news

Die Mission der Seahawks - der Umbruch der 49ers

Die Mission der Seahawks - der Umbruch der 49ers

Das lange Warten hat ein Ende!

In der Nacht auf Freitag startete die National Football League in ihre neue Saison.

Das traditionelle Kickoff-Game bestritten der aktuelle Super-Bowl-Champion New England Patriots und der sechsfache Rekord-Sieger Pittsburgh Steelers - mit dem besseren Ende für den Titelverteidiger.

Am kommenden Sonntag bzw. Montag starten dann die restlichen 30 Teams so richtig den ersten Spieltag der neuen Spielzeit.

Ziel der 32 NFL-Teams ist in diesem Jahr Santa Clara, Kalifornien.

In der Arena der San Francisco 49ers, dem Levi's Stadium, geht am 7. Februar Super Bowl 50 - zum Jubiläum ausnahmsweise in arabischen statt wie üblich in römischen Ziffern bezeichnet - über die Bühne.

Was ist 2015 neu?

Unter anderem wird der Extra-Punkt ab sofort an der 15-Yards-Marke (statt an der 2) durchgeführt und Frauen bereichern die Liga: Sarah Thomas ist die erste Vollzeit-Schiedsrichterin in der NFL. Mit Jen Welter (Cardinals) gibt es auch einen weiblichen Coach (Outside Linebacker).

Natürlich gab es in der Offseason auch viele Personalrochaden, die wir euch in gewohnter Manier nun in den Vorschauen näher bringen.

LAOLA1 mit dem Team-Check in der NFC WEST.

SEATTLE SEAHAWKS (13-3)

THE TALK

Über sieben Monate, sieben lange, lange, lange, lange Monate muss Russell Wilson nun schon warten, um jene Szene korrigieren zu können, die seine bislang so erfolgreiche Karriere für immer begleiten wird. Die jetzt schon legendäre Goalline-Interception in der Super Bowl. Ein Wurf. Ein Fehler. Eine Niederlage. Und zwar eine niederschmetternde. Über diesen Lapsus bei seinem bis dato letzten NFL-Pass können wohl auch die 87,6 Millionen Dollar, die sein neuer Vierjahres-Vertrag wert sind, nur schwer hinwegtrösten. Auch wenn es einer Majestätsbeleidigung gegenüber der besten Defense der NFL gleicht, bleiben wir vorerst bei Wilson und seiner Offense. Diese bietet nämlich einige spannende Themen. Allen voran Jimmy Graham. Der Star-Tight-End wurde per Trade von den New Orleans Saints losgeeist und sollte dem QB nicht nur ein mehr als brauchbares Red-Zone-Target bieten, sondern das etwas wankelmütige Passspiel generell beleben. Endlich hat diese solide, mit vielen braven und unterschätzten Rollenspielern besetzte Passempfängerriege einen echten Superstar vorzuweisen. Der Nachteil: Für Graham ging Center Max Unger nach New Orleans, mit Guard James Carpenter verabschiedete sich eine weitere Stütze, was aus einer bis dahin eher durchschnittlichen O-Line eine echte Problemzone machen könnte. Gut für Seattle, dass der mobile Wilson das herausragende Talent besitzt, sich Zeit zu kaufen. Und dann gibt es da ja noch "Beast Mode". Eine schlechte O-Line ist nie eine gute Nachricht für Running Backs, aber Marshawn Lynch ist dominant genug, um dieses Manko zu umgehen. Es spricht wenig dagegen, dass er weiterhin Taten für sich sprechen lässt. So lange der schweigsame Ballträger in Normalform agiert, verzögert sich auch der Prozess, Wilson mit der Hauptlast der Verantwortung auszustatten - so wie es sein Gehalt nunmehr ohnehin bedingen würde. Aber im Gang ist dieser Prozess - siehe Graham-Deal. Und die Defense? Ja, was soll man dazu noch sagen? Sie sollte auch den Abgang von CB Byron Maxwell verschmerzen können. Ob Richard Sherman, Earl Thomas, Bobby Wagner oder Michael Bennett - es wimmelt weiterhin nur so von altbekannten Playmakern. Dies ist und bleibt die beste Defense der NFL. Zwei kleine Abers: Der Holdout von Safety Kam Chancellor ist ein Störfaktor, und über die bislang beeindruckende Kadertiefe - vor allem in der Secondary - lässt sich inzwischen streiten. Aber dass das Manegement angesichts der vielen Vertragsverlängerungen irgendwo Abstriche machen musste, liegt auf der Hand. Verletzungspech sollte den Seahawks aber besser erspart bleiben. Mit Dan Quinn verabschiedete sich der DC nach Atlanta und wurde HC, neuer DC ist Kris Richard, der zuvor die Defensive Backs coachte.

