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Ronda Rousey - Die Königin des Armbrechens

Ronda Rousey - Die Königin des Armbrechens

Klamotten, Einkaufstaschen und jede Menge anderer Ramsch.

In dem kleinen Haus irgendwo in Venice/Kalifornien herrscht das pure Chaos.

Doch genau hier ist das Reich von Ronda Rousey – der aktuell wohl populärsten Kampfsportlerin des Planeten.

Der Ruhm ist der Königin des Mixed-Martial-Arts (MMA), die sich innerhalb knapp eines Jahres zum Bantamgewicht-Champion des US-Verbandes Strikeforce emporkämpfte, ganz offensichtlich nicht zu Kopf gestiegen. Daran konnte auch ihr Vertrag mit dem globalen Branchenleader „Ultimate Fighting Championship“ (UFC), der sie im November 2012 als erste weibliche Sportlerin überhaupt aufnahm, nichts ändern.

Die 26-Jährige lebt noch immer hier. Unter einem Dach mit ihren beiden besten Freunden, dem Hund und jeder Menge Chaos.

Das gewisse Etwas

Das gewisse Etwas
UFC-Boss Dana White ist vom Gesamtpaket überzeugt

Doch was macht das Phäomen Rousey aus? Wie konnte sich die knapp 62-kg-schwere Blondine in einer Männer-Bastion festbeißen und derartig ins Rampenlicht katapultieren?

„Das Ronda-Rousey-Paket unterscheidet sich von allem, was wir bisher gesehen haben“, bringt es UFC-Boss Dana White gegenüber „Showtime“ auf den Punkt. „Sie ist eine unglaublich talentierte Kämpferin. Sie ist böse. Sie ist gefährlich. Außerdem ist sie eine Frau und schön noch dazu.“

Sex sells. Eine Binsenweisheit, um die auch der frühere Box-Promoter nicht herumkommt. Doch es ist keineswegs nur ihr Äußeres, das sie für die UFC so attraktiv macht.

Laut White habe Rousey das gewisse Etwas, das Menschen anzieht. „Entweder du hast es oder du hast es nicht. Und sie hat es definitiv.“

Kampfname „Rowdy“

Im Octagon – so der Name der achteckigen, eingezäunten Kampffläche, welche die Bühne des Millionen-Spektakels UFC ist – ist sie gefürchtet. Alle ihre sieben Profi-Kämpfe gewann sie mittels Aufgabe. Alle in der ersten Runde. Alle durch Armhebel.

Das Muster ist immer das Gleiche. Im Vorfeld ist Psycho-Krieg angesagt. Dieses Gebiet beherrscht Ronda Rousey wie ihre Westentasche. Wikipedia weist sie sogar als Erfinderin des „Trash Talks“ in der MMA-Szene aus. Auch in Bezug auf Berühmtheiten außerhalb des Käfigs nimmt sie sich kein Blatt vor dem Mund.

Für kleine und junggebliebene Fans - die Ronda-Rousey-Actionfigur

Da kehrt sie auch gerne einmal die Zicke hervor. Die scheint es mit dem Paket Rousey inklusive zu geben.

Ist der erste Gong einmal ertönt, ist die Marschrichtung klar: Ran an die Frau, sie auf den harten Boden werfen und den Armhebel auspacken (siehe Foto ganz oben). Der Rest ist Schmerz.

Unter ihren Gegnerinnen hat sich das freilich längst herumgesprochen, doch Kraut ist gegen „Rowdy“ – so ihr Kampfname – noch keines gewachsen. Und ist eine nicht willig, im Hebel aufzugeben, dann muss das Ellbogen-Gelenk dranglauben. Geschehen etwa beim Strikeforce-Titelkampf gegen Miesha Tate.

Ihre phänomenale Stärke im Bodenkampf hat sie ihrer Vergangenheit auf der Judo-Matte zu verdanken. Doch um das Gesamt-Paket Rousey zu verstehen, bedarf es eines Blicks auf ihren kompletten Werdegang. Und zwar von Beginn an.

Sport als Ausdrucksform

Denn das Leben der Ronda Rousey begann mit einem Kampf. Einen, den sie fast verlor. Bei ihrer Geburt am 1. Februar 1987 hatte sich die Nabelschnur, um ihren Hals gewickelt. Sie überlebte, der Zwischenfall blieb jedoch nicht ohne Folgen.

Bis zu ihrem sechsten Lebensjahr konnte sie nicht zusammenhängend sprechen. „Ich kann mich erinnern, wie frustrierend es war, weil ich in meinem Kopf genau wusste, was ich sagen wollte, aber aus irgendeinem Grund konnte mich niemand verstehen. Meine Worte waren nur Kauderwelsch“, schildert Rousey.

Trotz oder vielleicht sogar gerade wegen der Hindernisse, die ihr junges Leben für sie parat hatte, stürzte sich Rousey sehr früh in die Welt des Sports. Schwimm-Wettkämpfe gaben ihr ein Stück weit die Möglichkeit, sich auf andere Art und Weise auszudrücken. Als ihr größter Fan immer an ihrer Seite war ihr Vater Ron.

Mütterlicher Schliff

Mütterlicher Schliff
Ein Blick sagt oft mehr als tausend Worte

Die ersten Schritte auf der Matte machte sie im Dojo von Weltmeister Jimmy Pedro. Immer an ihrer Seite Mutter Ann Maria. Sie beobachte praktisch jede Trainingseinheit ihrer Tochter, die mit elf erstmals an Turnieren teilnahm.

