Motivationslöcher

Bereits nach zwei Dritteln der Strecke war klar, dass eine Zeit unter acht Tagen machbar ist und dass der Sieger, sollte nichts Unvorhergesehenes passierten, Christoph Strasser heißen würde.

Da Reto Schoch bereits 19 Stunden Rückstand aufwies, fehlte Strasser die Motivation. Er wusste nicht mehr, warum er sich noch quälen sollte und fiel von einem Motivationsloch ins andere. In den Bergen wurde es noch einmal knapp, es half der Teamgedanke: "Wir wollen es alle gemeinsam."

Für das Team fuhr er weiter, kam wieder ins Rollen ("Der Flow-Zustand ist auch am achten Tag noch möglich!") und schaffte es mit unglaublichen 22 Stunden Vorsprung ins Ziel.

Idealistisch

"Wir waren zu schnell, das Ziel war noch gar nicht richtig aufgebaut", erzählt Strasser, dessen Siegprämie sich auf eine Trinkflasche, eine Medaille, ein Finisher-Shirt - auf welches er noch immer wartet - sowie ein Holzbrett mit der Route des RAAM beschränkt.

"Man muss Idealist sein", umschreibt er den Fakt, dass jeder Fahrer zwar 4.000 Euro Startgeld bezahlen muss, der Sieger jedoch kein Preisgeld bekommt.

Kein Ende in Sicht

Nach den überstandenen Strapazen wäre es für alle verständlich, wenn sich Strasser nun zur Ruhe setzt. Doch weit gefehlt: Das RAAM steht auch 2014 wieder auf dem Programm. "Ich habe schon eingezahlt", grinst er.

Seine Motivation? "Es geht noch schneller."

Zudem gelang dem Österreicher Wolfgang Fasching, das Race Across America dreimal zu gewinnen. Auch dies sei ein Anreiz, zudem halten ihm die Sponsoren weiterhin die Treue und das fest zusammengewachsene Team bleibt beisammen.

Ebenfalls in die Saisonplanung 2014 eingeflossen - ist zur Freude seiner heimischen Fans - das längste europäische Rennen: Das Race Around Austria.

 

Henriette Werner

Stärken stärken

Damit diese gelang, trainierte Strasser im Vorfeld fünf bis acht Stunden täglich, 30 Stunden die Woche und schraubte dabei mehr als 30.000 Kilometer im Jahr herunter.

"Ultracycling ist mehr als nur Radfahren: harte Arbeit, totale Hingabe und der Kampf gegen alles, was man nicht erreichen kann", beschreibt Strasser.

Die Stärken des Steirers liegen auf flachem Terrain - so wie in Kansas, wenn es eineinhalb Tage lang nur geradeaus geht, alles gleich aussieht und er auf seinem aerodynamisch perfekt angepassten Zeitfahrrad in einem Gang durchfahren kann.

Seine Schwächen hingegen sind ob seines Gewichtes die steilen Berge, in denen ein Leichtgewicht wie Titelverteidiger Schoch große Vorteile hat. Dieser peilte heuer von Anfang an das Ziel an, unter acht Tagen bleiben zu wollen. Sein viel zu hohes Anfangstempo wurde ihm jedoch schnell zum Verhängnis. "Man darf sich nicht zu viel Druck machen", rät Strasser.

Extremer geht es nicht

In der Rekordzeit von 7 Tagen, 22 Stunden und 11 Minuten sowie einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25,07 km/h absolvierte der 31-Jährige 2013 die 4.767 km quer durch Amerika.

Von der West- zur Ostküste der USA überwand er dabei 30.000 Höhenmeter, durchquerte vier Zeitzonen, vierzehn Bundesstaaten und verbrauchte 16.000 kcal am Tag.

Von unglaublicher Hitze bei 45 Grad in der Wüste über Unwetter und Waldbrände bis hin zu Minusgraden in den Rocky Mountains erwischte er dabei beinahe jedes Wetter.

Pausenabläufe

Hatte Strasser am Anfang schwer damit zu kämpfen, dass Schoch rasch weit vorne lag und er selbst noch kein Betreuerteam "zum Jammern" hatte (am ersten Tag sind keine Betreuer erlaubt, da das Feld noch zu dicht zusammen ist), übernahm er ab Kilometer 240 die Führung und ließ sie sich für den Rest des Rennens nicht mehr nehmen.

Bis zur dritten Nacht legte er keine einzige Schlafpause und lediglich drei 20-Minuten-Breaks ein, die erste einstündige Unterbrechung in der vierten Nacht brach er aufgrund von Atmungsproblemen ab und fuhr weiter.

Die Pausenabläufe sind minutiös geplant, jeder Handgriff sitzt, nach drei Minuten ist Strasser gewaschen, der Helm weg und die Schlafbrille aufgesetzt. Während Strasser schläft, checkt ihn der Arzt durch, Gesäß und Füße werden eingecremt. Sieben bis acht Minuten braucht er dann normalerweise zum Aufwachen und nach 1:15 Stunden sitzt er bereits wieder auf dem Rad.

Strasser, der sich selbst als jemanden bezeichnet, „der viel schläft", schlummerte während des gesamten RAAM gerade einmal sechs Stunden.