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Der Mann, der Schrott Beine macht

Der Mann, der Schrott Beine macht

Während es etliche Athleten gibt, die mit 34 noch ihren Zenit oder zumindest ihren zweiten Frühlung suchen, hat Philipp Unfried schon auf einem Terrain angeschrieben, welches bei den meisten erst nach der aktiven Zeit wartet.

Der Leistungsdiagnostiker im sportwissenschaftlichen und therapeutischen Kletter-Zentrum in Weinburg wurde heuer trotz seiner Jugend zu „Österreichs Trainer des Jahres“ gewählt. Und das freilich nicht ohne Grund.

Der Niederösterreicher begann vor mittlerweile acht Jahren an einer Nachwuchs-Leichtathletin namens Beate Schrott zu schleifen. Ihr gemeinsamer Weg führte Jahr für Jahr weiter nach oben und endete heuer vorerst im Olympia-Finale über 100 m Hürden. Dort erlief sich Schrott als Achte auch den Titel „Österreichs Aufsteigerin des Jahres“.

Im Interview spricht Senkrechtstarter Unfried über sein Verständnis des Trainer-Jobs, die Leere nach dem Olympia-Halbfinale und über die in Wahrheit guten Trainingsbedingungen in Österreich:

LAOLA1: Philipp, weißt du noch, wo du während des Olympia-Halbfinales gestanden hast?

Philipp Unfried: Ich bin zwischen zwei TV-Kommentatoren gesessen. Zuvor habe ich noch ein Interview gegeben und da wir so schlechte Plätze hatten, habe ich gefragt, ob ich schnell auf der Presse-Tribüne bleiben kann.

LAOLA1: Was ist dir durch den Kopf gegangen, als sie als Lauf-Zweite durchs Ziel gelaufen ist?

Unfried: Ich muss dir ganz ehrlich sagen, dass ich das nicht mehr weiß. Ich wurde das auch schon bei der BSO-Gala gefragt. Das war so eine arge Leere, weil es so wenig real war. Das war ganz komisch (lacht).

LAOLA1: Was hast du ihr für das Finale noch mit auf den Weg gegeben?

Unfried: Nachdem das Stadion so voll und die Stimmung so toll war, habe ich zu ihr gesagt: Geh einfach rein und genieß es, weil so oft in deinem Leben wirst du ein Olympia-Finale nicht laufen.

LAOLA1: Welche Bilanz habt ihr beide nach dem Endlauf dann gezogen? Schließlich war Beate mit der dortigen Zeit nicht ganz zufrieden…

Unfried: Im Endeffekt war das Semifinale das Ziel. Insofern war dann auch der Semifinal-Lauf der wichtigere Lauf, mit dem sie auch dann weitergekommen ist. Einen Endlauf haben wir im Vorfeld nie wirklich zum Thema gemacht. Bei der WM davor war sie 18.. Ich habe ihr deshalb einen Platz von 12 bis 14 zugetraut. Mit dem wären wir super zufrieden gewesen. Wenn wir das Finale zu viel zum Thema gemacht hätten, dann gehst du vielleicht aus dem Wettkampf und bist enttäuscht. Und das sollte nicht sein. Letzten Endes war es dann auch so, dass Beate völlig überrascht war, dass sie in das Finale gekommen ist. Die eineinhalb Stunden bis zum Finale waren schließlich viel zu kurz, um noch einmal Spannung aufzubauen. Das ist ungefähr so, als würde jemand, der hofft Fünfter zu werden, Olympiasieger werden und dem sagst du dann eineinhalb Stunden später, dass er noch einmal laufen muss. Da war der Ofen aus.

LAOLA1: Was machst du anders als andere Trainer?

Unfried: (überlegt) Ich weiß nicht, was die anderen machen. Was gut war und ich auch weiterhin machen werde, ist den Kontakt zu Kollegen, bei denen ich das Gefühl habe, dort wird in die richtige Richtung gearbeitet, zu suchen. Ich habe schon vor Jahren zu Walter Hable Kontakt gesucht, knapp nachdem er Karin Mayr und Martin Lachkovics trainiert hat. Einfach weil ich der Meinung war, dass er im Sprintbereich der Beste Österreichs ist. Wenn ich dorthin gehen kann, dann suche ich auch den Kontakt zum Besten. Das hat uns wahnsinnig viel weiter geholfen. Als es dann um den Weg ins Ausland gegangen ist, war es eine ähnliche Geschichte.

LAOLA1: Umgekehrt gefragt - was zeichnet Beate aus?

Unfried: Ich finde, dass Beate wahnsinnig konsequent ist, ansonsten würde sie auch Uni und Sport nicht derartig unter einen Hut bringen. Bei ihr gibt es nicht viele Kompromisse. Was sie macht, macht sie mit hundert Prozent. Zudem lässt sie sich nicht leicht beeindrucken, wenn viele Zuschauer im Stadion sind. Das Drumherum kann sie relativ gut ausblenden und sich auf sich selbst konzentrieren.

LAOLA1: Du trainierst sie bereits seit ihrem 16. Lebensjahr. Ab wann war dir klar, dass es ganz weit raufgeht?

Unfried: Ab heuer (lacht). Es wird immer so viel prognostiziert: Der schafft es ganz weit rauf, der ist ein Jahrhundert-Talent und so weiter. Ich finde, dass man das in vielen Fällen einfach nicht sagen kann. Ich habe in der Vergangenheit schon so oft gehört, dass diese viel beschriebenen Riesen-Talente dann an irgendwelchen Dingen gescheitert sind. Wenn ich das jetzt auf eine Hürden-Zeit umlege: Ob jetzt bei 13,20 Sekunden, bei 13,00 oder bei 12,80 Schluss ist, ist extrem schwierig vorherzusagen und finde ich auch sehr gefährlich.