„Sie hat mir alles beigebracht, was sie wusste, hat sich aber immer geweigert, meine Trainerin zu sein“, so Ronda, die auch dankbar dafür war. „Ich brauchte eine Mama. Jemanden, bei dem ich weinen und mich nach dem Training beschweren konnte. Außerdem musst du deine Trainerin hassen, das ist nun mal ihr Job. Und ich wollte nicht meine Mama hassen.“

Wer glaubt, Ann Maria wollte ausschließlich die Rolle des „guten Cops“ spielen, der irrt. Ronda: „Ich war elf und habe mir beim Judo den Zeh gebrochen. Für eine Elf-Jährige ist das eine sehr große Sache. Also habe ich aufgehört zu kämpfen und zu weinen begonnen. Meine Mutter ließ mich danach für den Rest des Abends um die Matte laufen. Damals dachte ich mir, dass es einfach nur grausam von ihr gewesen ist, sie hat mir dann aber gesagt, dass ich irgendwann in eine Situation kommen würde, wo ich trotz einer Verletzung weiterkämpfen müsste. Dann sollte ich wissen, dass ich fähig dazu bin.“

Auch ihr berüchtigter Armhebel ist zu einem Teil der Mama geschuldet. Ronda behauptet, dass sie früher von ihrer Mutter morgens oft mit verschiedenen Hebeltechniken geweckt wurde.

„Aufgrund meiner Sprachstörung erzählte er immer jedem, dass ich ein ‚Schläfer‘ sei und dass ich eines Tages die Olympischen Spiele gewinnen und es allen zeigen würde.“

Familien-Tragödie

Unglücklicherweise verlor sie ihren größten Unterstützer nur kurz nachdem sie die Möglichkeit hatte sich mitzuteilen. Vor den Augen seiner Familie brach sich Ron bei einem Schlitten-Unfall den Rücken. Für lange Zeit musste er ins Krankenhaus, ohne Aussicht auf Besserung.

„Er wollte nicht, dass wir ihn als bettlägerigen Pflegefall in Erinnerung haben. Als ich acht Jahre alt war, nahm er sich selbst das Leben“, bereitet es Rousey noch immer Schmerzen.

Das bedeutete auch das Aus für ihr Schwimm-Training, schließlich war das stets eine Aktivität von Vater und Tochter gewesen. „Darum habe ich sie zum Judo gegeben“, erklärt Mutter Ann Maria, die mit der japanischen Kampfkunst bestens vertraut ist. 1984 holte sie in der Klasse bis 56 kg den ersten Judo-WM-Titel für die USA.

Für Ronda war es der Eintritt in die Welt ihrer Mutter. Ein Schritt, der ihr gefallen sollte.

Den Weg mit Rot-weiß-rot gekreuzt

Den Weg mit Rot-weiß-rot gekreuzt
Die 17-jährige Rousey verliert in Athen 2004 gegen Claudia Heill

Talent, Biss und die notwendige Härte ließen ihren Weg steil nach oben gehen.

2004 war sie mit 17 Jahren die jüngste Teilnehmerin am Olympischen Judo-Turnier in Athen. Dort verlor sie in der Vorrunde gegen eine gewisse Claudia Heill, die sich in Folge die Silber-Medaille holte. Als Entschädigung kürte sie sich im selben Jahr noch zur U20-Weltmeistertiterin. Mit Hilde Drexler verlor sie im Laufe ihrer Karriere auch noch gegen eine weitere Österreicherin.

Vier Jahre und drei Weltcup-Siege später errang Rousey in Peking mit Olympia-Bronze in der Klasse bis 70 kg die erste Damen-Medaille in der Geschichte des US-Judos. Ein Riesenerfolg, der ihr allerdings auch die Augen öffnete.

„Außer einem Handschlag hatte ich nicht viel davon. Es gibt keine Ausbildungs- oder Arbeitsplätze für Athleten. Ich stand mit leeren Händen da und wusste nicht, was ich machen sollte. Schließlich habe keine anderen herausragenden Fähigkeiten und ich kann schlecht wohin gehen und sagen: Hallo, ich bin gut im Leute auf den Boden werfen und Armbrechen – wollen Sie mich anstellen?“

Im Andenken an den Vater

Ihre nächsten Jobs bekam sie dann aber doch, weil sie wusste, sich zu verteidigen. Sie arbeitete als Kellnerin in Bars, in denen sie auch gelegentlich mal „schlagfertig“ sein musste. Damit war aber bald Schluss. Ronda überlegte, bei der Küstenwache als Lifeguard anzuheuern, wagte schließlich aber den Sprung zum MMA.

Als sie sich dort in rasanter Manier zur Titelträgerin emporschwang und letztlich den Gürtel gen Himmel reckte, gedachte sie im Moment ihres größten Triumphs ihrem Vater. „Wo immer du jetzt bist, ich hoffe, du kannst das sehen und bist stolz auf mich“, sagte sie unter Tränen ins Hallen-Mikro.

Danach fügte sie noch hinzu: „Diesen Gürtel zu gewinnen war der beste Weg, ihn zu ehren.“

Denn letztlich hatte Ron Recht behalten. Irgendwann würde sie es allen zeigen.

 

Reinhold Pühringer