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"Den perfekten Tag gibt's beim Fünfkampf nicht!"

Am Samstag greifen die Herren mit den großen Taschen bei den Olympischen Spielen ins Geschehen ein.

Am vorletzten Wettkampftag in London steht der Moderne Fünfkampf auf dem Programm.

Moderner Fünfkampf? Das ist Fechten, Schwimmen, Reiten und abschließend Laufen und Schießen kombiniert.

Die Athleten haben in ihren mit rund 45 Kilogramm vollgepackten Spezial-Taschen alles dabei, was sie für die fünf Disziplinen brauchen.

„Das ist typisch für unseren Sport: Wir schleppen den ganzen Tag“, sagt Österreichs Vertreter Thomas Daniel.

Letzte Hoffnung mit Außenseiterchance

Der 27-Jährige geht mit Außenseiterchancen in den Bewerb und ist die wirklich allerletzte rot-weiß-rote Hoffnung auf eine Medaille.

Im großen LAOLA1-Interview stellt er nicht nur seine bislang noch eher unbekannte Sportart vor.

Der Heeressportler vom HSV Wr. Neustadt, der sich in einem dreiwöchigen „Boot-Camp“ mit dem ungarischen Nationalteam und der Fecht-Nationalmannschaft den Feinschliff für London geholt hat, spricht auch über Chancen und Risiken im Kampf um Gold, Silber und Bronze.

 

LAOLA1: Herr Daniel, Sie sind eine der letzten Mini-Chancen auf eine Medaille, aber kaum jemand weiß, was Sie eigentlich tun. Erklären Sie uns doch bitte kurz einmal ihre Sportart?

Thomas Daniel: Prinzipiell ist es so, dass der Moderne Fünfkampf aus Fechten, Schwimmen, Reiten, Laufen und Schießen besteht. Seit 2009 werden Laufen und Schießen kombiniert, jetzt erstmalig auch bei Olympischen Spielen. Zudem schießen wir in London zum ersten Mal mit Laser. All das sind innovative Projekte vom internationalen Verband, um dem modern gerecht zu werden.

LAOLA1: Ihre Auftaktdisziplin, das Fechten, ist sehr traditionell: Worauf kommt es an?

Daniel: Es kämpft jeder gegen jeden, also 35 Duelle auf maximal eine Minute beziehungsweise einen Treffer. Sollte der Treffer nicht erfolgen, schreibt jeder eine Niederlage an. 70 Prozent der Treffer sind 1.000 Punkte. Für jeden Treffer darunter werden 24 Punkte abgezogen, für jeden darüber 24 Punkte addiert. Deshalb ist das Fechten eine Schlüsseldisziplin. Ich kann dem Gegner Punkte nehmen und mir gutschreiben.

LAOLA1: Danach geht es weiter zum Schwimmen?

Daniel: Genau. In London wird es einen Standortwechsel geben, von der Handball-Halle ins Aquatics Centre. Dort schwimmen wir 200 m Freistil auf Zeit, so wie Phelps und Co. auch. Ich komme eher vom Laufen, deshalb bin ich kein guter Schwimmer. Meine Bestzeit auf der Kurzbahn ist 2:05 Minuten.

LAOLA1: Aber damit sind Sie doch kein schlechter Schwimmer?

Daniel: Für den Fünfkampf ist es ganz okay, im Schwimmsport ist man damit aber irgendwo. Ich habe leider erst relativ spät begonnen, deshalb fehlt mir das Lernen der Technik in jungen Jahren. Ich hinke der Weltspitze noch etwas hinterher, habe mich aber Schritt für Schritt herangekämpft.

LAOLA1: Schritt für Schritt ist wahrscheinlich auch das Motto bei der dritten Disziplin, dem Reiten. Sie bekommen ihr Pferd zugelost?

Daniel: Das ist sicher die größte Herausforderung, auf die man sich im Lauf des Tages einstellen muss. Ein Pferd ist ein Lebewesen, das kann einen guten oder schlechten Tag haben, es gibt unterschiedliche Charaktere. Deshalb habe ich auch gar kein eigenes Pferd, sondern reite im Training immer verschiedene Pferde. So muss ich mich immer wieder neu einstellen.

