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"Jeder hat eine zweite Chance verdient"

Manny Viveiros hat sein erstes volles Jahr als Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft hinter sich.

Mit dem Aufstieg in die A-Gruppe hat der gebürtige Kanadier zumindest das Soll erfüllt, auch wenn man als Gruppenzweiter hinter Slowenien nicht vollends überzeugt hat.

Im großen LAOLA1-Interview zieht der 46-Jährige Bilanz und spricht über sein persönliches Highlight im Sportjahr 2012. Weiter erklärt er die Gründe für die "Begnadigungen" von Oliver Setzinger und Stefan Ulmer und was er von der Einbürgerung Jonathan Ferlands hält.

LAOLA1: Manny, du bist nun etwas über ein Jahr als Nationaltrainer tätig. Wie sieht dein Resümee aus?

Manny Viveiros: Das fällt sehr positiv aus. Es war unser Ziel, junge Spieler an die Nationalmannschaft heranzuführen und diese auf Dauer in die Mannschaft zu integrieren. Ein Blick auf den Kader der B-WM zeigt, dass wir 14 oder 15 Spieler dabei hatten, die ihr erstes großes Turnier gespielt haben. Für mich ist es sehr wichtig, dass die jungen Cracks die nötige Erfahrung auf internationalem Niveau bekommen. Bei den Vorbereitungsturnieren vor und nach der WM ging es nicht um Resultate, sondern darum, dass die neuen Akteure möglichst viel Eiszeit auf diesem Niveau bekommen. Dies soll zur besseren Entwicklung der Spieler beitragen, von welcher wir dann natürlich profitieren.

LAOLA1: Neben der Mannschaft befindet sich auch der Verband im Umbau. Es wurde nach der A-WM 2011 in Kosice viel kritisiert. Hat man auch gehandelt?

Viveiros: Wir haben die Strukturen auf neue Beine gestellt und mit Alpo Suhonen einen hauptberuflichen Sportdirektor installiert. Die Entwicklung und Umsetzung der Ideen braucht Zeit, aber diese Geduld gilt es aufzubringen, denn irgendwann muss damit begonnen werden. Dabei geht es weniger um die Senioren-Nationalmannschaft, das Hauptaugenmerk liegt auf dem Nachwuchs. Wir müssen in ganz Österreich im Nachwuchs bessere Arbeit leisten, denn darin liegt die Zukunft des A-Nationalteams. Was wir jetzt investieren, sehen wir erst in ein paar Jahren, aber kleine Verbesserungen kann man natürlich sofort machen.

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LAOLA1: Was sind die Versäumnisse der letzten Jahre im Nachwuchs. Wo setzt ihr als Verantwortliche an?

Viveiros: Im Allgemeinen, damit meine ich ganz Österreich, machen die Vereine einfach zu wenig im Bereich der Nachwuchsförderung. Die richtige Ausbildung muss forciert werden und dabei gilt es zuerst die Trainer richtig zu schulen und zu professionalisieren. Trainer sind für mich Lehrer und die professionelle Betreuung muss bereits in den Kinderschuhen beginnen.

LAOLA1: Du sprichst über die Ausbildung und Förderung junger Österreicher und Einbindung ins Nationalteam. Dennoch soll mit Jonathan Ferland ein Kanadier eingebürgert werden. Wie passt das zusammen?

Viveiros: Wenn Jonathan die österreichische Staatsbürgerschaft haben möchte, ist das eine tolle Sache für ihn. Offensichtlich gefällt es ihm hier und er will in Österreich bleiben. Nur weil er die Staatsbürgerschaft erhält, heißt das doch nicht automatisch, dass er für das Nationalteam spielt. Die Einbürgerung Jonathans hat nichts mit uns zu tun, sondern heißt schlicht, dass er Österreicher sein will. Ich kenne ihn persönlich und er ist ein toller Mensch, ein Familienmensch und eine charismatische Persönlichkeit, aber dies hat mit der Nationalmannschaft derzeit nichts zu tun. Im Februar werden wir für die Olympia-Qualifikation ein Team zusammenstellen und da werden wir auswählen, wer in unseren Augen die Besten sind.

LAOLA1: Sprich die Einbürgerung, auch andere Spieler sind ja im Gespräch, wurde nicht vom Eishockey-Verband vorangetrieben?

Viveiros: Nein, das kommt nicht von uns. Diese Cracks wollen Österreicher werden und das hat mit dem Verband überhaupt nichts zu tun. Natürlich ist ein Spieler wie Ferland, sollte er die Staatsbürgerschaft bekommen, auch für uns ein Thema, aber die Idee, Österreicher zu werden, ist seine. Die letzte B-WM war übrigens das erste Großereignis seit 32 Jahren ohne Austro-Kanadier.

LAOLA1: Oliver Setzinger wurde nach seiner Kritik an Verbandspräsident Dieter Kalt vom Nationalteam ausgeschlossen. Du hast ihn im November begnadigt. Was hat dich zu diesem Schritt veranlasst?

