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Der japanische Bolt

Der japanische Bolt
Ato Boldon, früher Weltklasse-Sprinter und mittlerweile gefragter TV-Experte, fühlte sich an Usain Bolt erinnert.

Es ging nicht nur ihm so. Jeder, der die Auftritte von Abdul Hakim Sani Brown bei der Nachwuchs-WM im kolumbianischen Cali sah, musste die Dominanz des 16-jährigen Japaners neidlos anerkennen.

Ja, Abdul Hakim Sani Brown ist Japaner. Er wurde als Sohn einer ehemaligen japanischen Hürden-Sprinterin und eines Ghanaers in Japan geboren und lebt in Tokio, wo er die Josai High School besucht.

Überragende Zeiten, Luft nach oben

Fünf Mal in der Woche trainiert der Teenager nach eigenen Angaben. Es reicht, um allen Gleichaltrigen mühelos auf und davon zu laufen.

10,28 Sekunden über die 100 Meter bei Gegenwind, was Nachwuchs-WM-Rekord bedeutet, und 20,34 Sekunden über die 200 Meter bei Gegenwind, ebenfalls die schnellste jemals gelaufene Zeit bei einer Nachwuchs-WM.

Obwohl Sani Brown beide Finali überlegen für sich entschied, war die vorhandene Luft nach oben klar ersichtlich. „Ich bin gut gelaufen, habe aber einige Fehler gemacht. Mein Start war nicht gut“, gab er nach den 100 Metern zu Protokoll.

Nach seiner zweiten Goldenen gab sich der Schüler da schon zufriedener: „Das ist, was ich erwartet habe.“ Nachsatz: „Ich will aber noch viel mehr. Ich will Olympisches Gold gewinnen und Weltrekord laufen.“

Hobby Schlafen

Bis dahin ist noch einiges an Entwicklung nötig. Doch die Grundvoraussetzungen, um ein ganz Großer zu werden, sind da. Nicht zuletzt die Abgebrühtheit und die fehlende Nervosität sind gute Indikatoren für die Kompetitivität des Japaners, den manche Medien schon als „Wunderkind“ bezeichnen. „Eine meiner Stärken ist, vor dem Rennen ruhig zu bleiben.“

Dabei hatte er zunächst eine andere Sportart gewählt. Sani Brown war Fußballer, genauer Stürmer. „Aber meine Mutter hat mich davon überzeugt, dass ich mich auf Leichtathletik konzentrieren soll, weil ich kein guter Mannschaftssportler bin“, erzählt er.

Und was macht er sonst so? „Schlafen“, sagt Sani Brown, wenn er auf Hobbys angesprochen wird. Zwischen zwölf und 13 Stunden pro Tag verbringe er im Bett.

Euphorie und Skepsis in der Heimat

Von 29. Juli bis 2. August ist zunächst wieder Alltag angesagt – die japanische High-School-Meisterschaft. Danach steht ein echtes Highlight an – die Leichtathletik-WM in Peking von 22. bis 30. August.

Er läuft für Japan bei der WM in Peking

Mit seiner Zeit von 20,34 Metern hat Sani Brown über die 200 Meter nämlich das WM-Limit geschafft und wird mit seinen 16 Jahren als jüngster japanischer Teilnehmer an den Start gehen. In seiner Heimat bewegen sich die Reaktionen derzeit zwischen Euphorie und Skepsis.

Dort erinnern sich die Sportfans nämlich noch gut an Yoshihide Kiryu, der vor zwei Jahren für Furore gesorgt hat. Als 17-Jähriger lief er damals die 100 Meter in 10,01 Sekunden und ist damit einer von drei Sprintern (Darrell Brown, Jeffrey Demps), die ex aequo den U18-Weltrekord halten. Doch Kiryu ist in seiner Entwicklung stagniert, lief nie wieder so schnell.

Die Zukunft kommt bestimmt

Er ist nur eines von vielen Beispielen, dass Nachwuchs-Sprinthoffnungen im Erwachsenenalter den hohen Erwartungen oft nicht gerecht werden.

Dennoch sollte man sich den Namen Abdul Hakim Sani Brown merken. Denn 2020 stehen die Olympischen Spiele in seiner Heimatstadt Tokio am Programm. Da werden die Usain Bolts, Justin Gatlins und Asafa Powells dieser Welt nicht mehr mit von der Partie sein.

Sani Brown ist gemeinsam mit den US-Amerikanern Trayvon Bromell, der vier Jahre älter und in seiner Entwicklung schon entsprechend weiter ist, und Noah Lyles derzeit eines der heißesten Eisen im Feuer einer neuen Sprinter-Generation.

Harald Prantl