THE PICK

Würde es jemanden wundern, wenn die Seahawks ein drittes Mal in Folge in der Super Bowl auftauchen würden? Vermutlich nicht. Noch dazu, da Seattle nach der Endspiel-Niederlage gegen New England etwas zu beweisen hat. Der Jimmy-Graham-Schachzug hat dieses Team verändert und im Idealfall in eine noch positivere Richtung. Wilson ist immer noch jung, hat aber inzwischen noch mehr Erfahrung. Eine weitere Steigerung seiner Person in Kombination mit "Beast Mode" und dieser Defense - hui! Das bleibt, drücken wir es einmal vorsichtig aus, für die Konkurrenz unangenehm.

ARIZONA CARDINALS (11-5)

THE TALK

Was wäre gewesen, wenn? Diese Frage hat sich wohl so mancher Cardinals-Fan in der Offseason gestellt. Aufgrund des Verletzungspechs, das eine lange Zeit hervorragende Saison auf dem Weg zur Ziellinie aus den Fugen geraten ließ. In den Playoffs hatte man nicht einmal gegen die mit einer Negativbilanz qualifizierten Panthers aus Carolina eine Chance. Vor allem QB Carson Palmer wurde schmerzlich vermisst. Die Vorzeichen vor der Spielzeit 2015 haben sich nur in Nuancen geändert. Dies ist nach wie vor ein sehr talentierter Roster, dem im Vergleich mit Division-Primus Seattle jedoch das absolute Star-Potenzial fehlt. Angeführt wird die Mannschaft weiterhin von Bruce Arians, der sich als einer der besseren Head Coaches in der NFL etabliert hat. Verabschiedet hat sich jedoch der so wichtige Defensive Coordinator Todd Bowles, der nun die New York Jets betreut. Die Vorschusslorbeeren für seinen erst 37-jährigen Nachfolger James Bettcher sind groß, er muss ihnen jedoch erst gerecht werden. Palmer ist nach seinem Kreuzbandriss zurück, ist jedoch mit einer ähnlichen Ausgangsposition wie bisher konfrontiert. Dies betrifft vor allem die O-Line, die, freundlich formuliert, weiterhin große Fragezeichen aufwirft. Bei einem derart unmobilen Spielmacher ist dies grundsätzlich ein Nachteil, aber auch ein Tanz auf der Rasierklinge - Stichwort Verletzungsgefahr. Das Laufspiel müsste einen Sprung nach vor machen, um Palmer zu entlasten. Ob dies gelingt? Andre Ellington hat jede Menge Potenzial, ist jedoch noch nicht so richtig explodiert. Von Rookie David Johnson hört man viel Gutes. Bei Neuzugang Chris Johnson, formerly known as "CJ2K", sind indessen Zweifel erlaubt, wie viel er noch im Tank hat. Auch WR Larry Fitzgerald wird nicht jünger, dafür hat man neben Michael Floyd auf der Receiver-Position vor allem mit John Brown ein großes Talent zur Verfügung, das einen weiteren Schritt nach vor machen sollte. Es bleibt dabei: Auf dem Papier klingt dies alles nicht so schlecht, die O-Line könnte in der Offense jedoch einiges kaputt machen. Somit könnte es wieder an der Defense liegen, vieles zu kompensieren. Vor allem die Secondary um Patrick Peterson und Tyrann Mathieu muss sich nur vor ganz wenigen in der Liga verstecken.

THE PICK

Arizona wird mancherorts als Kandidat für einen Rückschritt gehandelt. Unangenehme Division, schwerer Spielplan - diese Saison wird auch definitiv eine Herausforderung. Zu pessimistisch sollte man die Ausgangsposition jedoch nicht sehen. Der Kader ist weiterhin gut genug, um im engen Playoff-Rennen der NFC bestehen zu können. Vor allem, wenn Palmer seine schwere Knieverletzung überwunden haben sollte. Aber vom Thema Verletzungspech hat man in der Wüste ohnehin schon genug. Vielleicht erspart man sich diesmal ja auch die Was-wäre-wenn-Frage.

