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Marco Haller: "Die Strecke liegt mir, sehr sogar"

Marco Haller:

Der Gedanke an das Regenbogen-Trikot lässt Radsport-Herzen schneller schlagen und die Augen der Profis leuchten.

Der Weltmeister-Titel ist nach wie vor eine sehr prestigeträchtige Auszeichnung.

Auch Paris-Roubaix- und Mailand-San-Remo-Sieger John Degenkolb bezeichnet Gold im WM-Straßenrennen als "einen Lebenstraum, einen Kindheitstraum".

Klassiker-Gefühle

Am heutigen Sonntag wird im US-amerikanischen Richmond dieser Traum für einen Profi in Erfüllung gehen, einer wird die Nachfolge von Michal Kwiatkowski antreten.

Für Österreich, das am Samstag einen historischen Erfolg erlebte und in Person von Junior Felix Gall erstmals Gold bei einer Straßen-WM gewann, machen sich mit Marco Haller, Georg Preidler und Lukas Pöstlberger nur drei rot-weiß-rote Fahrer auf die langen und abwechslungsreichen 259,2 km, die auf einem 16,2 km langen Rundkurs in Richmond gefahren werden.

Drei Anstiege prägen die letzten Kilometer des Stadtkurses, der an die legendären Frühjahrs-Klassiker in Europa erinnert und sogar eine Kopfsteinpflaster-Passage zu bieten hat.

Katusha-Profi Marco Haller nahm sich vor dem großen Showdown am Sonntag noch Zeit, LAOLA1 einige Fragen zu beantworten.

LAOLA1: Wie geht es dir kurz vor dem Straßenrennen? Wie ist deine Form?

Marco Haller: Die letzten Tage sind eher locker, auch wenn ich noch eine lange Trainingseinheit von 6 Stunden fahren werde. Die Form sollte passen, denn zu Hause konnte ich super trainieren.

LAOLA1: Du bist erst am Montag nach Amerika geflogen, hast du noch mit dem Jetlag zu kämpfen?

Haller: Der Jetlag hält sich bei mir meist in Grenzen, wenn ich nach Westen reise. Ich konnte auf Anhieb gut schlafen und die Beine sind okay.

LAOLA1: Sowohl Nationaltrainer Franz Hartl als auch Georg Preidler und Matthias Brändle trauen dir ein Spitzenergebnis zu – was sagst du dazu? Welches Ziel hast du dir selbst gesetzt?

Haller: Es freut mich natürlich, dass meine Mannschaft an mich glaubt und ich hoffe, ich kann dieses Vertrauen zurückgeben. Das erklärte Ziel sind die Top Ten. Klar, das ist ein hochgestecktes Ziel bei einer WM, aber ich bin nicht nach Richmond gekommen, um 76. zu werden.

LAOLA1: Siehst du dich ebenfalls als Teamkapitän?

Haller: Bei unserem Mini-Team braucht es keinen Chef. Wir müssen uns vor allem an die großen, favorisierten Teams anhängen und schlau fahren.

LAOLA1: Apropos Mini-Team, ihr seid nur zu dritt – wie groß ist der Nachteil bei einem derart langen Rennen?

Haller: Wenn wir taktisch klug fahren, kann auch zu dritt etwas möglich sein. Ich werde ohnehin eine sehr passive Fahrweise anpeilen, um meine Kräfte zu schonen.

LAOLA1: Kennst du die Strecke gut?

Haller: Die Strecke habe ich mir gleich am ersten Tag hier mit Georg Preidler angesehen. Ich war neugierig, denn es gab viele Meinungen. Nun, ich denke sie liegt mir, sehr sogar. Aber ich brauche, wie jeder, einen guten Tag. Ich glaube, es kann ein spektakuläres Rennen werden. Ich finde den Kurs sehr attraktiv.

Marco Haller bestritt heuer seine 1. Tour de France

LAOLA1: Im letzten Jahr hast du das Rennen nicht beendet, warum wird das diesmal anderes?

Haller: Die Form im letzten Jahr war bei weitem nicht so gut wie heuer, auch nicht bei der WM. Obendrein musste ich noch ein Laufrad zu einem ungünstigen Zeitpunkt wechseln und somit war der Zug abgefahren. Auch heuer kann alles passieren, das macht ja eine WM so spannend. Ein Rennen, ein Tag, ein Sieger. Alles kann passieren!

LAOLA1: Wie wirkt sich der Ausfall von Bernhard Eisel auf eure Taktik aus?

Haller: Bernie wird mit seiner Erfahrung fehlen - keine Frage. Aber wir werden uns einen Schlachtplan gemeinsam mit ihm zusammenbasteln und dann wird das schon passen. Vielleicht treibt uns aber auch der frische Wind von Lukas Pöstlberger an. Die erste Profi-WM zu fahren, ist immer etwas besonderes.

LAOLA1: Wer ist für dich der Favorit auf Gold?

Haller: Kristoff macht Gold. Ihr könnt schon die Wettscheine ausfüllen - eine Garantie gebe ich aber dann doch keine.

LAOLA1: Wie geht man damit um, wenn man plötzlich fürs Nationalteam und gegen Teamkollegen wie eben Alexander Kristoff fährt? Gibt es da einen Interessenskonflikt?

Haller: Ganz im Gegenteil. Das ist eine gute Chance für mich, zu zeigen, dass ich die großen Jungs ärgern kann. Nichtsdestotrotz ist es natürlich ungewohnt.

LAOLA1: Was ist es für ein Gefühl, in den Landesfarben zu fahren?

Haller: Im Nationalteam-Trikot bei einer WM am Start zu stehen, ist immer etwas Besonderes. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich mein Land hier vertreten darf.

LAOLA1: Wie lautet dein Saisonfazit bis hierher?

Haller: Es war meine mit Abstand beste Saison und dasselbe gilt für Katusha. Sie war so gut, dass wir uns schon ein bisschen Sorgen machen, wie wir das im nächsten Jahr toppen wollen. Persönliche Highlights waren wie immer die Klassiker, aber dieses Jahr natürlich auch mein Tour-Debüt. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich die beste Mannschaft der Welt bei der Tour de France vertreten durfte. Und last but not least: Mein schönes Meistertrikot! Ich liebe es. "Lowlights"? Gab es welche? Ich glaube nicht, oder, falls doch, habe ich sie verdrängt. Die Stürze zähle ich nicht dazu, die fallen wohl unter Berufsrisiko.

LAOLA1: Wie beurteilst du deine Tour-Premiere im Nachhinein?

Haller: Die Tour war ein Traum und mein Puls steigt immer noch, wenn ich daran zurückdenke. Vor allem die letzten Meter, als ich das Feld das letzte Mal auf die Champs-Elysées führte, waren unglaublich... Die Tour ist Radsport at its best und für die Zuseher bedeutet sie beinahe einen Monat Party.

LAOLA1: Welche Ziele hast für das nächste Jahr?

Haller: Wenn ich weiter auf dem Niveau fahre, kann ich eigentlich sehr zufrieden sein. Schön wäre es, in den Klassikern der "Plan B" neben Alexander Kristoff zu sein. Mal schauen, darüber mache ich mir dann in der ruhigen Off-Season Gedanken...

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Henriette Werner