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"Blech oder Top-10 schon top für so kleines Land"

Für Karl Stoss (55) werden London 2012 die zweiten Spiele, seit er das Amt des Präsidenten des Österreichischen Olympischen Komitees (ÖOC) übernommen hat.

Der mächtigste Mann im rot-weiß-roten Sport sprach im Interview über Erwartungen, österreichische Authentizität, Lampenfieber und Sicherheitsbedenken:

Frage: Mit welchen Gefühlen und Erwartungen reist das Österreichische Olympische Komitee (ÖOC) mit seinen Athleten und Athletinnen nach London?

Karl Stoss: "Mit einem sehr, sehr guten Gefühl. Es sind alle hochmotiviert und toll eingestellt. Man merkt, wie es kribbelt. Die Athleten freuen sich und sind top ausgestattet. Das ist ein wichtiges Fundament. Die athletische Leistung muss jeder selber bringen, aber es muss auch das Drumherum passen. Es ist die Aufgabe des ÖOC, alles dafür zu tun, dass sich die Sportler von Beginn an wohlfühlen und sagen, wir sind eine Familie, wir gehören zusammen und treten für ein erfolgreiches Team, für Österreich an."

Frage: Dabeisein ist angeblich alles, aber es zählen dann doch nur die Medaillen. Wie sehen Sie das?

Stoss: "Man kann es nicht abstreiten, am Ende des Tages zählt vielleicht sogar nur eine Goldmedaille. Wenn man die letzten Olympischen Spiele hernimmt, wer bleibt da wirklich in Erinnerung? Leider sehr oft nur die Sieger. Obwohl Blech oder ein Top-10-Platz, und davon hatte Österreich bei den Spielen in Peking sehr viele, schon top, top, top sind für ein so kleines Land, das im Sommersport nicht eine derartige Stärke aufweist wie im Wintersport. Für mich wäre es toll, wenn jeder Athlet zumindest sagen könnte, ich habe meine absolute persönliche Bestleistung erreicht. Wenn daraus noch Edelmetall wird, wäre ich ganz happy. Egal welche Farbe."

Frage: Die rhythmische Gymnastin Caroline Weber wird bei einer Kür ein Dirndlkleid tragen und Musik Hubert von Goisern auflegen und damit Österreich auch optisch und akustisch repräsentieren. Wie gefällt Ihnen diese Idee?

Stoss: "Österreich wird in der Weltöffentlichkeit immer wieder mit Klischees versehen. Österreich ist berühmt durch die Musik, Mozart, Sound of Music. Dann kommt Sissi, dann die Kleidung. Ich finde das von Caroline eine großartige Idee, sehr mutig, aber gut. Man soll versuchen, möglichst authentisch aufzutreten. So machen wird das auch im Österreich-Haus. Wir versuchen im Herzen von London einen Ort zu definieren, mit riesigen Plakatwänden, von denen die Tiroler Berge herunterschauen. Für das stehen wir. Deshalb kommen auch Menschen aus aller Welt nach Österreich, weil es mit Naturschönheiten gesegnet ist. Und auch mit menschlichen Schönheiten. Umso schöner, wenn die auch noch in einem tollen Gwandl drin stecken."

Frage: Das "Austria House Tirol" soll wieder Treffpunkt für Sportler, Prominenz, Gäste und Medien werden. Wie wichtig ist dieser Auftritt in London?

Stoss: "Sehr wichtig. Sportler kommen zum Relaxen, aber auch Schlachtenbummler, Familienangehörige. Man bietet ihnen einen Platz zum Wohlfühlen, mit österreichischen Speisen und Getränken. Zum ersten Mal ist das Österreich-Haus auch für den public Bereich geöffnet. Es laufen tausende Menschen täglich vorbei, sie sollen mit viel Ramba Zamba, Musik und Bildern angesprochen werden. Die Leute sollen merken: Das ist ein fröhliches Volk, das macht mich neugierig, da möchte ich hin. In erster Linie sind die Sportler die Aushängeschilder, die durch diszipliniertes, faires Auftreten den Grundstock legen. Aber alle, die die Sportler begleiten, haben einen wichtigen Visitenkarten-Auftritt für Österreich. Ich wünsche mir, dass wir ein positives, tolles Image hinterlassen."