Viveiros: Meiner Meinung nach haben alle Spieler eine zweite Chance verdient. Wir haben uns zusammen mit Dr. Kalt an einen Tisch gesetzt und über die Vorkommnisse während der A-WM in Kosice gesprochen. Alle haben ihre Meinung mitgeteilt und wir haben über die mögliche Zukunft diskutiert. Oliver hat schließlich nichts Kriminelles getan. Seine Äußerung war auch ein Resultat falscher Kommunikation. Durch die Presse werden die Dinge dann teilweise auch ein wenig verfälscht und das war auch in dieser Situation so. Wir wollen die besten Spieler für die Nationalmannschaft, aber die Athleten müssen wissen, dass es eine Linie gibt, an die es sich zu halten gilt. Wir brauchen nur Spieler, die auch zu 100 Prozent dabei sein wollen. Die Verletzung, die er sich nun zugezogen hat,  tut uns sehr leid und wir wünschen ihm natürlich eine gute Besserung.

LAOLA1: Stefan Ulmer hat sich ebenfalls rehabilitiert und war zuletzt wieder dabei. Gibt es aufgrund seines Sagers über die „Kärntner Mafia“ keine Konsequenzen mehr für ihn?

Viveiros: Stefan hat damals einen Fehler gemacht. Dennoch verdient er eine zweite Chance und er muss aus der Vergangenheit lernen. Wenn es Probleme gibt, kann er stets zu mir oder anderen Mitgliedern des Trainerteams kommen und sich den Frust von der Seele reden. Er hat sich entschuldigt und er hat eine zweite Chance verdient. Auch er hat nichts Kriminelles getan, sondern aus der Emotion heraus gehandelt. Durch Gespräche kann man immer eine Lösung finden und das haben wir getan. Damit ist das Thema auch erledigt.

LAOLA1: Noch nicht ganz erledigt hat sich die Kommunikation zwischen Liga und Verband. Im abgelaufenen Jahr gab es immer wieder Spannungen. Wie siehst du die Entwicklung als Teamchef, aber auch Sportdirektor des KAC?

Viveiros: Es muss eine Verbindung zwischen dem Verband, der Liga und den Vereinen geben. Wir als Verband sind involviert in die Liga und wissen, was in der EBEL, aber auch bei den einzelnen Klubs, vorgeht. Sollten Probleme entstehen sind wir mittlerweile mitten in diesem Prozess und beobachten das Geschehen nicht mehr als Außenstehende. Zum ersten Mal seit langer Zeit ziehen die verschiedenen Parteien an einem Strang und haben ein gemeinsames Ziel. Dieses ist, das Produkt Eishockey in Österreich nach außen zu präsentieren und den Nachwuchs zu stärken. Darin liegt unsere Zukunft.

LAOLA1: Wenn nun aber zahlreiche Ausländer zugekauft werden, wie bei RB Salzburg oder auch zuletzt beim KAC mit den NHL-Imports oder Tom Zanoski, ist dies für die Nachwuchsförderung aber doch kontraproduktiv.

Viveiros: Die Anzahl der Ausländer, und da nicht erst seit diesem Jahr, ist einfach zu hoch. Dennoch darf man nicht vergessen, dass es sich bei der EBEL um eine Profiliga handelt. Eishockey ist ein Business. Wir können uns in der Zukunft bemühen, einen Wege zu finden, die Ausländer zu reduzieren und jungen Spielern die Chance auf Eiszeit zu geben. Aber unsere Liga hat ein hohes Niveau und der Schritt für die U20-Spieler ist schlicht zu groß. Diese jungen Spieler müssen auch bereit sein und die Anforderungen erfüllen. Wenn du diese 18-jährigen Kinder heute EBEL spielen lässt, tust du ihnen keinen Gefallen, da sie einfach körperlich nicht in der Lage sind, das Niveau zu halten. Da ist die Verletzungsgefahr zu hoch. Die Zeiten, in welcher 16-Jährige in der Liga mithalten konnten, sind seit den 80ern vorbei.

LAOLA1: Was sind deine Ziele für 2013?

Viveiros (lacht): Unsere Ziele liegen auf der Hand. Die Olympia-Qualifikation und der Verbleib in der A-Gruppe. Sofern unsere Spieler gesund bleiben, haben wir realistische Chancen, dies auch zu schaffen.

LAOLA1: Und was war dein persönliches Sporthighlight des Jahres 2012?

Viveiros: Als meine beiden Söhne für Österreich bei der U20-WM in Frankreich aufgelaufen sind. Ich habe mir das Turnier nicht nur durch die Augen des Nationaltrainers angesehen, sondern habe auch als Papa mitgefiebert. Dass meine beiden Jungs für Österreich gespielt haben, hat mich sehr stolz gemacht.

Das Interview führte Sebastian Rauch

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