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Kessiakoff: "Es ist die Erfüllung eines Traums"

Kessiakoff:

Im Vorjahr räumte Fredrik Kessiakoff bei der Österreich-Rundfahrt ab.

Erst sein Sieg auf dem Kitzbüheler Horn, wenige Tage später der Gesamtsieg in Wien.

Der Schwede bewies hierzulande, welch großes Potenzial in ihm schlummert.

In diesem Jahr wurde der 32-Jährige erstmals für die Tour de France nominiert und zeigt sich begeistert vom "schönsten Rennen der Welt".

"Die Erfüllung eines Traums"

"Der Mythos, das Image, die Fahrer. Hier gibt es die tollsten Berge. Alles ist besonders. Für mich ist die Teilnahme an der Tour die Erfüllung eines Traums", schwärmt er im Interview mit LAOLA1.

Der Führende der Bergwertung spricht zudem über die Verteidigung des Trikots, die Dominanz des Sky-Rennstalls und zahlreichen Stürze, die das halbe Peloton in Mitleidenschaft zogen.

LAOLA1: Fredrik, du bist Träger des Bergtrikots und führst dieses in die Alpen. Wie stolz bist du auf diesen Erfolg?

Fredrik Kessiakoff: Oh, es ist wirklich toll, dieses wunderschöne Trikot auf den Schultern zu haben. Ich bin glücklich und genieße derzeit jede Minute. Es ist allerdings auch klar, dass der Kampf weiter geht und es hart wird, die Führung zu verteidigen.

LAOLA1: Kannst du schon realisieren, welcher Coup dir gelungen ist?

Kessiakoff: Nicht wirklich. Es braucht wohl noch Zeit, um das Ganze sacken zu lassen. Außerdem habe ich ja noch nichts erreicht. Für mich gilt die Devise, dieses Trikot zu verteidigen. Unabhängig vom Ausgang werde ich in der Nachbetrachtung mit Stolz zurückschauen und froh sein über das, was ich erreicht habe.

LAOLA1: Der Ruhetag inkludiert bereits in seinem Namen, dass man es eher locker angeht. Wie hast du ihn verbracht?

Kessiakoff: Es ist, wie du sagst. Der Plan ist, zu regenerieren. Ich habe einfach mal ausgeschlafen, einen kurzen Ausritt von rund eineinhalb Stunden absolviert und mich gut ernährt. Eine Massage stand auch auf dem Programm, dazu Interviews und Fotosessions.

LAOLA1: Mit deinem Husarenritt ins gepunktete Trikot hast du für das bisherige Highlight deines Astana-Teams gesorgt. Wie fällt die Zwischenbilanz deiner sportlichen Leitung aus?

Kessiakoff: Ich denke, die Leute sind zufrieden. Ich muss allerdings dazu sagen, dass für mich die Tour erst am Mittwoch so richtig startet. Erst mit den Alpen kristallisiert sich heraus, wer wie stark drauf ist. Wir haben mit Jani Brajkovic (Platz 14, Anm.) einen Mann, der auf Gesamtwertung fährt. Solange er sich gut fühlt und mit den Besten mithält, werden wir 100 Prozent für ihn geben. Sollte er Probleme haben, würde sich der Plan natürlich ändern. Hinzu kommt nun das Bergtrikot, für das wir ebenfalls arbeiten wollen.

LAOLA1: Sondertrikots sind bekanntlich sehr begehrt, die Bergwertung ist heiß umkämpft. Darf man davon ausgehen, dass du weiter attackieren wirst, um deine Verfolger abzuschütteln?

Kessiakoff: Natürlich. Ich muss attackieren, wenn ich das Trikot behalten will. Eine andere Möglichkeit gibt es für mich nicht. Ich muss aggressiv fahren und weiter Punkte sammeln. Soweit sieht das zumindest die Theorie vor, Voraussetzung für die Umsetzung sind gute Beine.

LAOLA1: Ähnlich wie ein guter Wein wirst du von Jahr zu Jahr stärker. Im letzten Jahr der Sieg bei der Österreich-Rundfahrt, in diesem ein Etappenerfolg bei der Tour de Suisse und nun das Bergtrikot. Wie erklärst du dir deinen kontinuierlichen Leistungsanstieg?

Kessiakoff: In erster Linie ist es wichtig, über eine längere Periode problem- und schmerzfrei trainieren und Rennen bestreiten zu können. Im letzten Jahr war ich lange beschwerdefrei und konnte bei der Österreich-Rundfahrt mein Potenzial abrufen. Zu Beginn dieser Saison hatte ich mit einigen Problemen zu kämpfen, daher lief es für mich auch nicht so gut. Inzwischen fühle ich mich wieder fit, was sich auch auf meine Leistungen auswirkt.

LAOLA1: Du sprichst von Problemen zu Saisonbeginn, musstest auch deine Teilnahme am Giro d’Italia absagen. Woran lag es konkret?

Kessiakoff: Ich habe seit einigen Jahren mit denselben Symptomen zu tun. Nun weiß ich inzwischen, dass es Allergien sind, die mich hemmen. Ich habe Asthma und bekomme schwer Luft. Gerade im Frühjahr hindert mich das an der Regeneration. Sobald wir den Sommer erreichen, sobald es Juli wird, fühle ich mich schlagartig deutlich besser.

LAOLA1: Das Team Sky tritt unglaublich dominant auf. Bradley Wiggins führt die Gesamtwertung an, Chris Froome rangiert an Position drei. Was zeichnet diese Equipe aus?

Kessiakoff: Sie geht unheimlich konzentriert zu Werke, alles ist perfekt durchorganisiert. Es ist beeindruckend, wie die Jungs fahren. Hut ab vor ihnen! Sie haben aber auch jede Menge talentierter Leute in ihren Reihen. Momentan passt bei Sky einfach alles zusammen.

