Vorhang auf zum letzten Akt der MotoGP-Saison 2015!
An Spannung kaum zu überbieten, steuert das packende Titel-Duell zwischen Valentino Rossi und Jorge Lorenzo auf seinen Showdown zu.
Die beiden Yamaha-Kollegen fahren zwar dasselbe Bike, haben sich aber längst nichts mehr zu sagen.
Spätestens seit dem Skandal von Sepang, als der Italiener Marc Marquez mit einem Fußtritt von seiner Maschine beförderte und Lorenzo anschließend seinem Titelkonkurrenten jegliche Klasse absprach, wurde aus der erbitterten Rivalität ein Hass-Duell.
In der einen Ecke die Rossi-Jünger, in der anderen die Lorenzo-Fans. Der Zweikampf elektrisiert und rückt die Motorrad-WM ins Zentrum der medialen Sportberichterstattung.
Angst vor einem Crash
So sehr Fahrer, Veranstalter und Verantwortliche vom Hype um die beiden Ausnahmekönner und ihre Feindschaft profitieren, so groß ist gleichzeitig auch die Angst, dass der MotoGP dasselbe Schicksal droht wie der Formel 1 vor mehr als 25 Jahren, als sich Alain Prost und Ayrton Senna gegenseitig von der Strecke schossen, um dem anderen den Titel wegzuschnappen.
Nachdem die offizielle Pressekonferenz dem angespannten Verhältnis aller Beteiligten zum Opfer fiel, wurde den Superstars in einem Fahrerbriefing noch einmal ordentlich die Meinung gegeigt, damit sie sich aufs Wesentliche, das Racen, konzentrieren, und die WM auf sportliche Weise entschieden wird.
"Zunächst einmal hat der Sport Vorrang", appellieren die Bosse rund um Carmelo Ezpeleta (Chef von Promoter Dorna) und Vito Ippolito (FIM-Präsident) an die Fahrer.
"Ihr habt Millionen von Fans auf der ganzen Welt. Sie beobachten und bewundern das, was ihr auf der Strecke erreicht und sie hören auch genau zu, was ihr zu sagen habt. Was ihr macht und sagt, kann Konsequenzen haben, die die edlen Werte unseres Sports nicht achten", heißt es weiter.
CAS-Einspruch abgelehnt
Ob die Fahrer sich daran halten, wird sich am Sonntag herausstellen. Ein Spektakel der Extraklasse ist jedenfalls garantiert. In Valencia ist alles angerichtet für die vielleicht mitreißendste WM-Entscheidung aller Zeiten.
Valentino Rossi führt die Fahrer-Wertung nach 17 von 18 Rennen mit sieben Punkten Vorsprung auf Lorenzo an, alle weiteren haben keine Chance mehr auf die Krone.
Wer jedoch denkt, dass der "Dottore" einfach nur ein vermeintlich komfortables Punktepolster verwalten muss, irrt gewaltig. Nach dem "Sepang Clash" mit Marquez wurde er von der Rennkommission bestraft und für das Finale auf den letzten Startplatz verbannt.
Sein Einspruch vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) blieb ohne Erfolg und wurde abgelehnt. Das wiederum bedeutet, dass der neunfache Weltmeister (sieben Mal MotoGP/500 ccm, ein Mal 250 ccm, ein Mal 125 ccm) das Feld von hinten aufrollen muss.
Zu allem Überfluss kommt aus seiner Sicht erschwerend hinzu, dass mit Valencia einer von vier auf spanischem Boden stattfindenden Rennen das "Grande Finale" bildet. Während der Italiener wohl überall anders auf der Welt das Publikum hinter sich weiß, fliegen die Herzen der Fans auf dem Circuit Ricardo Tormo vor allen Dingen Lorenzo zu.
Marquez: "Habe nur ein Ziel"
Der 28-Jährige, zuletzt in Malaysia bei der Siegerehrung von den zig Tausenden Rossi-Sympathisanten ausgebuht worden, hat zudem einen weiteren, unschätzbar wertvollen Vorteil auf seiner Seite.
Die Saison 2015 hat uns gelehrt, dass lediglich Dani Pedrosa und Marc Marquez den Speed der beiden Giganten mitgehen können. Beide sind Spanier und werden daher - vor allem Marquez - dem Lorenzo-Lager zugeordnet.
Es ist kaum davon auszugehen, dass der Weltmeister von 2013 und 2014, der zuletzt mehrfach in die Kritik geriet, Rossi bewusst aufzuhalten, seinem Landsmann vor Heimpublikum im Fall der Fälle den Titel vermiesen würde.
<span style=\'color: #ff0000;\'>Ergebnis Lorenzo | <span style=\'color: #ffff00;\'>Das braucht Rossi |
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Sieg | Platz 2 |
Platz 2 | Platz 3 |
Platz 3 | Platz 6 |
Platz 4 | Platz 9 |
Platz 5 bis 9 | max. sechs Positionen hinter Lorenzo |
Platz 10 oder schlechter | Resultat egal |
Offiziell gibt er sich allerdings unbeeindruckt. "Ich habe nur ein Ziel im Kopf: Meinen sechsten Saisonsieg." Die beiden Titelaspiranten erwähnt er mit keinem Wort, um weiteren Wirbel zu vermeiden.
Rossi könnte im Fall der Fälle auf Andrea Iannone bauen, sofern dieser überraschend ein Wörtchen um den Sieg bzw. die Podestplätze mitreden kann. "Natürlich würde ich Vale gerne helfen", erklärte er gegenüber "Rai 3".
Es zeichnet sich also ein Länderkampf Italien gegen Spanien ab, in dem die Gastgeber in der Überzahl sind.
Lorenzo ist WM-Favorit
Zwar kann Lorenzo theoretisch nicht aus eigener Kraft Weltmeister werden, dennoch hat er gleich mehrere Trümpfe im Ärmel und gilt bei den Buchmachern als klarer Favorit.
Der vierfache Champion (zwei Mal MotoGP, zwei Mal 250 ccm) will das Geschehene hinter sich lassen und richtet den Fokus ausschließlich auf das Rennen. "Wir müssen die Entscheidung respektieren", meinte er und bezeichnet die Vorfälle zuletzt als "kein gutes Beispiel für die Zuschauer".
Ab sofort wolle er nur noch "über die Zukunft" sprechen. "Die Strafe (gegen Rossi) beeinflusst mich nicht, ich würde auch ohne sie versuchen, das Maximum herauszuholen."
Der Zurückgesetzte ist hingegen "not amused" über die Aufrechterhaltung seiner Rückversetzung. "Der letzte Startplatz macht es natürlich noch härter, auch wenn es so schon schwierig genug gewesen wäre", weiß Rossi, dass er trotz WM-Führung als Außenseiter in das Rennen geht.
Ab sofort will aber auch er die Vergangenheit abhaken. "Carmelo und die FIM sagten, wir sollen jetzt nicht mehr über Sepang reden und damit bin ich einverstanden."
Der 36-Jährige erwartet sich von seinen Berufskollegen "ein normales Verhalten. Jeder wird sein eigenes Rennen fahren."
Ob dem auch wirklich so ist, zeigt sich am Sonntag ab 14 Uhr, wenn die MotoGP zum letzten Akt einer unglaublich spannenden Saison bittet.
Christoph Nister