SAN FRANCISCO 49ERS (8-8)

THE TALK

Es gibt Journalisten, die sich auf die Suche nach einer schlechteren Offseason als jener der 49ers machten - wohlgemerkt nicht in diesem Jahr, sondern in der NFL-Geschichte - und nicht fündig wurden. Was seit dem Ende der verkorksten Vorsaison in San Francisco abging, ist wohl tatsächlich beispiellos. Da dies eine Internet-Saison-Vorschau und kein Buch ist, ist es auch unmöglich, im Detail auf alle personellen Veränderungen und ihre Hintergründe einzugehen, fest steht jedoch: Die San Francisco 49ers werden in dieser Saison ein komplett anderes Gesicht haben als in den relativ erfolgreichen Jahren davor. Dies fängt beim Head Coach an. Jim Harbaugh wurde relativ unsanft seines Amtes enthoben. Wer in dieser Soap Opera der Gute und wer der Böse war, sei dahingestellt - zum Streiten gehören meistens zwei. Sein Nachfolger Jim Tomsula ist nicht der begnadete öffentliche Kommunikator, wie seine ziemliche desaströse Antritts-PK belegte, hat mit seiner kauzigen Art jedoch inzwischen viele Herzen erobert. Head-Coach-Erfahrung hat er jedoch "nur" aus der NFL Europe, was in der rauen NFL-Welt auch für einen "Players Coach" eine Herausforderung darstellen könnte. Vor allem, wenn es nicht läuft. Und die Wahrscheinlichkeit, dass man sich in der Bay Area wieder auf magerere Zeiten einstellen muss, ist nicht gerade gering. Patrick Willis, Justin Smith, Frank Gore, Aldon Smith, Michael Crabtree, Mike Iupati, Chris Borland, Anthony Davis, Chris Culliver oder Perrish Cox - alle aus den unterschiedlichsten Gründen weg! Darunter befinden sich einige Gesichter der Franchise, die für den Aufschwung der letzten Jahren standen. Vor allem die unerwarteten Rücktritte von Willis, Borland und Davis hinterlassen Lücken. Ohne die Leadership von Willis, Smith und Gore muss sich auch die Hierarchie in der Kabine neu bilden. Keine Frage: Dies ist nun zunehmend Colin Kaepernicks Team. Der Quarterback kann sich jedoch nicht auf eine Stärke der vergangenen Jahre verlassen, denn die O-Line hat nur noch wenig mit der zuletzt bekannten Qualität zu tun. Dies dürfte auch Auswirkungen auf das Laufspiel haben, wo Carlos Hyde nach guten Ansätzen in seinem Rookie-Jahr endgültig das schwere Erbe von Publikumsliebling Gore antritt. Die gute Nachricht für Kaepernick: Mit Torrey Smith steht nun eine lange Zeit schmerzlich vermisste Deep Threat zur Verfügung. Gemeinsam mit Anquan Boldin bildet Smith übrigens kurioserweise ein Receiver-Duo, das 2013 den Baltimore Ravens half, die Niners in der Super Bowl zu besiegen. Gespannt sein darf man, wie sich Altstar Reggie Bush und der australische Rugby-Star Jarryd Hayne, der vor allem als Returner zum Einsatz kommen dürfte, ins Offensivspiel einfügen werden, und ob TE Vernon Davis jemals wieder der Alte wird. Auch auf der defensiven Seite des Balls blieb kaum ein Stein auf dem anderen. Positiv sollte sich zumindest das Comeback von NaVorro Bowman auswirken, der die komlette letzte Saison verpasste. In Normalform zählt er zu den besten Inside Linebackern der Liga. Ansonsten bekommen zahlreiche junge und hungrige Talente die Chance, sich in den Vordergrund zu spielen. Die meisten müssen ihr Potenzial im Ernstfall jedoch erst unter Beweis stellen.

THE PICK

Eines vorneweg: Nicht jeder Abgang war so schlimm, wie er mancherorts hingestellt wurde. Beim einen oder anderen war der Name besser als die zuletzt gezeigten Leistungen. Der neue Coaching Staff sollte zumindest für ein verbessertes Betriebsklima sorgen, denn bei einer vergifteten Atmosphäre wie im Jahr 2014 in San San Francisco lassen sich keine Erfolge einfahren. Dennoch kann es sich in dieser ultrakompetitiven Division einfach nicht ausgehen, so viel Qualität zu verlieren. Um dies zu kompensieren, müssten schon alle Nachrücker voll einschlagen. Auf die 49ers wartet eine harte Saison, eine des Übergangs. Vielleicht ist es auch nicht unklug (wenngleich ungewollt), ein Rebuilding zu starten, während der erbitterte Erzrivale aus Seattle beinahe unantastbar erscheint. Und dass kein Potenzial übriggeblieben wäre, kann man auch nicht behaupten. Gerade Kaepernick ist zu vielem imstande. Vielleicht wird er nun auch vermehrt gemäß seiner Stärken eingesetzt. Tomsula wird zumindest in notwendigem Ausmaß Versprechen für die Zukunft liefern müssen, ansonsten wird der Gegenwind in der Bay Area relativ schnell ziemlich ungemütlich.