LAOLA1: Wiggins hat sich klar als Top-Favorit auf den Gesamtsieg positioniert, nicht wenige erwarten einen am Ende klaren Sieg. Ist er deiner Meinung nach zu schlagen?

Kessiakoff: Ja, davon bin ich überzeugt. Es stehen noch zehn Tage aus und wie gesagt: Das Rennen fängt erst so richtig an. Cadel Evans ist ein ernsthafter Sieganwärter und auch Wiggins‘ Teamkollege Froome macht mir den Eindruck, ein möglicher Kandidat zu sein. Erst recht, wenn mit Wiggins etwas passieren sollte. Es gibt aber auch keine Diskussion darüber, dass Wiggins sich derzeit ungemein stark präsentiert.

LAOLA1: Das Thema Doping ist auch in diesem Jahr allgegenwärtig, mit Cofidis-Profi Remy di Gregorio wurde ein ehemaliger Teamkollege von dir verhaftet. Beschäftigt dich dieses Thema?

Kessiakoff: Ich kann nur auf mich schauen, das ist zugleich das einzige, was ich selbst beeinflussen kann. Ich fokussiere mich auf das Wesentliche und kümmere mich nicht darum, was in anderen Teams passiert.

LAOLA1: Zum Wesentlichen gehört auch die Ernährung während einer dreiwöchigen Rundfahrt. Worauf gibst du besonders Acht? Welche Speisen vermeidest du?

Kessiakoff: Momentan esse ich Unmengen an Reis. Mein Magen verträgt ihn sehr gut, das ist in so einer Rundfahrt wichtig. Auf scharfes Essen verzichte ich, auch auf asiatische Früchte oder ähnliches. Reis, ein bisschen Fleisch und Salat stehen zumeist auf dem Tagesplan, Experimente vermeide ich.

LAOLA1: Auch der physischen Komponente kommt große Bedeutung zu, der Körper gelangt an seine Grenzen. Mit welchem Gewichtsverlust rechnest du bis Paris?

Kessiakoff: Das hängt immer davon ab, was man zu sich nimmt. Normalerweise sind es bei mir wohl zwei bis zweieinhalb Kilos, die ich aufgrund der Anstrengungen verliere.

LAOLA1: Abschließende Frage: Das Leben bei der Tour ist wenig abwechslungsreich. Fahren, essen, schlafen und das ganze jeden Tag aufs Neues. Wie vertreibst du dir die Zeit?

Kessiakoff: Ich spreche jeden Tag mit meiner Freundin und checke das Internet, um zu wissen, was in der Welt passiert. Ansonsten lese ich Bücher. Eines habe ich bereits durch, nun beginne ich mit dem zweiten. Dieses handelt von der schwedischen Mafia und hat rein gar nichts mit Radsport zu tun. Man muss auch mal ein bisschen abschalten. (lacht)

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Christoph Nister

 

LAOLA1: Wenn du deine Erfolge Revue passieren lässt – ist die Übernahme des Bergtrikots dein größter?

Kessiakoff: Für mich war die Woche in Österreich sehr wichtig. Zunächst eine Bergetappe zu gewinnen und dann auch noch die Gesamtwertung, war ein unheimlich wichtiger Erfolg. Für mich sind das Erinnerungen, die ich nie vergessen werde, insofern ist es auch ein Erfolg, der eine besondere Bedeutung genießt. Natürlich war aber auch der Etappensieg in der Schweiz toll. Erst recht, wenn man sich ansieht, wen ich dabei schlagen konnte. Und nun das Bergtrikot – ebenfalls super. Ich will das aber noch nicht als diesen Riesen-Erfolg verbuchen, da für mich Priorität hat, es noch länger zu verteidigen.

LAOLA1: Deine Kletterqualitäten hast du nun mehrfach bewiesen. Reichen sie auch aus, um als Bergkönig nach Paris zu pedalieren?

Kessiakoff: Mir ist bewusst, dass es ein verdammt schwieriges Unterfangen wird. Es ist nicht nur, dass ich gute Beine brauche, es gibt ja auch viele andere, die das Trikot gerne hätten. Ich werde alles aus mir herausholen. Meine Kontrahenten werden versuchen, mich abzufangen. Wenn ihnen das gelingt – Chapeau!

LAOLA1: Du bist erstmals bei der Tour de France am Start. Spiegeln sich deine Vorstellungen in der Realität wider?

Kessiakoff: Das kann man so sagen. Es bestätigt genau das, was ich erwartet habe. Die riesige Organisation, die Zuschauer, das Medieninteresse, die tollen Bilder im TV - genau so habe ich es mir vorgestellt. Für mich ist die Tour das schönste Rennen der Welt.

LAOLA1: Die Tour zeigt sich in diesem Jahr aber auch von ihrer unschönen Seite. Zahlreiche Stürze haben zum Teil höchst prominente Opfer gefordert. Worin begründest du dies?

Kessiakoff: Es liegt am schier unglaublichen Druck, der auf den Fahrern lastet. Jeder will an die Spitze, jeder soll (auf Anweisung der sportlichen Leitung, Anm.) an die Spitze, nur ist die Straße dafür nie breit genug. Eine Möglichkeit wäre, auf den Team-Funk zu verzichten. Geschieht dies, gibt es aber wieder einen Streitpunkt zum Thema Sicherheit. Insgesamt habe ich leider keine Lösung für das Problem.

LAOLA1: Welchen Standpunkt vertrittst du in dieser Thematik – pro oder contra Funk?

Kessiakoff: Ich bevorzuge es schon, darüber informiert zu werden, wenn vor mit etwas Entscheidendes passiert. Wenn wir nicht gewarnt werden, könnte es Verletzte geben.