LAOLA1: Wie viel Zeit hat man, um sich mit dem Pferd vertraut zu machen?

Daniel: Zwanzig Minuten. Wenn man das einem Reiter erzählt, würde er sagen: Unmöglich. Und man kann in zwanzig Minuten auch kein Pferd ändern. Die Charakterzüge, die es mitbringt, werden gleich bleiben, deshalb muss man sich schnell anpassen.

LAOLA1: Aber Sie haben das Pferd davor schon einmal in Aktion gesehen?

Daniel: Am Donnerstag gab es den sogenannten Test-Jump. Da reitet jedes Pferd mit seinem Besitzer einmal den Parcours. Wir haben Videos gemacht und uns die Pferde genau angeschaut. Damit wir ungefähr wissen, was auf uns zukommt, wenn am Samstag nach dem Schwimmen die Zulosung erfolgt. Der Erste nach zwei Disziplinen darf als erster ziehen, aber das ist reines Glück.

LAOLA1: Zum Abschluss wartet ihre Spezial-Disziplin, die Kombination Laufen-Schießen.

Daniel: Nach dem Reiten werden die Punkte der ersten drei Bewerbe addiert und in Zeitrückstände umgerechnet. Dann läuft der Erste los, der Rest folgt und wer am Ende als Erster über die Ziellinie läuft, ist Olympiasieger. Das macht es so attraktiv, da noch sehr viel passieren kann. Seit das Schießen in den Laufbewerb integriert ist, kommt immer wieder vor, dass Athleten von den hinteren Rängen noch in die Medaillen gelaufen sind.

LAOLA1: Es heißt, dass die letzte zugleich ihre stärkste Disziplin ist?

Daniel: Der Combined-Bewerb ist sicher mein Favorit, da kann ich ganz vorne dabei sein. Es ist auch mental ein Vorteil, wenn man weiß, dass es noch einmal nach vorne geht. Zehn Plätze sind für mich auf jeden Fall machbar, wenn die Zeitabstände entsprechend sind. Ein Vorteil könnte sein, dass die Bahn sehr schwierig ist. Aber wir haben die nach dem Weltcup im Vorjahr daheim nachgebildet.

LAOLA1: Wie bitte?

Daniel:Mein Trainer hat einen Laufhügel gebaut, der zu fast 100 Prozent ident ist. Dadurch war ich heiß auf jede Trainingseinheit. Ob ich es nach den Spielen noch sehen kann, weiß ich noch nicht. Aber ich hoffe, dass es ein Vorteil für mich ist.

LAOLA1: Österreich steht bislang ohne Medaille da. Werden Sie zum „Retter der Nation“?

Daniel: Es sind meine ersten Olympischen Spiele, ich bin ohne Erwartungen hierher gekommen. Für den Fünfkampf-Verband ist es schon einmal eine Sensation, dass sich nach 24 Jahren wieder jemand qualifiziert hat. Aber natürlich möchte ich mein Bestes geben. Was dann herausschaut, wird man sehen.

LAOLA1: Aber Sie werden doch schon einmal gerechnet haben, was dann herausschauen könnte?

Daniel: Wenn ich in jeder Disziplin eine persönliche Bestleistung aufstelle, ist sicher einiges möglich. Aber das muss man erst einmal schaffen. Den perfekten Tag gibt es beim Fünfkampf nicht. Keiner gewinnt 35 Gefechte und hat dann auch noch ein super Reiten und Schwimmen. Gewinnen wird derjenige, der am besten mit Niederlagen und Fehlern umgehen kann.

LAOLA1: Träumen ist aber erlaubt?

Daniel: Darum mache ich diesen Sport seit 12 Jahren, dafür geht man jeden Tag zum Training. Der Traum von einer Medaille ist da, keine Frage. Aber das steht im Moment sehr stark im Hintergrund für mich. Es gibt fünf Kandidaten, die zum engen Kreis der Medaillenanwärter gehören, und 15 Athleten im erweiterten Kreis. Und da gehöre ich sicher dazu!

LAOLA1: Wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte Stephan Schwabl