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Der unwürdige Abgang einer Tour-Legende

Der unwürdige Abgang einer Tour-Legende

Fabian Cancellara liegt im Straßengraben.

Der Schweizer hat gerade einen Salto hinter sich, nachdem vor ihm mehrere Fahrer zu Sturz gekommen waren.

Sein Rad liegt einige Meter von ihm entfernt, es wurde nach vorne geschleudert. Das Gelbe Trikot hat Flecken. Alles tut weh. Vor allem aber schmerzt der Rücken.

Wirbelbrüche bedeuten Tour-Aus

Über 50 km weit quält sich Cancellara noch ins Ziel. Die Verteidigung seiner Gesamtführung hat er längst abgehakt. Für ihn geht es nur noch um das sportliche Überleben bei der diesjährigen Tour de France.

Im Krankenhaus wird später festgestellt, was der 34-Jährige befürchtet hat: Zwei Wirbelbrüche. „Eine riesige Enttäuschung, ich habe mir so wie im Frühjahr zwei Rückenwirbel gebrochen“, twittert „Spartacus“ an seine Fans.

Damit findet die Tour-Karriere eines der größten Radsportler der letzten Jahre ihren unwürdigen Abschluss.

29 Tage in Gelb

Denn noch vor dem Start der dritten Etappe kündigte Cancellara seinen Abschied von der „Grand Boucle“ an: „Noch ist es nicht offiziell, aber das ist meine letzte Tour. Nächstes Jahr gibt es kein Einzelzeitfahren zum Auftakt und ich will meine Karriere mit guten Erinnerungen beenden.“

Genau das dürfte dem Trek-Profi jetzt wohl doch nicht gelingen, sofern er seine Meinung bis zum nächsten Jahr nicht ändert.

Cancellara hat dem größten Radsport-Ereignis der Welt seinen Stempel aufgedrückt. 29 Tage verbrachte er im Gelben Trikot. Länger als jeder andere Rennfahrer, der nicht die Gesamtwertung gewinnen konnte und länger, als jeder andere derzeit aktive Radprofi.

Ein cleverer Rennfahrer

In sechs unterschiedlichen Auflagen der Tour de France konnte sich Cancellara das „Maillot Jaune“ sichern. Nur Bernard Hinault kommt auf eine höhere Anzahl.

Zum ersten Mal trug er das Trikot im Jahr 2004, als er es sich beim Prolog in Lüttich sicherte. Elf Jahre später übernahm er es erstmals nicht nach einem Zeitfahren, sondern dank einer cleveren Renntaktik.

Auf der zweiten Etappe zwischen Utrecht und Zeeland gelang es Cancellara, sich stets weit vorne im Feld aufzuhalten. So verlor er trotz stürmischer Winde nie den Anschluss an die Spitzengruppe. Im Massensprint suchte er sich schließlich das Hinterrad von Peter Sagan. Dieses führte ihn auf den dritten Platz, welcher ihm sechs Bonussekunden und damit die Gesamtführung einbrachte.

Sieben Etappensiege

Es ist dieser Riecher für die richtige Aktion im entscheidenden Moment, die Cancellara neben seiner Qualitäten im Kampf gegen die Uhr auszeichnet. Sieben Etappensiege durfte er deswegen während seiner zehn Teilnahmen feiern.

Cancellara war nie ein Anwärter auf den Gesamtsieg, auch am Berg oder im Massensprint wusste er nicht zu überzeugen.

Und dennoch gelang es ihm, die Frankreich-Rundfahrt während der letzten zehn Jahre entscheidend zu prägen.

Er wird der Tour fehlen.

 

Jakob Faber