du zu ihm?

Zoidl: In puncto Taktik macht er nicht so viel. Dafür haben wir Bernie Eisel. Franz schaut mehr darauf, dass alles perfekt organisiert ist und das hat er die letzten Jahre super gemacht. Da fehlte es uns an nichts. Man freut sich immer wieder, für das Nationalteam zu fahren, weil alles sehr gut organisiert ist. Er betreut uns sehr gut.

LAOLA1: Du hast bereits vorher erwähnt, dass auf dich nach der WM noch die Lombardei-Rundfahrt und die Tour of Beijing warten. Was sind dort deine Ziele?

Zoidl: Speziell die Rundfahrt um Peking habe ich ins Auge gefasst. Die ist heuer sehr selektiv und gehört zur World Tour. Da möchte ich in der Gesamtwertung bei den besten Zehn mitmischen. Die Lombardei Rundfahrt ist eines der schwersten Rennen des ganzen Jahres. Das Team hat geplant, dass ich super in Form bin. Aber diese Rennen bestreite ich zum ersten Mal. Wir werden sehen, was rauskommt. Ich möchte auf alle Fälle so weit wie möglich vorne sein.

LAOLA1: Du warst zuletzt in den USA bei der Tour of Utah und der USA Pro Challenge im Einsatz. Dort bist du gemeinsam mit Rad-Legende Jens Voigt gefahren. Was kannst du uns über deinen Team-Kollegen, der kürzlich seine Karriere beendet hat, erzählen?

Zoidl: Ein verrückter Kerl. Er redet extrem viel und es ist immer witzig mit ihm. Bei Interviews ist er genauso wie als Zimmerkollege. Er betreibt Geocaching (GPS-Schnitzeljagd, Anm.) und schaut im Fernsehen viele Dokumentationen. Mit meiner Freundin fliege ich im Oktober nach Berlin, da hat er mich auf einen Kaffee eingeladen. Schade, dass er aufgehört hat. Für die Jungen ist er eine Inspiration. In Amerika war unglaublich viel Rummel um ihn. Er ist dort ein kleiner Hero, eine Ikone. Es hat mich sehr gefreut, dass ich mit ihm seine letzte Tour fahren habe dürfen.

LAOLA1: Dein Vertrag bei Trek wurde erst vor kurzem bis 2016 verlängert. Wie war das Feedback vom Team und was habt ihr für nächste Saison geplant?

Zoidl: Darüber haben wir uns erst grob unterhalten. Wir sind der Meinung, dass nächstes Jahr die Tour de France sicherlich die bessere Option ist als der Giro. Sie waren mit meiner ersten Saison zufrieden. Das Angebot habe ich schon beim Giro vorgelegt bekommen. Es hat mich sehr gefreut, dass ich gleich nach drei Monaten einen neuen Vertrag angeboten bekomme. Sie wollen mich für die Rundfahrten weiterentwickeln. Das erste Jahr war okay, aber es hätte besser sein können. Man muss aber auch berücksichtigen, dass die Rennen heuer auf einem viel höheren Niveau waren, als noch letztes Jahr.

LAOLA1: Glaubst du, dass du das Zeug dafür hast, bei großen Rundfahrten wie der Tour de France vorne im Gesamtklassement mitzufahren?

Zoidl: Grundsätzlich schon. Aber momentan liegen mir kleine Rundfahrten – wie die Dauphine oder die Tour de Suisse – sicherlich mehr. Man braucht ein paar Jahre, bis man die Standfestigkeit über drei Wochen hat. Mein Ziel ist einfach, bei World-Tour-Rennen vorne mitzufahren.

 

Das Gespräch führte Jakob Faber