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"Einige werden international Karriere machen"

Keine Frage, das letzte Spiel hätten sie auch noch gerne gewonnen.

Der Frust über das 26:32 gegen Slowenien, das den sechsten Endrang bei der U20-EM in Oberösterreich besiegelt, hält aber nicht lange an.

„Das Ergebnis ist eine Sensation“, erklärt Roland Marouschek am Tag danach. Der Teamchef spricht im LAOLA1-Interview über die Unterschiede zu den Top-Nationen, Versäumnisse der Klubs und die Zukunft von EM-MVP Nikola Bilyk und Co.:

LAOLA1: Herr Marouschek, konnten Sie die Heim-EM schon etwas sacken lassen?

Roland Marouschek: Eine tolle Leistung der Mannschaft! Normalerweise haben die kleineren Nationen in diesem Altersbereich keine große Chance mehr, weil es keine guten Ligen gibt. Anstatt Boden zu verlieren haben wir aber einen Schritt näher an die Spitze heran gemacht.

LAOLA1: Was waren Knackpunkte im Turnierverlauf?

Marouschek: Wir sind aufgrund der Erwartungshaltung mit großem Druck in das Turnier gegangen. Über den Kampf und Willen haben wir hinein gefunden. Nach dem Sieg über die Slowakei war unser persönliches Minimalziel, unter die Top-8 Europas zu kommen, erreicht. Im Spiel gegen Deutschland hast du dann gesehen, was die Mannschaft kann, wenn der Druck nicht mehr so groß ist. Als Außenseiter haben wir die Deutschen voll gefordert. Das 27:28 war das knappste Ergebnis, welches der spätere Europameister im ganzen Turnierverlauf hatte. Die Sensation lag in der Luft. Für unseren Wunschtraum, das Semifinale, hätten wir in der Hauptrunde sowohl Slowenien, als auch Schweden schlagen müssen. Träume haben es aber an sich, dass man dann aufwacht.

LAOLA1: Wie ist das Ergebnis in der Entwicklung der Mannschaft einzustufen?

Marouschek: Vor zwei Jahren hat jeder gesagt: Naja, die sind erst 18, haben den Heimvorteil genutzt und haben zweimal mit Glück mit einem Tor Unterschied gewonnen. Jetzt haben wir aber nach der Jugend-EM 2012 und den Europäischen Jugendspielen 2013 den dritten sechsten Platz in Serie eingefahren. Das ist sensationell.

LAOLA1: Der Blick nach oben: Was fehlt beispielsweise zu einem Semifinale?

Marouschek: Das ist ganz klar die Qualität der Einzelspieler. Die Top-Nationen haben größere, breitere Kader. Die Spieler spielen bei Top-Vereinen. Da haben viele schon Champions-League-Erfahrung.

LAOLA1: Also kein Vergleich zu unseren Spielern.

Marouschek: Selbst ein Nikola Bilyk spielt nicht regelmäßig. Pro Partie bekommt er zehn bis 20 Minuten. Die anderen kommen überwiegend zu kaum Einsatzzeiten. Ich hab immer zum Spaß das Beispiel von Deutschlands Halbrechten Fabian Wiede herangezogen, der bei den Füchsen Berlin Champions League spielt. Unser Julian Schiffleitner spielt indes bei Fünfhaus gegen Hollabrunn. Und dann stellt man sie gegenüber und sagt: Naja, der Wiede ist eigentlich schon stärker. Da brauchen wir uns nicht wundern (schmunzelt). Zudem haben die Top-Nationen auch ein viel größeres Reservoir an Spielern, was von klein auf das Niveau in den diversen Nachwuchs-Bewerben hebt.

LAOLA1: Vereinfacht gesprochen: Wir können mit dem Nationalteam mithalten und haben eine schwächere Liga. Dennoch bekommen in Deutschland die Talente mehr Einsatzzeiten als bei uns. Warum?

Marouschek: Diese Spieler, egal ob aus Schweden oder Deutschland, sind bei ihren Klubs sogar Leistungsträger. Warum sie bei uns nur vereinzelt zum Zug kommen, darüber können wir jetzt lange diskutieren, aber das müssen die Vereine beantworten.

94er-Coach Roland Marouschek

LAOLA1: Wie habt ihr diesen Nachteil wettgemacht?

Marouschek: Die Burschen sind von ihrem Charakter und ihrer Leistungsbereitschaft her unglaublich stark. Wir arbeiten mit ihnen bereits seit acht Jahren. Auch wenn wir mit Niko Bilyk den außergewöhnlichsten Spieler des Turniers in unseren Reihen hatten, steht für alle der Team-Spirit im Vordergrund. Der höheren Qualität setzen wird Kollektiv, Herz und strategische Arbeit entgegen. Der Handball-Bund, das Sportministerium und Red Bull haben uns irrsinnig geholfen. Nicht nur mit Geld, sondern auch, dass wir in der Liga mitspielen durften und weitere Dinge. Und dann ist man am Ende auch einmal vor Nationen wie Frankreich, Norwegen, Ungarn oder Kroatien.

LAOLA1: Wird es weitere Jahrgänge geben, mit denen ein derartiges Projekt gestartet wird?

Marouschek: Ich hätte mir noch stärker gewünscht, dass dieses 94er-Team eine noch größere Sogwirkung erzeugt, damit weitere Generationen hier aufspringen. Es sieht noch nicht danach aus. Über die Gründe muss man mit dem Verband sprechen. Dabei sieht man hier sehr schön, was österreichische Spieler erreichen können. Ein Bub, der bei uns Handballspielen gelernt hat, kann wie ein Conny Wilczynski Torschützenkönig in Deutschland werden, wie Viktor Szilagyi die Champions League gewinnen oder eben wie ein Nikola Bilyk bester Spieler einer U20-EM werden.

LAOLA1: Bei Bilyk werden nun sicher einige Manager angeklopft haben.

Marouschek: Nicht nur bei Niko. Ich kann berichten, dass fünf, sechs unserer Jungs internationales Interesse geweckt haben. Konkretes Interesse. Ich halte mich als Teamtrainer da im Hintergrund, aber es werden einige aus diesem Team eine internationale Karriere machen. Was die „Buam“ geleistet haben, hat für Aufsehen gesorgt.

LAOLA1: Werden Sie im 94er-Team künftig noch auf Bilyk zurückgreifen können? Schließlich war er zuletzt bereits im A-Team mit dabei…

Marouschek: Das 94er-Team hat in dieser Zusammensetzung noch ein Jahr vor sich, an dessen Ende es eine U21-WM in Brasilien gibt. Für die müssen wir uns im Jänner qualifizieren. In diese Quali werden wir aus Topf 1 gelost. Bei Niko und anderen wird demnächst entschieden werden, ob und wann sie raufgezogen werden. In meiner Brust schlagen da zwei Herzen. Als 94er-Trainer hätte ich natürlich alle gerne in Brasilien mit dabei. Auf der anderen Seite bilden wir Spieler aus, damit sie in der Männer-Auswahl zum Einsatz kommen. Nur dafür machen wir den ganzen Spaß letztlich (schmunzelt).

Das Interview führte Reinhold Pühringer