ST. LOUIS RAMS (6-10)

THE TALK

Die Puzzleteile sind da, aber irgendwie gelang es in St. Louis nie, diese zu einem vernünftigen Bild zusammenzusetzen. Dieses Schicksal könnte auch in diesem Jahr drohen. Fangen wir deshalb bei der Kernfrage an, bevor wir zu den wirklich positiven Aspekten kommen. Es ist schon bemerkenswert, wie schlecht die Entwicklungsarbeit der Rams in den vergangenen Jahren im Passspiel war. In diesem Hinblick ist der Quarterback-Tausch mit den Philadelphia Eagles - der frühere Nummer-1-Pick Sam Bradford ging, Nick Foles kam - ein gewagtes Experiment. Ja, Bradford überzeugte abseits seiner vielen Verletzungspausen nur selten, aber sollte er im QB-freundlichen System in Philadelphia plötzlich funktionieren, müssen sich einige Herrschaften in Missouri hinterfragen. Foles sollte definitiv ein Upgrade gegenüber den beiden Notlösungen des Vorjahres, Shaun Hill und Austin Davis, sein. Aber der immer noch relativ unerfahrene Spielmacher ist nun in der NFC West mit ganz anderer Defense-Qualität konfrontiert als in der in dieser Hinsicht eher schmalbrüstigen NFC East. Von seinen Anspielstationen ganz zu schweigen. Viel hat man aus diversen Receivern der vergangenen Jahre nicht herausgeholt. Ob der in seinen ersten beiden Jahren maßlos enttäuschende Einser-Pick Tavon Austin, Kenny Britt oder Brian Quick - irgendjemand muss einen deutlichen Schritt nach vorne machen. Müsste man wetten, bekäme im Moment Quick den Zuschlag. Aber Head Coach Jeff Fisher lässt ohnehin am liebsten laufen und hier könnten die Rams mit Rookie Todd Gurley den Jackpot geknackt haben. Der gilt als größtes RB-Talent seit Adrian Peterson, fällt jedoch in den ersten Saison-Wochen noch aus und muss danach beweisen, wie gut er seine Verletzung abgeschüttelt hat. Mit Tre Mason hat im Vorjahr schon ein anderer junger Ballträger aufgezeigt. Geht Gurley auf, könnte dies eine Kombo werden, welche die Offense schultert und somit Foles und Co. Freiräume verschafft. Man könnte ja meinen, in St. Louis hätte man in den vergangenen Jahren etwas mehr in andere Positionen investieren sollen, als D-Liner zu sammeln. Die Qualität, die man hier angehäuft hat, ist jedoch so richtig spektakulär. Ob Robert Quinn und Chris Long außen, oder Aaron Donald, Michael Brockers und Neuzugang Nick Fairley innen - fünf D-Liner mit Pro-Bowl-Potenzial schickt kein anderes NFL-Team aufs Feld. An dieser Stelle der NFC-West-Preview wissen wir auch bereits, dass sich die drei Divison-Rivalen in punkto O-Line nicht gerade verbessert haben - diesbezüglich könnten in den direkten Duellen wahre Freudenfeste warten. Aber es gibt eben auch noch andere Positionen, und hier muss sich erst zeigen, ob sich die Personalpolitik der Rams bezahlt gemacht hat.

THE PICK

Völlig außen vor gelassen, und das ist das wahre Damoklesschwert über der diesjährigen Rams-Saison, haben wir bisher die im Raum stehende Rückkehr nach Los Angeles. Sollte dies im Verlauf dieser Spielzeit publik werden, kann man selbige wohl bereits abhaken. Die Ablenkung wäre zu groß, der Rückkalt in St. Louis selbst würde gegen null tendieren. Aber dies ist Sportpolitik. Sportlich gesehen, steht und fällt natürlich vieles mit der Leistung von Foles. Entpuppt sich dieser Schachzug als Fehler, wird man der Division-internen Konkurrenz erneut hinterherhinken. Funktioniert der Spielmacher, und das ist trotz der Bedenken mancherorts nicht auszuschließen, könnte man durchaus die Lücke zu den Rivalen verkleinern oder gar den einen oder anderen überholen.


Peter Altmann

TEAM ALTMANN KASTLER
SEA 1 1
ARI 2 2
SF 4 3
STL 3 4