Frage: Es sind Ihre zweiten Spiele als ÖOC-Präsident. Fahren Sie mit der Erfahrung von 2010 mit einem anderen Gefühl hin?

Stoss: "Natürlich. Ich war auch in Athen und Peking bei Sommerspielen, aber es ist etwas anderes, als Zuschauer und in zweiter Reihe dabei zu sein. Wenn man plötzlich Gesamtverantwortlicher ist und da vorne steht, ist das Gefühl schon ein anderes. Nichtsdestotrotz stehen für mich die Sportler und Sportlerinnen im Vordergrund. Vom Drumherum sollen die Sportler nichts mitbekommen, dafür habe ich die kleine, feine Mannschaft, vor allem Generalsekretär Peter Mennel, der sehr vieles für mich wegräumt und ein großartiger Teamplayer ist. Ich habe kein wie immer geartetes Lampenfieber oder eine extreme Aufregung. Wenn man die Gesamtverantwortung für ein Team hat, muss man mit ganz gutem Beispiel vorangehen."

Frage: Im Vorfeld von Vancouver hing der Doping-Schatten noch über Österreich, beim Prozess in Susa ist kürzlich der Skiverband vom generellen Dopingverdacht freigesprochen worden. Wie erleichtert sind Sie, dass auch das ÖOC wieder mit dem Sport in den Medien steht und nicht mehr mit Skandalen?

Stoss: "Das ist eine enorme Erleichterung. Es ist etwas aus der Vergangenheit, für das die heutige Mannschaft nichts kann. Aber wir putzen uns nicht ab und sind froh, wenn die Dinge mal vom Tisch sind. Ganz wichtig ist auch, dass namhafte Mitglieder des ÖOC, wie Vizepräsident Peter Schröcksnadel, freigesprochen sind. Und damit quasi auch Österreich, dass wir keine Dopingnation sind. Das ist etwas, das man uns auch gern umgehängt hätte. Ich hoffe, dass wir in London ein positives Beispiel abgeben, und nicht mit negativen Schlagzeilen in die Medien rücken, sondern mit sportlichen. Ich wäre froh, wenn ich nie einen Gerichtssaal von innen sehen müsste."

Frage: Der neue NADA-Geschäftsführer soll noch diese Woche und damit vor Beginn der Sommerspiele präsentiert werden.

Stoss: "Der Geschäftsführer ist der erste Grundstock, dann muss man natürlich auch die Gremien wieder besetzen, die zurückgetreten sind. Bei Olympischen Spielen steht in erster Linie die internationale Anti-Doping-Agentur im Vordergrund, aber Österreich soll und muss gut funktionieren und die Strukturen auch in diesem Bereich vorweisen. Weil wir Teil dieser Community sind, die sich zu diesen Werten verpflichtet hat. Deshalb sind Kontrollen unausweichlich, ein gut funktionierenden System muss es geben."

Frage: Unter anderen 17.000 Soldaten werden das größte Sportereignis der Welt schützen. Haben Sie Sicherheitsbedenken?

Stoss: "Ich persönlich habe keine Bedenken, aber man ist vor nichts gefeit. Ich bin beruflich viel unterwegs und exerziere auf den Flughäfen solche Sicherheitsvorkehrungen durch. Das empfinde ich als unangenehm. Dass es jetzt auch begleitend bei Olympischen Spielen mehr und mehr Einzug hält, ist sehr bedauerlich. Autos werden auf Bomben untersucht, ich wohne in einem IOC-Hotel und muss mich jedes Mal fast ausziehen, wenn ich ins Zimmer will. Viel lieber wäre mir, wenn es diese Befürchtungen nicht geben würde, aber es gibt leider immer wieder Wahnsinnige auf dieser Welt, die solche Großereignisse nutzen, um Augenmerk auf sich zu ziehen. Ich bin überzeugt, dass die britischen Sicherheitskräfte alles unternehmen werden, dass es ja nicht zu einem Zwischenfall kommt. Und sollte es zu einem kommen, dass er von der Weltöffentlichkeit unbemerkt bleibt und für die Sportler keine Belastung darstellt."