LAOLA1: Zumal man Talenten mit einem zu frühen Hinaufloben oftmals auch in psychologischer Hinsicht nichts Gutes tut.

Unfried: Zuerst werden sie als Jahrhundert-Talente gepriesen. Irgendwann kommen sie aber in eine schwierigere Phase, die einfach jeder Sportler in seiner Karriere durchmachen muss und dann zerbrechen sie oftmals daran, weil die Erwartungen so hoch sind. Dass es bei der Beate von der Zeit her soweit runter geht, hatte ich nicht gedacht. Wir haben auch sehr gelacht, über den Team-Rot-Weiß-Rot-Antrag, den wir für dieses Jahr ausgefüllt haben. Da musst du immer kurz-, mittel- und langfristige Ziele angeben. Was wir heuer alles erreicht haben, haben wir im Endeffekt alles als langfristige Ziele – also für die nächsten 4 bis 6 Jahre – hineingeschrieben. Jetzt müssen wir uns offenbar etwas Neues einfallen lassen.

LAOLA1: Was meinst du mit „Weg ins Ausland“ konkret?

Unfried: Ab 2010 den Kontakt zu Rana Reider nach Amerika und zu einem Kollegen nach Deutschland, der uns, was die Hürden anbelangt, viel weitergeholfen hat. Der hat dann teilweise unseren Weg bestätigt oder auch gesagt, dass sie gewisse Dinge anders machen. So habe ich einen Einblick bekommen. Was mir persönlich sehr geholfen hat, war, dass mir Walter die Möglichkeit gegeben hat, in diesem Bereich zu arbeiten, mich mit möglichst vielen Trainern aus möglichst vielen Sparten austauschen zu können. Zum Beispiel konnte ich auch mit den Kondi-Trainern des Ski-Verbands arbeiten.

LAOLA1: Werden sich durch das Olympia-Finale künftig neue Türen einfacher öffnen lassen?

Unfried: Nein. Natürlich war es aus beruflicher Sicht für uns in Weinburg super, dass eine Athletin, die schon so lange bei uns ist, einen derartigen Erfolg hat. Aber der Respekt und die Kontakte waren vorher schon da. Selbst bei Leuten wie beispielsweise einem Andi Evers, der mit Hermann Maier alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt. Da hat es nie etwas gegeben, dass die auf einem hohen Ross gesessen wären.

LAOLA1: Wenn du jetzt neue Ideen suchst: Zu wen wirst du künftig gehen?

Unfried: Ich glaube, dass wir nach wie vor in den Bereichen Potenzial haben, in denen wir gearbeitet haben. Auch wenn wir uns in diesen mittlerweile auch im internationalen Vergleich nicht mehr verstecken müssen. Zudem sind die Leute, mit denen wir gearbeitet haben, ohnehin schon ganz oben. Viel weiter rauf geht es nicht. Darum denke ich, den erfolgreichen Weg weiterzugehen.

LAOLA1: In welchen Bereichen siehst du bei Beate noch das größte Entwicklungspotenzial?

Unfried: Es waren sicherlich ein paar technische Sachen, die verbesserungswürdig waren bzw. sind. Aber ich glaube, dass wir diesbezüglich seit dem Sommer schon wieder einen sehr großen Schritt machen konnten. Darum orte ich den größten Handlungsbedarf in der Beschleunigung zur ersten Hürde. Wenn man sich den internationalen Vergleich zu den Schnellsten ansieht, ist sie da noch ein bisschen zurück. Darin liegt der Schlüssel. Das wirkt sich auch auf die folgenden Hürden aus.

LAOLA1: Mit Weinburg und den Bedingungen in St. Pölten seid ihr in der glücklichen Lage, über ein sehr gutes Umfeld zu verfügen.

Unfried: Wir haben den Sportplatz in St. Pölten rund um die Uhr zur Verfügung. Das ist ein riesiger Luxus, den du erst richtig zu schätzen weißt, wenn du beispielsweise einmal in Wien trainiert hast, wo es nicht so ist. Ich glaube zudem, dass sich die Diagnostik – zumindest was Sprint und Schnellkraft-Sportarten angeht – in Weinburg weder national noch international verstecken braucht. Da hat kaum jemand mehr Möglichkeiten als wir. Ich finde generell, dass es während der Olympischen Spiele ein wenig untergegangen ist, dass wir in Österreich auch sehr gute Bedingungen haben. Wahrscheinlich, weil es sich medial wohl auch besser verkaufen lässt, wenn man zwei Wochen nach Amerika zum Trainieren fliegt. Dabei finde ich, dass wir die Ressourcen im eigenen Land besser nutzen müssen.

LAOLA1: Beate war im Olympia-Finale mit 24 Jahren die jüngste Starterin. Wie geht es weiter: Was steht für nächstes Jahr auf eurem Förder-Antrag für Team-Rot-Weiß-Rot?

Unfried: Für nächstes Jahr weiß ich es gar nicht auswendig. Es wäre natürlich aber gut, wenn wir bei der WM einen Finaleinzug wiederholen könnten. Das Ziel wäre, die Zeit in den nächsten zwei Jahren so weit herunterzuschrauben, dass ein Endlauf in gewisser Weise auch planbar wird. Dass sie nicht mehr so überrascht ist wie heuer. Man hat in London gesehen, dass Athleten, die voriges Jahr erstmals überraschend im Finale gestanden sind und bei den Spielen neuerlich im Endlauf waren, dort im Prinzip schon dafür gerüstet waren. Von der Zeit her sollten wir schauen, dass wir noch eineinhalb Zehntel runterkommen.

Das Interview führte Reinhold Pühringer