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Fernando Alonso, ein Meister an Konstanz

Fernando Alonso, ein Meister an Konstanz

Vier Runden fehlten Fernando Alonso. Läppische vier Runden zum perfekten Wochenende.

Im samstägigen Regen-Chaos ruderte er zur Pole-Position. Erstmals seit 26. September 2010 (Singapur) hatte er im „Grid“ freie Sicht auf die erste Kurve.

Souverän meisterte der Spanier letztlich den Start. Mit berüchtigter Leichtigkeit schien er zum dritten Saisonerfolg zu rasen. Wären da nicht diese Reifen.

Während Alonsos weiche Pneus radikal abbauten, konnte Mark Webber auf harten pushen. Im 48. Umlauf quetschte er sich vorbei, triumphierte beim Grand Prix von Silverstone.

An jenem Ort, wo zig Motorsport-Mythen ihren Ursprung haben, bewahrheitete sich jedoch abermals: Alonso ist ein Meister an Konstanz. Und das, obwohl er in einer „roten Göttin“ sitzt, der schon lange ihr übersinnliches Renommee abhandenkam.

Statt Euphorie spricht Alonso Klartext

Noch zum Auftakt in Melbourne blamierte sich die Scuderia. Die Test-Eindrücke waren beängstigend, das Qualifying nicht minder. Nach den Plätzen zwölf und 16 (Felipe Massa) lachte die Konkurrenz, die Spitze schien außer Reichweite. Wäre da nicht dieser Lenkrad-Artist aus Oviedo.

Der 31-Jährige brillierte mit unbändigem Willen, kämpfte sich als Fünfter über die Linie. Er sprach von einem „kleinen Wunder“. Sieben Tage später hatte er selbiges schließlich vollbracht. Er pilotierte den unterlegenen Boliden zum Malaysia-Erfolg.

Seit Barcelona eroberte der Ferraristi von 86 von 125 möglichen Zählern. Die schärfsten Widersacher aus dem Red-Bull-Racing-Team, Webber sowie Vettel, kamen auf 68 bzw. 47. Ross Brawn, Mercedes-Superhirn und von 1997 bis 2006 Technik-Chef der Scuderia, ist einer Kenner der „roten“ Strukturen.

„Sie sind selten die schnellsten, aber zum richtigen Zeitpunkt und schaffen den besten Durchschnitt.“

Für die nächsten Rennen gerüstet

In Mutterland des Motorsports schöpfte Alonso erneut das Potenzial aus. Anstatt unnötiges Risiko zu nehmen, chauffierte er seinen Ferrari überlegt auf Rang zwei. 18 Punkte waren der Lohn – danach resümierte er zufrieden: „Für die Meisterschaft war es ein guter Tag. Zu Mark habe ich zwar sieben Punkte verloren, auf alle anderen wieder etwas rausgeholt.“

Der WM-Führende fühlt sich für die Grand Prixs in Hockenheim (22.7.) und Budapest (29.7) – danach geht es in die einmonatige Sommerpause – gerüstet und honoriert die Anstrengung der Mechaniker: „Ich bin sehr stolz auf diese Truppe.“

Alonso ist eben auch Motivator. Denn er hat den Anspruch, wieder die Nummer eins zu werden. Und dafür benötigt er die Unterstützung aller. Webber weiß, worauf es ankommt: „In diesem Jahr werden die wenigsten Fehler entscheiden. Und da liegt er bis jetzt vorne.“

Fernando Alonso, der Meister an Konstanz.

Christoph Köckeis

Alonso erweckte den „roten Patienten“ aus dem Tiefschlaf. Von euphorisierten Tifosi ließ er sich aber nicht anstecken. Er ist ein gnadenloser Realist. Problemfelder wurden offen dargelegt. Er machte sich und dem Team nichts vor. Der Ferrari war schlichtweg zu langsam.

Setzte man früher aerodynamische Trends, verschläft man sie dieser Tage. Anstatt wie zu glorreichen Zeiten Michael Schumachers zu agieren, reagiert man nur mehr.

„Maximale Schadenbegrenzung“

Bis zur Europa-Rückkehr sollte das Punkte-Konto nur um weitere acht Zähler anwachsen. Vor seinem Heim-Auftritt am Circuit de Catalunya hob Alonso mahnend den Zeigefinger: „Mit dem Auto, was wir zur Verfügung hatten, konnten wir eine maximale Schadensbegrenzung betreiben. Wir haben davon profitiert, dass stets ein anderer gewonnen hat.“

Um den winterlichen Nachholbedarf wieder zu decken, wurden in Maranello keine Mühen gescheut. Extra-Schichten, die sich bezahlt machen. Der modifizierte Ferrari nähert sich den Vorstellungen des zweifachen Weltmeisters. Seinen Dank bringt er auf der Strecke zum Ausdruck.

In Barcelona (2.) und dem Fürstentum Monaco (3.) lächelte Alonso vom Podium herab. Sein Triumph beim Europa-GP von Valencia elektrisierte die Massen. Der Lokalmatador feierte ausgelassen, genoss den Moment. Ehe er neuerlich an die Konzentration appellierte.

Alonso wie einst Schumacher

„Mit der Leistung des Autos bin ich nicht ganz zufrieden, auch wenn wir seit Melbourne ungefähr 1,5 Sekunden schneller geworden sind. Wir dürfen uns vom derzeitigen Punktestand aber nicht täuschen lassen, müssen ehrlich zu uns selbst bleiben.“

Alonsos Konsequenz beeindruckt. Sowohl Außenstehende als auch Konstrukteure. Teamintern ist er der nicht streitbare Chef. Ähnlich wie Schumacher vereint er die Ferrari-Familie hinter sich. Daran konnte Felipe Masse, 2008 erst in letzter Sekunde durch Lewis Hamilton vom Thron gestoßen, nie kratzen.

Der feinfühlige Brasilianer zerbrach an dieser Übermacht. Dass sich das „Sorgenkind“ stabilisierte und als Vierter in Silverstone ein Lebenszeichen von sich gab, reicht als Beweis für den Aufwärtstrend. „Es ist besser geworden. Wir haben eine tolle Aufholjagd hingelegt“, so Alonso.

Zwischen Massa und ihm klafft eine für Teamkollegen eklatante 124-Punkte-Lücke. Während Ersterer in der Belanglosigkeit feststeckt, führt Zweiterer die WM-Wertung an. Eine Leistung, welche nicht hoch genug einzuschätzen ist.

 „Fernando ist der Beste“

„Unglaublich, was der Kerl aufführt. Er macht praktisch keine Fehler, hat kaum Schwankungen“, adelt ihn Force-Indias Nico Hülkenberg gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“. Wie Recht er hat. Niemand sammelt so regelmäßig Punkte, niemand steht so über den Dingen.

Die unberechenbarste F1-Saison aller Zeiten brachte sieben Sieger hervor. Einzig Alonso und Webber war es bisher vergönnt, zwei Mal der heimischen Nationalhymne zu lauschen. Timo Glock (Marussia) bekräftigt: „Fernando ist der Beste. Keiner sonst würde mit diesem Auto führen.“

Fahrer AUS MAS CHN BRN ESP MON CAN EUR GBR Gesamt
Alonso 10 25 2 6 18 15 10 25 18 129
Webber 12 12 12 12 - 25 6 12 25 116
Vettel 18 - 10 25 8 12 12 - 15 100
Massa - - - 2 - 8 1 - 12 23